BGH,
Urt. v. 20.1.2004 - 1 StR 319/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 319/03
vom
20.01.2004
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20.
Januar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin B.,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers M.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen
das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 18. Februar 2003
werden verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der
Staatsanwaltschaft
und die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen
Auslagen des Angeklagten.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seiner Revision und die
durch
dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen der
Nebenkläger.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (vorsätzlicher)
Körperverletzung
und wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei
Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe
von 270 Tagessätzen zu je 90
freigesprochen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten
Revision,
die sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und auf die
Sachbeschwerde
gestützt hat, erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung
des Angeklagten
zu einer höheren Strafe und die Anordnung des Berufsverbots.
Der Angeklagte
erhebt Verfahrensrügen und die Sachrüge und wendet
sich insbesondere
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gegen die Verurteilung wegen (vorsätzlicher)
Körperverletzung. Beide Rechtsmittel
bleiben ohne Erfolg.
A.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Der Angeklagte wurde im Oktober 1997 im Alter von 37 Jahren
ärztlicher
Direktor der Abteilung Unfallchirurgie an der Chirurgischen
Universitätsklinik
in F.. Er wollte der Unfallchirurgie sein Gepräge geben und
dafür sorgen,
daß sie als qualitativ hochwertig und auch in
wissenschaftlicher Hinsicht
bekannt würde. Gegen den Angeklagten läuft derzeit
ein Disziplinarverfahren;
er ist vorläufig vom Dienst suspendiert.
2. Der Verurteilung liegen vier stationäre Behandlungen
zugrunde, bei
denen dem Angeklagten Behandlungs- und Aufklärungsfehler
vorgeworfen
werden.
a) Im Februar 1999 behandelte der Angeklagte auf seiner Station den
damals 18 Jahre alten Patienten E., der eine zweimalige vordere
Schulterluxation rechts erlitten hatte. Der Angeklagte
erklärte dem Patienten
und seinen Eltern die anstehende Operation und wies darauf hin,
daß es möglicherweise
notwendig werden könnte, einen Knochenspan aus dem hinteren
Beckenkamm zu entnehmen, um damit die Pfanne zu modellieren, wenn sich
intraoperativ herausstellen sollte, daß die
Schulterluxationen an einem zu flachen
Pfannenrand lägen. Bei der Operation stellte der Angeklagte
fest, daß die
Kapsel mitsamt des Limbus ventralseitig vom Pfannenrand abgerissen war,
so
daß zur Behebung der vorderen Schulterinstabilität
erforderlich war, den abge-
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rissenen Limbus wieder am Pfannenrand anzuschrauben. Hierzu
mußte er Löcher
in das Schulterblatt bohren. Bei dem Bohrvorgang brach ihm der Bohrer ab
mit der Folge, daß ein ca. 2 cm langes Bohrerstück,
die Bohrerspitze, im Acromion
steckenblieb. Die Bohrerspitze beeinträchtigte das Gelenk
nicht und war
fast vollständig im Knochen versenkt. Der Angeklagte
ärgerte sich über den
Bohrerabbruch und versuchte, durch eine Stichinzision die abgebrochene
Bohrerspitze
zu bergen, was jedoch nicht gelang. Er beendete die
durchgeführte
Operation und beließ das abgebrochene Bohrerteil im
Körper des Patienten. Er
wies die mitoperierende Ärztin Dr. G. an, den Bohrerabbruch
nicht im Operationsprotokoll
zu erwähnen; diese hielt sich an die Weisung. Nach der
Operation
rief der Angeklagte den Vater des Patienten an und teilte ihm mit, die
Operation
sei gut gelungen und es sei nicht notwendig gewesen, die Pfanne mittels
eines Knochenspanes zu modellieren. Die abgebrochene Bohrerspitze
erwähnte
er bewußt nicht. Am Abend des Operationstages
überraschte der Angeklagte
den Patienten mit der Mitteilung, es sei besser, noch einmal zu
operieren.
Er habe bei der Operation festgestellt, daß auch eine hintere
Schulterinstabilität
bestehe, der man durch eine dorsale Kapselraffung begegnen
könne.
Wenn er ein hundertprozentiges Ergebnis wolle, sei eine zweite
Operation notwendig.
Den Bohrerabbruch erwähnte der Angeklagte dem Patienten
gegenüber
bewußt nicht. Der Patient war enttäuscht
darüber, daß noch eine zweite
Operation notwendig sei und bat um Bedenkzeit und besprach die
Angelegenheit
noch am selben Abend mit seinen Eltern. Am Folgetag fand eine
Besprechung
zwischen dem Angeklagten, dem Patienten und seinen Eltern statt. Der
Angeklagte wiederholte die Notwendigkeit einer zweiten Operation. Auch
bei
diesem Gespräch erfolgte bewußt kein Hinweis darauf,
daß bei der ersten Operation
ein Bohrer abgebrochen war. Der zweite Eingriff erfolgte vier Tage
später.
Der Angeklagte durchleuchtete die Schulter, um den abgebrochenen Bohrer
zu orten. Danach schnitt er die Schulter von oben auf und barg die
Bohrerspit-
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ze. Dann raffte er die obere Schulterkapsel, indem er eine Falte in die
Kapsel
legte und vernähte diese. In dem Operationsprotokoll wurde die
Bergung der
Bohrerspitze nicht erwähnt. Die Bohrerspitze fand auch keine
Erwähnung in
den später vom Angeklagten verfaßten
Operationsberichten. Der Patient und
seine Eltern erfuhren von dem abgebrochenen Bohrer erst im Jahre 2000
von
dritter Seite.
Nach den Feststellungen der sachverständig beratenen Kammer
hat der
zweite Eingriff in erster Linie der Bergung der Bohrerspitze gedient.
Der Angeklagte
wollte das abgebrochene Bohrerstück nicht im Körper
des Patienten belassen.
Er wollte nicht, daß der Patient von dem Abbruch des Bohrers
erfährt,
was zwangsläufig der Fall gewesen wäre, denn das
Metallteil wäre auf jedem
späteren Röntgenbild klar zu erkennen gewesen. Die
vom Angeklagten durchgeführte
obere Kapselraffung durch Anbringung von Raffnähten war im
Vergleich
zu einer lehrbuchmäßig durchgeführten
dorsalen Kapselraffung wenig
effektiv und diente in erster Linie der Rechtfertigung des
durchgeführten Eingriffs
gegenüber dem Patienten. Der Angeklagte spiegelte dem
Patienten wahrheitswidrig
vor, es bestünde eine Indikation für eine dorsale
Kapselraffung, um
so eine Operationseinwilligung zu bekommen, die er bei
wahrheitsgemäßer
Aufklärung über den tatsächlichen Grund
einer zweiten Operation, nämlich die
Bergung der Bohrerspitze, ausdrücklich nicht bekommen
hätte. Den Bohrerabbruch
und den wahren Grund für die zweite Operation verschwieg er
dem Patienten
bewußt, weil er die Komplikation nicht zugeben wollte.
b) Die Patientin B. hatte 1996 einen Autounfall und erlitt
dabei eine Beckenfraktur, die zu einer beckenschiefstandbedingten
Verkürzung
des linken Beines um 5 cm führte. Die Behandlung
führte noch der Vorgänger
des Angeklagten durch. Während eines weiteren Aufenthaltes in
der
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Universitätsklinik F. im September 1998 suchte die Patientin
den Angeklagten
auf, um die Problematik des Beinlängenunterschiedes zu
besprechen.
Dieser machte ihr den Vorschlag, die Verlängerung des linken
Beines bei einer
Operation zur Metallentfernung unter Verwendung eines Fixateur Externe
zu
versuchen. Dazu sollte der Oberschenkelknochen, der bei der Patientin
einen
innenliegenden Marknagel hatte, mit einem Meißel durchtrennt
und je zwei
Metallpins ober- und unterhalb dieser künstlich geschaffenen
Knochenbruchstelle
im 90° Winkel in diesen eingebracht werden, wobei die Pins
durch die
Weichteile des Oberschenkels nach außen dringen.
Außerhalb des Oberschenkels
an der Außenseite sollten die Pins durch eine
Führungsstange miteinander
verbunden werden. Neben einer Führungsstange sollte eine
Spindel montiert
werden, mit deren Hilfe das untere Pinpaar vom oberen Pinpaar wegbewegt
werden sollte. Bis der gewünschte Längenausgleich
erreicht wurde, sollte der
heilende Knochen seinem Pendant hinterher laufen. Der Angeklagte
erklärte
der Patientin die Operation und wies darauf hin, daß es keine
Garantie für das
Funktionieren des Systems gebe und daß die gesamte Prozedur
mit einem gewissen
Infektrisiko verbunden sei. Die vorgesehene Distraktion des Knochens
funktionierte allerdings nicht so, wie es sich der Angeklagte
vorgestellt hatte.
Alle vier Pins mußten ausgetauscht und jeweils neu an anderer
Stelle im Knochen
verankert werden. An mindestens einem Pin entstand am Ein- bzw.
Austrittsloch
eine Infektion. Es wurde mit einer Antibiose begonnen. Wegen des
Verdachts einer Harnweginfektion wurde bei der Patientin auch eine
Urinprobe
genommen, deren Ergebnis auf ein hohes Vorkommen von Keimen hinwies.
Als nach einem Austausch aller Pins feststand, daß das System
des Fixateur
Externe nicht funktionierte, entschloß sich der Angeklagte zu
einer einseitigen
Verlängerung des Knochens um 3 cm. Zur Komplettierung der
einseitigen
Verlängerung wäre es erforderlich gewesen, den
entstandenen Knochen-
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spalt mit aus dem Beckenkamm entnommenem Knochenmaterial (Spongiosa)
aufzufüllen und im Knochen zu stabilisieren. Bei diesem am 20.
Oktober 1998
durchgeführten Eingriff verschob der Angeklagte die
Einbringung des Knochenmaterials,
da ihm dies zu riskant erschien. Bei bestehendem Infekt hätte
die Gefahr bestanden, daß das Knochenmaterial sich infiziert
und sich die Infektion
explosionsartig ausbreitet mit der möglichen Folge einer
Entzündung
des Knochens selbst. Bei einem weiteren Eingriff am 29. Oktober 1998
brachte
der Angeklagte das Knochenmaterial ein, verplattete den Knochenspalt und
entfernte den Fixateur Externe. Intraoperativ entnahm der Angeklagte
zum ersten
Mal seit September 1998 einen Abstrich aus einem der
Pinlöcher. Das Abstrichmaterial
gab er in den normalen Geschäftsgang mit der Folge,
daß er erst
Anfang November das Untersuchungsergebnis hatte und aus dem sich ersehen
ließ, daß Keime "zahlreich" vorhanden waren. In der
Folge entwickelte sich ein
massiver Infekt, der dazu führte, daß sich ein
Abszeß bildete, der Anfang November
1998 aufbrach und sich aus einem Pinloch ca. ein halber Liter Eiter
entleerte. Die Patientin mußte sofort neu operiert werden.
Das Knochenmaterial
wurde entfernt, die Wunde gespült und ein Antibiotikum
eingelegt. Ein gleichzeitig
entnommener Abstrich ergab, daß sich die Zahl der
Staphylococcus aureus-
Keime auf "massenhaft" erhöht hatte. Die Patientin
mußte noch zweimal
operiert werden, das infektiöse Geschehen war jedoch nicht
mehr in den Griff
zu bekommen. Auch 1999 waren zahlreiche Operationen notwendig, und die
Patientin mußte bis in das Jahr 2000 Antibiotika nehmen. Die
Situation beruhigte
sich bis Dezember 2002, bis auch im Beckenkamm Keime festgestellt
wurden.
Das Landgericht hat es als Behandlungsfehler angesehen, daß
der Angeklagte
trotz der Hinweise auf eine Infektion ohne rechtzeitige und ihm
mögliche
Kontrollmaßnahmen das Knochenmaterial in das
infektiöse Geschehen
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hinein in den Oberschenkelknochen einbrachte. Ohne diese
Maßnahmen wäre
der weitere dramatische Infektverlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit
vermieden
worden.
c) Die Patientin Bi. hatte 1997 einen Autounfall erlitten, bei dem
sie sich eine Fehlstellung des Wadenbeins und komplizierte Verletzung
des
linken Sprunggelenkes zuzog. Wegen anhaltender starker Schmerzen war die
Patientin auch ein Jahr später noch in Behandlung. Ihr
behandelnder Arzt
schlug vor, zunächst eine geplante Kur anzutreten und
abzuwarten. Bei den
Schmerzen könne es sich um Weichteilschmerzen handeln; auch
müsse die
Möglichkeit einer Psychosomatik in Betracht gezogen werden.
Über die Möglichkeiten
einer sich entwickelnden Arthrose und über eine
mögliche Sprunggelenksversteifung
wurde ebenfalls gesprochen. Die Patientin gab sich mit der
Einschätzung ihres Arztes nicht zufrieden und wandte sich im
September 1998
an den Angeklagten, um bei ihm eine zweite Meinung einzuholen. Obwohl
die
Herkunft der Schmerzen nicht eindeutig geklärt war und die
Versteifung eines
Gelenkes ein schwerwiegender Eingriff ist, der grundsätzlich
nur bei schweren
Arthrosen oder bei Infektionen indiziert ist, erklärte der
Angeklagte der Patientin,
es gebe in ihrem Fall nur eine einzige Lösung,
nämlich die Versteifung des
oberen Sprunggelenkes (Arthrodese). Hierdurch werde sie schmerzfrei
werden
und sie könne wieder Sport treiben wie früher. Wegen
des Versprechens der
Schmerzfreiheit entschloß sich die Patientin, der Versteifung
des linken oberen
Sprunggelenkes zuzustimmen. Nach der am 1. Oktober 1998 vom Angeklagten
durchgeführten Operation wurde die Patientin jedoch nicht
schmerzfrei. Das
gesamte Befundbild verschlechterte sich kontinuierlich. Anfang Dezember
1998
entfernte der Angeklagte eine der Schrauben, mit der die
Gelenkversteifung
durchgeführt worden war, weil sie in das untere Sprunggelenk
hineinragte und
dort schmerzhafte Irritationen verursachte. Eine zweite Schraube wurde
Ende
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Januar 1999 entfernt. Im Mai 1999 erfolgte die Versteifung des unteren
linken
Sprunggelenkes, weil sich dort zwischenzeitlich eine durch die
Versteifung des
oberen Sprunggelenkes bedingte Anschlußarthrose gebildet
hatte. Diese Operation
führte nicht zum gewünschten Erfolg, als ein
knöcherner Durchbau des
Gelenkes ausblieb. Es kam in der Folge zu Schraubenlockerungen und zu
einem
Schraubenbruch. In einer weiteren Operation Anfang Februar 2000
mußte
eine erneute Versteifung des unteren Sprunggelenkes
durchgeführt werden.
Ein vorwerfbares Verhalten hat das Landgericht in folgendem gesehen:
Der Angeklagte offenbarte der Patientin nicht, daß bei ihr
angesichts der ungeklärten
Herkunft der Schmerzen nur eine sehr relative Indikation für
eine Gelenkversteifung
vorlag. Die knöchernen Veränderungen und der
Drehfehler im
Bereich des Wadenbeins rechtfertigten keine Gelenkversteifung. Er
erlangte die
Einwilligung der Patientin nur dadurch, daß er ihr
Schmerzfreiheit versprach. Er
glaubte zwar, daß er sie schmerzfrei machen könnte,
mußte aber wissen, daß
er ihr angesichts aller Umstände keine Schmerzfreiheit
versprechen konnte. Bei
ausreichender Aufklärung über die Risiken einer
Versteifung des Sprunggelenkes
hätte die Patientin ihre Einwilligung zur Arthrodese nicht
gegeben.
d) Der rumänische Polizeibeamte M. hatte im Jahre 1995 einen
Autounfall, bei dem er unter anderem einen Beckenbruch mit einer
Hüftpfannenfraktur
erlitten hatte. Ihm war ein künstliches Hüftgelenk
mit abstützendem
Beckenring eingesetzt worden. Im Jahre 1999 wurde das Becken instabil
und verschob sich. Dadurch entstanden ein Beckenhochstand und eine
Hüftpfannenarthrose
sowie ein Arthrosenspalt von ca. 4 bis 5 cm. Unter Vermittlung
von Bekannten kam der Patient nach F. und wurde einem Arzt in einem
anderen Krankenhaus vorgestellt. Dieser erkannte, daß die
Problematik komplex
war, er fühlte sich allein überfordert. Er nahm
Kontakt zum Angeklagten
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auf, den er im vorliegenden Fall für einen geeigneten
Spezialisten hielt. Beide
kamen überein, den Patienten gemeinsam zu operieren. Man war
sich einig,
daß die Hüftgelenksprothese ausgetauscht werden
müsse. Der Angeklagte
sagte dem Patienten, es sei eine schwierige Operation; er versuche
sowohl die
Hüfte als auch das Becken zu operieren, das Becken
müsse stabilisiert und die
Prothese ausgetauscht werden. Er werde versuchen, den
Beinlängenunterschied
so weit wie möglich auszugleichen. Der Patient vertraute dem
Angeklagten
voll und ganz und äußerte
sinngemäß, er solle es so machen, wie er es
für richtig halte.
Die Operation erfolgte am 24. September 1999 zwischen 9.00 und
15.30 Uhr. Über einen äußeren Zugang wurde
von außen ein Prothesenwechsel
vorgenommen, indem eine Platte, die das Becken stabilisieren sollte,
eingebracht
wurde. Um in diesem Bereich ordnungsgemäß arbeiten
zu können, müssen
die großen Gefäße, nämlich die
arteria iliaca externa und die vena iliaca
externa, mit einem Gummizügel bzw. einer Gummischlaufe
angeschlungen
werden, damit sie hoch- und vom eigentlichen Operationsgebiet weggezogen
werden können. Der Angeklagte schlang jedoch die genannten
Gefäße nicht
an, sondern beließ sie dort, wo sie natürlicherweise
liegen. Er arbeitete sich
tastend an der Beckenschaufel entlang, modellierte die stabilisierende
Platte
und schraubte sie am Knochen an. Die Platte kam hierbei über
der Vene und
der Arterie zu liegen. Dies führte dazu, daß die
Arterie zwischen der letzten und
vorletzten Schraube ein- und abgeklemmt wurde, was zu einem inneren
Gefäßabriß
und zu einem Abbruch der Blutversorgung im linken Bein führte.
Die Vene
wurde von der letzten Schraube mittig perforiert. Im Zusammenhang mit
den
Gefäßverletzungen kam es zu einer kleinen Blutung,
die der Angeklagte mittels
eines Bauchtuches stillte. Weder wurde der
Gefäßdefekt bemerkt noch wurde
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nach Beendigung der Operation das Bauchtuch aus dem Operationsbereich
entfernt.
Während der Nachtschicht auf der chirurgischen Intensivstation
bemerkte
das Personal, daß das linke Bein des Patienten kalt und
weiß war und
ein Fußpuls nicht tastbar war. Eine sofort
veranlaßte und durchgeführte Doppelsonographie
bestätigte die fehlende Durchblutung des Beines. Der Patient
wurde in der Nacht ab 3.50 Uhr von einem
Gefäßchirurgen operiert. Die beschriebenen
Gefäßverletzungen wurden festgestellt und die Vene
wurde unter
der Platte hervorgeholt und die durch die Schrauben verursachten
Löcher wurden
genäht. Die Arterie mußte mittels einer Prothese
rekonstruiert werden. Das
vergessene Bauchtuch wurde durch den Gefäßchirurgen
geborgen, ohne daß
daraus ein Schaden für den Patienten entstanden wäre.
Aufgrund der fehlerhaften Versorgung der Arterie und der Vene im
Operationsbereich
und der daraus unterbrochenen Durchblutung kam es nicht nur
über einen Zeitraum von zwölf Stunden zum teilweisen
Absterben des linken
Beines, sondern es entwickelte sich bis zum nächsten Tag eine
Thrombose.
Diese machte weitere Operationen notwendig. Nach zahlreichen weiteren
Komplikationen wurde im Juni 2002 die gesamte Hüftprothetik
entfernt, da sich
dort eine Fistel gebildet hatte. Der Patient lebt jetzt ohne jede
Prothese, das
linke Bein ist weitgehend nicht benutzbar. Eine mögliche
Amputation steht im
Raum.
3. Die Strafkammer hat angenommen, der Angeklagte habe sich im Fall
des Patienten E. einer (vorsätzlichen)
Körperverletzung schuldig gemacht.
Der Patient habe in eine "dorsale Kapselraffung" eingewilligt. Diese sei
zum einen nicht so durchgeführt und sei auch zum anderen nicht
indiziert ge-
13 -
wesen. In die Operation "Bergung der Bohrerspitze" habe der Patient
nicht eingewilligt
und habe auch nicht einwilligen können, weil der Angeklagte
dem Patienten
gegenüber den Abbruch der Bohrerspitze bewußt
verschwiegen habe. In
den drei anderen Fällen hat die Strafkammer nur
fahrlässiges Handeln des Angeklagten
angenommen. Im Fall der Patientin B. habe der
Angeklagte bei der Operation vom 29. Oktober 1998 von dem vorhandenen
Infekt wissen können und müssen. Unabhängig
davon, daß die Patientin über
das hohe Infektionsrisiko nicht aufgeklärt worden sei, das mit
der Einbringung
des Knochenmaterials verbunden sei, habe keine
Einwilligungsfähigkeit vorgelegen,
da die Maßnahme des Einbringens des Knochenmaterials bei dem
Infekt,
so wie er tatsächlich vorgelegen hatte, nicht mehr vertretbar
gewesen sei.
Im Fall der Patientin Bi. hat die Strafkammer angenommen, es habe
lediglich eine sehr relative Indikation für eine Versteifung
des oberen Sprunggelenkes
vorgelegen. Dies habe der Angeklagte der Patientin nicht offenbart
und das Einverständnis der Patientin nur dadurch erlangt,
daß er ihr Schmerzfreiheit
versprochen habe. Daß die Patientin ohne das Versprechen der
Schmerzfreiheit in die Operation nicht eingewilligt hätte, sei
dem Angeklagten
bewußt gewesen. Im Fall M. habe der Angeklagte bei dem
Eingriff
entgegen der ihm bekannten Operationstechnik sorgfaltswidrig die
arteria und
die vena iliaca externa nicht ordnungsgemäß
versorgt. Dies habe zur Folge gehabt,
daß die Arterie und die Vene zwischen Platte und Knochen
eingeklemmt
wurden.
- 14 -
B.
I. Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die Staatsanwaltschaft greift die Strafzumessung insgesamt an. Die
Strafkammer habe wesentliche strafzumessungsrelevante Gesichtspunkte
unerörtert
gelassen. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des
Tatrichters.
Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den
er in
der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des
Täters gewonnen
hat, die wesentlichen ent- und belastenden Umstände
festzustellen, sie zu bewerten
und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur
eingreifen,
wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen
rechtlich
anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die
verhängte Strafe
nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu
sein, so weit löst, daß sie nicht mehr innerhalb des
dem Tatrichter eingeräumten
Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist
ausgeschlossen
(BGHSt 34, 345, 349; 29, 319, 320, zuletzt BGH NStZ-RR 2003, 124,
st.Rspr.). In Zweifelsfällen muß das
Revisionsgericht die vom Tatrichter vorgenommene
Bewertung hinnehmen (BGHSt 29, 319, 320; BGHR StGB § 46
Abs. 1 Beurteilungsrahmen 1). Nach diesen revisionsrechtlichen
Maßstäben ist
die Strafzumessung nicht rechtsfehlerhaft.
2. Soweit beanstandet wird, die Strafkammer habe in den ihrer
Strafzumessung
vorangestellten Erwägungen die Presseberichterstattung
über den
Prozeß "erkennbar zugunsten" des Angeklagten gewertet, trifft
dies nicht zu.
Zwar wird ausgeführt, der Angeklagte und seine Familie
wären Anfeindungen
ausgesetzt gewesen, die dazu führten, daß die
Familie seit Ende 2001 in den
Vereinigten Staaten lebt. Die Strafkammer hat jedoch nicht die
Presseberichter-
15 -
stattung als solche zugunsten des Angeklagten gewertet, sondern
vielmehr den
Verlust des Arbeitsplatzes und der beruflichen Stellung dargestellt.
Allein darin
hat sie einen die Schuld mindernden Umstand gesehen. Dies steht im
Einklang
mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHR
StGB § 46
Abs. 1 Schuldausgleich 2 m.w. Nachw.). Dies ergibt sich schon daraus,
daß sie
die prozeßbegleitende Berichterstattung in den Medien als
"mitbedingt" dafür
gesehen hat, daß die berufliche Karriere des Angeklagten in
der Universitätsklinik
beendet und er in Folge des anhängigen Disziplinarverfahrens
seinen Beamtenstatus
verlieren dürfte (UA S. 4, 61). Deshalb kommt es auch nicht
darauf
an, ob die Bewertung der Berichterstattung durch die Strafkammer
zutreffend
ist, was der Senat ohnehin nicht überprüfen kann, da
insoweit eine Aufklärungsrüge,
die den Inhalt der Presseartikel wiedergibt, nicht erhoben ist.
3. Die Staatsanwaltschaft beanstandet weiter, die Strafkammer habe im
Fall des Patienten E. bei der Strafzumessung zum Nachteil des
Angeklagten
nicht ausreichend berücksichtigt, daß dieser der
mitoperierenden Ärztin
Dr. G. die Anweisung gegeben habe, den Bohrerabbruch nicht im
Operationsprotokoll
zu erwähnen. Auch später habe der Angeklagte in den
von ihm
verfaßten Operationsberichten den Abbruch nicht
erwähnt. Die Dokumentation
eines Operationsablaufes sei eine wesentliche Dienstpflicht des
verantwortlichen
Operateurs. Das Unterlassen dieser Dokumentation sei eine schwerwiegende
Dienstpflichtverletzung. Gleiches gelte für die Dokumentation
der späteren
Bergung der Bohrerspitze, die nach den getroffenen Feststellungen des
Landgerichts ebenfalls in den späteren Operationsberichten
keine Erwähnung
finde.
Dies ist allerdings, worauf die Staatsanwaltschaft zu Recht hinweist,
eine
schwerwiegende Pflichtverletzung. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusam-
16 -
menhang der Urteilsgründe, daß die Strafkammer
diesen bestimmenden Strafschärfungsgrund
gewürdigt hat. Sie hat bei den vorangestellten allgemeinen
Strafzumessungserwägungen ausgeführt, daß
sich gerade in diesem Fall eine
ungewisse Unfähigkeit des Angeklagten gezeigt habe, mit
Komplikationen
sachgerecht umzugehen und tatsächliche oder vermeintliche
"Fehler einzugestehen".
Die Strafkammer führt diese persönlichen Defizite des
Angeklagten auf
eine zu schnelle und steile Karriere und dem damit verbundenen
erheblichen
Profilierungsdruck zurück, dem der Angeklagte nicht gewachsen
sei (UA S. 60).
Die Kammer hat damit die selbstherrliche Vorgehensweise des Chefarztes
in
dem Operationsteam, die sich in der Verletzung der
Dokumentationspflichten,
der Beeinflussung des ihm unterstellten Klinikpersonals und der
Täuschung
seiner Patienten dokumentierte, durchaus gesehen, hat sie aber
letztlich anders
gewichtet, als von der Beschwerdeführerin gewünscht.
Ein beachtlicher Wertungsfehler
liegt damit nicht vor.
4. Ebenso unbegründet ist die Beanstandung, die Strafkammer
habe in
den Fällen Bi. und B. die vom Angeklagten zu verantwortende
Sorgfaltswidrigkeit gleichbehandelt, obwohl diese unterschiedlich und
nicht vergleichbar
sei. Im Fall Bi. hat das Landgericht das Ausmaß der
Sorgfaltswidrigkeit
für höher als im Fall B. erachtet (UA S. 62). Die
Strafkammer
hat den Umstand, daß die Patientin B. vom Angeklagten nicht
über das mit dem Einbringen des Knochenmaterials verbundene
erhöhte Infektionsrisiko
aufgeklärt wurde, nicht als einen bestimmenden
Strafzumessungsgesichtspunkt
im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO erachtet. Sie hat
insoweit
festgestellt, daß die Patientin mit der Operation
einverstanden gewesen wäre,
wenn der Angeklagte ihr gesagt hätte, das Risiko
"könne man in Kauf nehmen"
(UA S. 10). Wesentlich für die Strafzumessung war deshalb,
daß das Einbrin-
17 -
gen des Knochenmaterials nach den dem Angeklagten bekannten
Umständen
schon nicht einwilligungsfähig war (UA S. 57).
5. Soweit die Beschwerdeführerin im Fall M. die Annahme einer
bewußten
Fahrlässigkeit als strafschärfenden Gesichtspunkt
vermißt, kommt es
auf die ausdrückliche Einordnung einer Fahrlässigkeit
als "bewußt" für die
Strafzumessung nicht an. Entscheidend ist entsprechend § 46
Abs. 2 StGB,
daß das Gericht "das Maß der Pflichtwidrigkeit"
feststellt und die Intensität der
Pflichtwidrigkeit bei der Strafzumessungsbeurteilung nachvollziehbar
bewertet
hat. Die Strafkammer hat die erheblichen Folgen dieser Tat
berücksichtigt und
auch bewertet, daß bei Rechtzeitigkeit der anstehenden
"Revisionsoperation"
bleibende Schäden für den Patienten M. ausgeblieben
wären (UA S. 62).
6. Schließlich hält auch die Entscheidung, von der
Anordnung eines Berufsverbots
nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB abzusehen, rechtlicher
Überprüfung
stand. Die ins Ermessen des Gerichts gestellte
Sicherungsmaßregel "Berufsverbot"
soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der
Ausübung
eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend
zuverlässige Personen ausgehen
(vgl. Hanack in LK 11. Aufl. § 70 Rdn. 1, 18). Sie kann u. a.
gegen denjenigen
angeordnet werden, der wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde,
die er
unter Mißbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung
der damit verbundenen
Pflichten begangen hat, wenn eine Gesamtwürdigung des
Täters und
der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er
bei weiterer Ausübung dieses Berufs
vergleichbare Straftaten begehen werde. Entsprechend dem
Gefahrenabwehrzweck
des § 70 Abs. 1 StGB muß der Mißbrauch
oder die Pflichtverletzung in
einem inneren Zusammenhang mit der Berufsausübung oder deren
regelmäßiger
Gestaltung stehen und so symptomatisch die Unzuverlässigkeit
des Täters
in seinem Beruf erkennen lassen (vgl. zum Schutzzweck des § 70
StGB
- 18 -
BVerfG, Dritte Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 30. Oktober 2002
- 2 BvR 1837/00; Hanack aaO § 70 Rdn. 18; Stree in
Schönke/Schröder, StGB
26. Aufl., § 70 Rdn. 6 f.; Tröndle/Fischer, StGB 51.
Aufl. § 70 Rdn. 3).
Eine solche generelle Unzuverlässigkeit im Arztberuf hat die
Strafkammer
nicht festgestellt. Sie hat das Vorliegen der Voraussetzungen
für die Verhängung
eines Berufsverbots verneint, weil weder die einzelnen noch die
Gesamtheit
der festgestellten Behandlungs- und Aufklärungsfehler Hinweise
darauf
geben, daß der Angeklagte seinen Beruf bewußt und
planmäßig zur Begehung
von Körperverletzungsdelikten mißbraucht hat
(Lackner/Kühl, StGB
24. Aufl. § 70 Rdn. 3 m.w. Nachw.). Der Senat vermag auch im
übrigen keinen
Ermessensfehler in der von der Strafkammer angestellten
Gesamtwürdigung zu
erkennen. Der Gesetzgeber hat dem Tatrichter bewußt einen
weiten Ermessensspielraum
zur Verfügung gestellt, um unbillige Ergebnisse bei dieser
schwerwiegenden Rechtsfolge zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. V/4095, S. 38;
Sander in Sonderheft für Gerhard Schäfer, S. 57, 59).
Die Kammer ist unter
Würdigung des der Person und der Stellung des Angeklagten als
Chefarzt einer
Universitätsklinik und seiner Taten zu der -
revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt
überprüfbaren - Prognose gelangt, daß
dieser in Verbindung mit
seinem Arztberuf künftig keine vergleichbaren
Rechtsverletzungen mehr begehen
werde. Ob die berufliche Karriere des Angeklagten dabei
tatsächlich, wie
von der Strafkammer angenommen (UA S. 64), beendet ist oder etwa als
niedergelassener
Arzt fortgesetzt werden kann, kann letztlich dahinstehen. Die
Strafkammer ist jedenfalls davon überzeugt, daß das
durchgeführte Strafverfahren
mit der Verurteilung und allen seinen Begleiterscheinungen den
Angeklagten
deutlich beeindruckt und ihm die Folgen der eigenen
Überschätzung seiner
Fähigkeiten und Möglichkeiten drastisch vor Augen
geführt haben. Die Kammer
hat dabei auch die Schwere der von der Staatsanwaltschaft im
Zusammenhang
- 19 -
mit den beiden Eingriffen beim Patienten E. festgestellten
Pflichtverletzungen
innerhalb des Operationsteams gesehen. Sie hat deshalb die
verfahrensgegenständlichen
Behandlungs- und Aufklärungsfehler als situativ bedingte
Fehlleistungen
des ansonsten qualifizierten Angeklagten angesehen. Die dafür
maßgeblichen
Erwägungen, daß die festgestellte
Selbstüberschätzung in diagnostischer
Hinsicht und der Mangel an Selbstzweifeln auf eine zu schnelle und
steile
Karriere zurückzuführen sind und der Angeklagte in
seiner damaligen Situation
als jüngster C-4-Professor und Ärztlicher Direktor
unter erheblichem Profilierungsdruck
stand, dem er im Ergebnis nicht gewachsen war, sind nachvollziehbar
und lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen (UA S. 60, 64).
II. Revision des Angeklagten
1. Der Angeklagte greift mit der Aufklärungsrüge
gemäß § 244 Abs. 2
StPO im Fall des Patienten E. die tatrichterlichen Feststellungen zur
fehlenden
medizinischen Indikation für die Durchführung einer
Kapselraffung in der
zweiten Operation an und meint, der Sachverhalt über die
Indikation sei nicht
ausreichend aufgeklärt. Die Aufklärungsrüge
ist jedenfalls unbegründet. Die
sachverständig beratene Strafkammer ist auf der Grundlage des
erstatteten
medizinischen Gutachtens und nach verständiger
Würdigung des sonstigen
Beweisergebnisses, insbesondere aber aufgrund der bei den Operationen
beteiligten
Ärzte und Operationsschwestern, zu dem rechtsfehlerfreien
Schluß
gelangt, daß die vom Angeklagten vorgegebene Indikation
für den zweiten operativen
Eingriff wegen einer angeblichen Schulterinstabilität nicht
bestand, der
Eingriff vielmehr der Bergung der Bohrerspitze diente. Auf die
hypothetische
Effektivität der vom Angeklagten nur zum Schein
durchgeführten oberen Kapselraffung
kommt es daher nicht an.
- 20 -
2. Soweit der Beschwerdeführer die Verwertung der Aussagen der
Ärztin
Dr. Br. und der Operationsschwester D. durch das Landgericht
beanstandet,
hat er einen Rechtsfehler nicht aufgedeckt. Auf eine unterbliebene
Belehrung über ein mögliches
Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO
kann die Revision nicht gestützt werden, weil diese Vorschrift
- anders als etwa
§§ 52, 252 StPO - nicht dem Schutz des Angeklagten,
sondern ausschließlich
dem des Zeugen dient (Rechtskreistheorie, st. Rspr., vgl. BGHSt 1, 39,
40; 11,
213, 219; 38, 302, 304; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl.,
§ 55 Rdn. 17;
KK/Senge, StPO 5. Aufl., § 55 Rdn. 19; LR-Dahs, StPO 25.
Aufl., § 55 Rdn. 28
m.w. Nachw.).
3. Schließlich hat auch die Verfahrensrüge, das
Landgericht habe die
Zeugin Dr. Br. entgegen § 60 Nr. 2 StPO rechtsfehlerhaft
vereidigt, keinen
Erfolg. Feststellungen, die auf ein strafbares Verhalten der beim
zweiten
operativen Eingriff beim Patienten E. anwesenden Zeugin deuten, sind in
den
Urteilsgründen nicht enthalten. Der Senat kann im
übrigen mit Sicherheit ausschließen,
daß das Landgericht zu einer anderen Überzeugung
gelangt wäre,
wenn es die Zeugin nicht vereidigt hätte. Das Urteil stellt an
keiner Stelle auf die
Vereidigung der Zeugin, sondern allein auf deren schlüssigen
Angaben ab, die
von der unvereidigt gebliebenen Zeugin D. bestätigt wurden und
sich als ein
weiteres Indiz nahtlos in die Gesamtwürdigung des Landgerichts
einfügen.
4. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der vom Angeklagten
allgemein
erhobenen Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil
aufgezeigt.
Insbesondere ist im Fall des Patienten E. nicht zu beanstanden,
daß die
Strafkammer den Angeklagten in diesem Fall wegen vorsätzlicher
Körperverletzung
nach § 223 Abs. 1 StGB verurteilt hat. Die Kammer ist
zutreffend von dem
rechtlichen Ansatz ausgegangen, daß ärztliche
Heileingriffe nur durch eine von
- 21 -
Willensmängeln nicht beeinflußte Einwilligung des
Patienten gemäß § 228
StGB gerechtfertigt sind (BGHSt 16, 309 st. Rspr.). Sie hat
rechtsfehlerfrei festgestellt,
daß für die Operation zur Bergung der Bohrerspitze
keine Einwilligung
vorlag, weil der Angeklagte in den
Aufklärungsgesprächen dem Patienten und
seinen Eltern die Notwendigkeit der zweiten Operation zur Kapselraffung
der
Schulter vorgetäuscht und die abgebrochene Bohrerspitze
bewußt nicht erwähnt
hat. Aufgrund der eindeutigen Feststellungen, nach denen der Patient
E. zur Entfernung der abgebrochenen Bohrerspitze keine Einwilligung
gegeben
hätte, war für die Annahme kein Raum, die
Rechtswidrigkeit habe deshalb
entfallen können, weil der Eingriff de lege artis
durchgeführt und der Patient bei
wahrheitsgemäßer Aufklärung in die
durchgeführte Operation eingewilligt hätte
(vgl. BGH, Beschl. v. 15.10.2003 - 1 StR 300/03).
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