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BGH, Urteil vom 22. April 2005 - 2 StR 310/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 22.4.2005 - 2 StR 310/04
BGHR: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB §§ 211 Abs. 2, 168 Abs. 1
1. Das Mordmerkmal "zur Befriedigung des Geschlechtstriebs" liegt auch dann vor,
wenn der Täter diese Befriedigung erst bei der späteren Betrachtung der Bild-
Ton-Aufzeichnung (Video) vom Tötungsakt und dem Umgang mit der Leiche finden
will.
2. Rechtsgut des § 168 Abs. 1 StGB ist nicht nur der postmortale Persönlichkeitsschutz
des Toten, sondern auch das Pietätsgefühl der Allgemeinheit. Das Einverständnis
des Tatopfers in beschimpfenden Unfug an seiner Leiche ist deshalb
nicht geeignet, die Strafbarkeit entfallen zu lassen.
BGH, Urteil vom 22.04.2005 - 2 StR 310/04 - Landgericht Kassel
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 310/04
vom
22.04.2005
- 2 -
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
- 3 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
13.04.2005 in der Sitzung am 22.04.2005, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Bundesanwalt und
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
in der Verhandlung vom 13.04.2005
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 4 -
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Kassel vom 30. Januar 2004 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht
zuständige Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main
zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil
wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe
von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gleichzeitig hat es
die Einziehung des Computerterminals Siemens Scenic 600 und einer Videokamera
angeordnet.
- 5 -
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die
die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet und eine Verurteilung
wegen Mordes erstrebt. Sie wird nur hinsichtlich der Sachrüge vom Generalbundesanwalt
vertreten.
Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen
Rechts. Er erstrebt eine Verurteilung wegen Tötung auf Verlangen (§
216 StGB), hilfsweise die Bejahung eines minder schweren Falls des Totschlags
(§ 213 StGB).
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat auf die Sachrüge hin Erfolg.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entstanden in der Vorstellung
des Angeklagten kurz vor Einsetzen der Pubertät Phantasien, in denen er
sein Ziel, eine Person für immer bei sich zu haben und an sich zu binden, dadurch
zu realisieren suchte, daß er diese Person sich einverleibte. Zielobjekt
seiner Vorstellung war hierbei jeweils eine jüngere männliche Person. Angelehnt
an Hausschlachtungen, die der Angeklagte miterlebt hatte, malte er sich
aus, wie er als Schlachter eine Person durch Abstechen tötete und dann - was
er als besonderen Moment betrachtete - den Bauchraum aufschlitzte und das
Objekt nach seiner Vorstellung ausweidete, um es dann zu verspeisen. Mit Einsetzen
der Pubertät verband der Angeklagte mit diesen Phantasien einen Lustgewinn,
was zur Folge hatte, daß er diese Phantasien zur Erregung während
des Onanierens einsetzte und auch hierbei das Aufschlitzen und Ausweiden
des Bauchraums als Höhepunkt erlebte. In der Regel gelangte er in seiner
Phantasie nicht mehr bis zum Verzehren des Fleisches der geschlachteten
- 6 -
Person, da er vorher seinen sexuellen Höhepunkt erreichte. Ungefähr ab 1999
beschäftigte sich der Angeklagte über das Internet immer stärker mit dem
Thema Kannibalismus. Er stieß dabei auch auf eine Schlachtanleitung für den
menschlichen Körper. Schließlich begann er, über Internetforen Männer zum
Schlachten und Verspeisen zu suchen. In seinem Haus in W. richtete
der Angeklagte einen "Schlachtraum" ein. Nach mehreren nicht im Sinne des
Angeklagten zielführenden Internetkontakten stieß er Anfang Februar 2001 im
Internet auf das spätere Opfer B. . B. litt an einer
progredienten Form des sexuellen Masochismus (DSM-IV: 302.83; ICD 10: F
65.5). Er knüpfte die Vorstellung des höchsten Lustempfindens an eine Penisamputation.
Der dabei erwartete sexuelle Höhepunkt besetzte das Bewußtsein
des B. dermaßen, daß danach für ihn nichts mehr eine Rolle spielen sollte
und sein Tod dem erwarteten "ultimativen Hochgefühl" folgen konnte. Die
natürliche Einsichts- und Willensfähigkeit des B. war durch seine krankhafte
seelische Störung in Form des extremen sexuellen Masochismus dergestalt
eingeschränkt, daß er die Tragweite seines späteren Entschlusses, sich
töten und schlachten zu lassen, nicht vollends rational überblickte.
Zwischen dem Angeklagten und B. entwickelte sich ein reger
E-Mail-Verkehr. Darin schilderte B. seine sexuelle Präferenz der Penisamputation;
der Angeklagte erläuterte seine Vorstellungen. Beide zeigten Bereitschaft,
auf die jeweiligen Interessen des anderen einzugehen. Dem Angeklagten
war es nach seinen Angaben wichtig, sich eine sympathische Person
einzuverleiben und somit eine untrennbare Bindung herzustellen. Dies war für
ihn ebenso eine Bedingung für das Schlachten und Einverleiben, wie der Umstand,
daß sich der zu Schlachtende freiwillig zur Verfügung stellte. Am 9. März
2001 reiste B. mit dem Zug nach K. , wo ihn der Angeklagte abholte.
Man kam überein, das Vorhaben bereits an diesem Tage durchzuführen. Als-
7 -
bald nach dem Eintreffen im Haus des Angeklagten kam es im Schlachtraum zu
sexuellen Handlungen. Der Angeklagte biß B. hierbei an verschiedenen
Körperstellen, vor allem am Penis. Dabei ging er jedoch - da er selbst sein
Lustempfinden nicht an diese Handlungen knüpfte - zögerlich und gehemmt
vor. B. beschloß daraufhin, nach B. zurückzukehren, ohne sein Vorhaben
ausgeführt zu haben. Nach einem Überredungsversuch, der vergeblich
verlief, brachte der Angeklagte B. schließlich am Nachmittag des gleichen
Tages zum Bahnhof zurück. Dort besann sich B. aber doch eines
anderen. Mit Hilfe des Angeklagten sollte die Abtrennung seines Penis wenigstens
mit einem Messer realisiert werden. Beide kehrten zum Haus des Angeklagten
zurück und begaben sich in den Schlachtraum.
Gegen 18.30 Uhr sagte B. dann dem Angeklagten, daß dieser ihm
jetzt den Penis abschneiden möge, was beim zweiten Versuch auch gelang.
Der Angeklagte verband die Wunde des B. , um zu verhindern, daß dieser
aufgrund des Blutverlustes sofort ohnmächtig würde. Das ultimative Hochgefühl,
welches B. sich von der Penisamputation versprach, stellte sich
allerdings nicht ein. Dennoch blieb B. bei seinem Entschluß, daß dies
für ihn der finale Akt sein sollte und der Angeklagte ihn hernach spurlos beseitigen
könne. Er untersagte dem Angeklagten, einen Notarzt zu rufen. In den
folgenden Stunden bereitete B. sich auf das Sterben vor. Er erklärte
dem Angeklagten, daß er ihn Abstechen solle, sobald er bewußtlos geworden
sei. Die irreversible Bewußtlosigkeit trat bei B. gegen 4.00 Uhr morgens
ein. Der Angeklagte legte B. daraufhin auf die Schlachtbank und installierte
eine Videokamera so, daß sie das nun folgende Geschehen aufzeichnen
konnte. Er hatte dabei vor, die Filmaufnahmen zu bearbeiten, (jedenfalls Teile
daraus) an Kontaktpersonen im Internet zu versenden sowie gegebenenfalls
weitere potentielle Schlachtopfer mit der Vorführung des Videos zu locken.
- 8 -
B. lebte zu diesem Zeitpunkt noch. Der Angeklagte kommentierte dies mit
den Worten: "Dein Puls rast". Nach mehrfachem Zögern setzte er dem Opfer
zwei tödliche Halsstiche. Sexuell war er bei der Tötung nicht erregt. In der Folgezeit
zerlegte der Angeklagte die Leiche des B. entsprechend der
Schlachtanleitung aus dem Internet. Auch dies nahm er auf Video auf. Seine
einzelnen Handlungen kommentierte er dabei immer wieder, z. T. mit abfälligen
Bemerkungen über die Fleischkonsistenz.
Am 12. März 2001 nahm der Angeklagte zum ersten Mal Fleisch vom
Körper des B. in gebratener Form zu sich. Nach der Mahlzeit schaute er
sich den von ihm aufgezeichneten Videofilm mindestens einmal an und onanierte
dabei.
Auch in der Folgezeit suchte der Angeklagte immer wieder - wenn auch
vergeblich - weitere Opfer für ein Schlachten. Meist waren diese jedoch lediglich
an einem Rollenspiel interessiert. Auch wenn sie sich bereits in seinem
Schlachtraum befanden und zum Schlachten mit den Füßen nach oben aufgehängt
waren, ließ der Angeklagte sofort von weiterem Tun ab, wenn sie dies
wünschten. Aus dem Video gewonnene Fotografien übersandte der Angeklagte
zweifach an eine weitere Person per E-Mail.
Bei dem Angeklagten liegt - und lag zum Tatzeitpunkt - eine schwere
andere seelische Abartigkeit in Form einer Persönlichkeitsstörung mit schizoiden
Zügen vor, die verbunden ist mit einer sexuellen Einengung auf den Fetisch
Männerfleisch. Der Angeklagte war jedoch zum Tatzeitpunkt weder in seiner
Einsichtsfähigkeit noch in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.
- 9 -
2. Das Landgericht hat sowohl die Voraussetzungen für eine Tötung auf
Verlangen (§ 216 StGB) als auch das Vorliegen von Mordmerkmalen, insbesondere
der Mordmerkmale der "Mordlust", "zur Befriedigung des Geschlechtstriebes",
"niedrige Beweggründe" und "zur Ermöglichung einer anderen Straftat"
abgelehnt und den Angeklagten wegen Totschlags verurteilt. Die Voraussetzungen
der §§ 20, 21 StGB hat es verneint. Ebensowenig hat es einen minder
schweren Fall im Sinne des § 213 StGB angenommen.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt schon mit der Sachrüge zur
Aufhebung des Urteils, eines Eingehens auf die Verfahrensrügen bedarf es
daher nicht.
Die Verurteilung des Angeklagten (nur) wegen Totschlags begegnet
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die der Verneinung des Mordmerkmals "zur Befriedigung des Geschlechtstriebes"
zugrunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung
nicht stand. Hierauf beruht das Urteil, zumal Inhalt und Reichweite dieses
Mordmerkmals von der Strafkammer nicht zutreffend erfaßt worden sind.
a) Die Beweiswürdigung hinsichtlich des von der Strafkammer festgestellten
Zweckes der Videoaufzeichnung ist rechtsfehlerhaft, da ein Verstoß
gegen Denkgesetze vorliegt. Ein solcher ist u. a. dann gegeben, wenn etwas
vorausgesetzt wird, was es erst zu beweisen gilt (BGH, Beschl. vom 3. September
1992 - 1 StR 559/92; BGH, Urt. vom 29. Juli 1998 - 1 StR 152/98, insoweit
nicht abgedruckt in NStZ 1999, 42; BGH, Beschl. vom 23. Oktober 2001 -
1 StR 415/01, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2002, 161). Die Kammer führt
zwar aus, der Angeklagte habe selbst eingeräumt, sich das Video am 12. März
- 10 -
2001 angeschaut und hierbei onaniert zu haben (UA S. 164). Sie meint jedoch,
nicht die Überzeugung gewinnen zu können, daß der Angeklagte öfter als das
eingestandene eine Mal das Video zum Zweck der sexuellen Befriedigung betrachtet
habe, obwohl der Angeklagte um die mit den Schlachtphantasien verbundene
sexuelle Erregung wußte. Zur Begründung führt die Kammer sodann
aus, gegen eine Zweckbestimmung der Videoaufzeichnung zur Selbstbefriedigung
spreche, daß diese mit großem Aufwand gefertigte Aufzeichnung "nur zur
einmaligen Onanie gedient hätte, was nicht lebensnah nachvollziehbar erscheint,
wenn der vorrangige Zweck der Videoaufzeichnung die Selbstbefriedigung
gewesen sein sollte" (UA S. 165). Damit setzt das Landgericht aber etwas
als bewiesen voraus (nämlich einen einmaligen, gleichsam zufälligen und nicht
von Anfang an beabsichtigten Einsatz des Videos zu Zwecken der Selbstbefriedigung),
was erst noch Gegenstand der Beweiswürdigung sein soll.
Rechtsfehlerhaft, insbesondere lückenhaft, ist in diesem Zusammenhang
auch, daß die Kammer die entsprechende Einlassung des Angeklagten als
nicht zu widerlegen zugrunde gelegt hat (UA S. 165), obwohl die als Zeugen
vernommenen Vernehmungsbeamten ausgesagt haben, daß sich der Angeklagte
die Videoaufzeichnung nach ihrem Eindruck aus der Beschuldigtenvernehmung
öfter angesehen habe und die Kammer dies sogar für "naheliegend"
hält. Entlastende Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit
es keine (ausreichenden) Beweise gibt, darf der Richter nicht ohne
weiteres als unwiderlegt seinem Urteil zugrunde legen. Er muß sich vielmehr
aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine
Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden
(BGH NStZ 2000, 86; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 28). Eine solche Gesamtwürdigung
hat die Kammer nur lückenhaft vorgenommen. Die im Urteil
wiedergegebene Passage der Beschuldigtenvernehmung, wonach der Ange-
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klagte "die eigentliche Tötung" sich "höchstens zweimal" angesehen haben will
(UA S. 166), spricht eher dafür, daß der Angeklagte sich die übrigen Abschnitte
des Videos, namentlich das Öffnen des Bauchraums und den Zerlegungsvorgang,
öfter angeschaut hat.
In diesem Zusammenhang läßt das Urteil eine Auseinandersetzung mit
der Tatsache vermissen, daß der Angeklagte seit seiner Jugend auf kannibalistisch/
fetischistisch ausgerichtete Phantasien zur Stimulierung und Befriedigung
seines Geschlechtstriebes fixiert war. Ebenso wenig findet der Umstand,
daß die filmische Dokumentation der Tötung und Zerlegung des Tatopfers den
Angeklagten nahezu unbegrenzt in die Lage versetzte, das reale Erleben bei
Bedarf zu reproduzieren, erkennbar Berücksichtigung bei der Würdigung der
Indizien.
b) Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Kammer bei rechtsfehlerfreier
Würdigung der Beweise zu dem Ergebnis gekommen wäre, daß der Angeklagte
tötete, um sich später bei der Betrachtung des Videos sexuell zu befriedigen.
Dies würde aber zur Annahme des Mordmerkmals "zur Befriedigung
des Geschlechtstriebes" führen.
Dieses Mordmerkmal liegt vor, wenn der Täter das Töten als Mittel zur
Befriedigung des Geschlechtstriebes benutzen will. Ob die erstrebte sexuelle
Befriedigung erreicht wird, ist ohne Belang (BGH NStZ 1982, 464; vgl. auch:
BGH NStZ 2001, 598, 599; OGHSt 2, 337, 339). Eine Tötung mit dieser Zielrichtung
reicht zur Erfüllung des Mordmerkmals aus. Nach den bisher von der
Rechtsprechung entschiedenen Fallgestaltungen tötet zur Befriedigung des
Geschlechtstriebes, wer sich durch den Tötungsakt selbst sexuelle Befriedigung
verschaffen oder sich nach der Tötung in nekrophiler Weise an der Leiche
vergehen will (BGHSt 7, 353, 354; BGH Urt. vom 7. Oktober 1981 - 2 StR
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356/81; OGHSt 2, 337, 339). Ebenso ist dieses Mordmerkmal bejaht worden,
wenn der Tod des Opfers als Folge einer Vergewaltigung zumindest billigend
in Kauf genommen wird (BGHSt 19, 101, 105; BGH NStZ-RR 2004, 8; BGH
NStZ 1982, 464).
Will der Täter die Befriedigung des Geschlechtstriebes erst bei der späteren
Betrachtung des Videos vom Tötungsakt und dem Umgang mit der Leiche
finden, so erfüllt dieses Motiv das Mordmerkmal ebenfalls. Der Wortlaut
des Gesetzes enthält keine Begrenzung auf die bisher entschiedenen Fallgestaltungen.
Das Gesetz sieht vielmehr die Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebes
als besonders verwerflich an, weil der Täter das Leben eines
Menschen der Befriedigung seiner Geschlechtslust unterordnet (BGHSt 19,
101, 105). Das hätte der Angeklagte - gesetzt den Fall es läßt sich feststellen,
daß die Videoaufzeichnung als Stimulans zur Vornahme späterer sexueller
Handlungen dienen sollte - getan, weil die Tötung seines Opfers notwendig war
für die Aufzeichnung und spätere Wiedergabe des Schlachtvorgangs.
Unerheblich ist, daß die sexuelle Befriedigung vermittelt durch die Betrachtung
des Videos, womöglich erst erhebliche Zeit nach der Tat, erreicht
wird. Das Mordmerkmal ist erfüllt, wenn die im Gesetz enthaltene Zweck-Mittel-
Relation vorliegt. Es reicht aus, wenn der Täter die Tötung als Mittel zur Erlangung
seiner sexuellen Befriedigung ansieht. Ein darüber hinausgehender unmittelbarer
zeitlichräumlicher Zusammenhang zwischen der Tötung eines
Menschen und dem Zweck der Triebbefriedigung, wie er in der Literatur teilweise
gefordert wird (vgl. Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 7; Maurach/
Schroeder/Maiwald Strafrecht BT 1. Teilband 9. Aufl. S. 42), läßt sich aus
dem Gesetz nicht als Voraussetzung herleiten. Den von der Rechtsprechung
bisher entschiedenen Fallgestaltungen ist gemeinsam, daß der Getötete selbst
- 13 -
Bezugsobjekt der Sinneslust des Täters ist (Horn in SK-StGB [April 2000] § 211
Rdn. 11; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 7; Mitsch JuS 1996, 121, 123; Otto
Jura 1994, 141, 144) und daß seine Tötung zur Erreichung der sexuellen Befriedigung
notwendig ist. Solches trifft aber auch auf das dem Angeklagten angelastete
Tatgeschehen zu. Durch diese Definition ist dem verfassungsrechtlichen
Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) hinreichend Rechnung getragen.
c) In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der neue Tatrichter
zu prüfen haben wird, ob der Angeklagte seine sexuelle Befriedigung
nicht bereits bei dem Schlachtvorgang selbst erlangen wollte. Die seit seiner
Pubertät bestehenden sexuellen Phantasien des Angeklagten und seine fetischistische
Fixierung auf das Fleisch junger Männer legen dies nahe. Daß der
Angeklagte beim Tötungsakt oder dem nachfolgenden Schlachten womöglich
tatsächlich nicht sexuell erregt war (ihm dieser selbst sogar zuwider war), steht
dem nicht entgegen; denn das Mordmerkmal setzt ein Erreichen des Ziels der
geschlechtlichen Befriedigung nicht voraus. Eine Absicht zur Befriedigung des
Geschlechtstriebes ist ebenfalls nicht erforderlich, sondern es reicht, wenn der
Täter dies „gegebenenfalls“ will (BGHSt 19, 101, 105).
Angesichts der vom Angeklagten eingestandenen Phantasien bei der
Selbstbefriedigung sowie auch im Hinblick auf Äußerungen des Angeklagten im
Internet-Chat drängt sich zudem die Prüfung auf, ob der Angeklagte die durch
die Schlachtung gewonnenen Eindrücke (unabhängig von einer Videoaufzeichnung)
zur Erzeugung stimulierender Phantasien bei der
Selbstbefriedigung einsetzen wollte. Im Internet-Chat hatte der Angeklagte u.
a. geäußert, daß er zwar beim Schlachten selbst keine sexuellen
Manipulationen an sich vornehmen wolle, wohl aber bei dem Gedanken daran,
der ihn "aufgeile" und "stimuliere" (UA S. 84). Auch die festgestellte
- 14 -
liere" (UA S. 84). Auch die festgestellte Persönlichkeitsstruktur mit schizoiden
Zügen, die sich unter anderem in einer übermäßigen Vorliebe für Phantasie
ausdrückt, deutet darauf hin.
2. Gegebenenfalls wird der neue Tatrichter auch das Mordmerkmal der
niedrigen Beweggründe zu prüfen haben.
3. Das Landgericht hat auch das Mordmerkmal "zur Ermöglichung einer
anderen Straftat" nur unzureichend geprüft. Zum einen begegnet bereits die
Ablehnung dieses Mordmerkmals unter dem Gesichtspunkt der Ermöglichung
einer Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Zum anderen hat es das Landgericht versäumt, weitere Straftatbestände
als "andere Straftat" im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB in Betracht zu ziehen.
a) Nach § 168 StGB wird u. a. derjenige bestraft, der an dem Körper
oder an Teilen des Körpers eines verstorbenen Menschen "beschimpfenden
Unfug" verübt. Der Angeklagte hat sein Opfer getötet, um es nach dem Todeseintritt
zu schlachten. Das Schlachten stellt eine andere Straftat, nämlich eine
Störung der Totenruhe (§ 168 Abs. 1 2. Alt. StGB), dar. Der Angeklagte wollte
an dem Körper eines verstorbenen Menschen beschimpfenden Unfug verüben
und hat B. zu diesem Zwecke getötet.
In der Rechtsprechung und in der Literatur wird "Unfug" als "grobe Ungebühr"
(Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 9 S. 399) oder
als eine rohe Gesinnung zeigende, grob ungehörige Handlung definiert (RGSt
39, 155, 157; RGSt 42 145, 146; Hörnle in MünchKomm § 168 Rdn. 20). Daß
das Schlachten, d. h. Ausweiden und Zerlegen, eines getöteten Menschen vor
laufender Kamera, dessen körperliche Beschaffenheit dabei auch noch zumindest
zum Teil herabsetzend kommentiert wird, eine grob ungehörige, eine rohe
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Gesinnung zeigende bzw. eine grob ungebührliche Handlung darstellt, bedarf
keiner näheren Erläuterung.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes muß hinzukommen, daß die geschilderte
Behandlung "beschimpfend", also höhnend oder herabsetzend ist. Wann
dies der Fall ist, richtet sich danach, welches Rechtsgut durch die Vorschrift
geschützt wird. Zutreffend werden vornehmlich zwei Rechtsgüter als von § 168
Abs. 1 2. Alt. StGB geschützt angesehen: das Pietätsgefühl der Allgemeinheit
und der postmortale Persönlichkeitsschutz des Toten (KG Berlin NJW 1990,
782, 783; Czerner ZStW 115 [2003], 91, 97; Dippel in LK 11. Aufl. § 168
Rdn. 2; vgl. auch BGH NStZ 1981, 300). Daß die Vorschrift jedenfalls auch ein
Rechtsgut der Allgemeinheit schützt und nicht etwa nur ein Individualrechtsgut,
zeigt sich bereits an ihrer systematischen Verankerung im Kontext der dem
Schutz des öffentlichen Friedens dienenden Strafnormen. Anderenfalls wäre
§ 168 Abs. 1 2. Alt. StGB eher als eine Art "tätliches" Verunglimpfen des Andenkens
Verstorbener im Abschnitt über die Beleidigungsdelikte einzuordnen
gewesen (vgl. Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 168 Rdn. 2). Dies war nicht
gewollt, wie die Gesetzgebungsmaterialien, wonach das "religiöse Gefühl"
(Drucksachen des Norddeutschen Reichstages, 1. Legislaturperiode, Nr. 5,
S. 98), bzw. das Pietätsempfinden (E 1962, BT-Drucks. IV/650, Begr. zu § 191
S. 346) geschützt sein sollte, belegen.
Geht es um den postmortalen Achtungsanspruch, ist dementsprechend
ein beschimpfender Charakter gegeben, wenn der Täter dem Toten seine Verachtung
bezeigen will und sich des beschimpfenden Charakters seiner Handlung
bewußt ist (BGH NStZ 1981, 300; RGSt 39, 155, 157; RGSt 42, 145, 146;
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 9 S. 399, 400). Geht es
hingegen um das Pietätsgefühl der Allgemeinheit, so kommt es darauf an, ob
- 16 -
der Täter dem Menschsein seine Verachtung bezeigen bzw. die Menschenwürde
als Rechtsgut an sich mißachten will. Denn die Vorstellungen der Allgemeinheit
hinsichtlich des Umgangs mit Toten gründen letztlich in dem Bewußtsein
der jedem Menschen zukommenden und über den Tod hinauswirkenden
Würde (BVerfG NJW 2001, 2957, 2959; BVerfGE 30, 173, 196; vgl. Tröndle/
Fischer StGB 52. Aufl. § 168 Rdn. 2; Hörnle in MünchKomm § 168 Rdn. 2).
Die Würde des Menschen verbietet es, ihn einer Behandlung auszusetzen, die
seine Subjektsqualität prinzipiell in Frage stellt. Menschenwürde in diesem Sinne
ist nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde
des Menschen als Gattungswesen (BVerfGE 87, 209, 228). Im Bewußtsein
der Allgemeinheit stellt aber das Schlachten eines Menschen vor laufender
Kamera, womöglich gar, um Material für spätere sexuelle Handlungen zu gewinnen,
eine menschenunwürdige Behandlung dar, die die Würde des Menschen
als Gattungswesen mißachtet.
Ob der Angeklagte hier gegenüber dem Opfer seine Verachtung bezeigen
wollte, oder ob - wie die Kammer meint - das Einverständnis des Tatopfers
den beschimpfenden Charakter im Hinblick auf seinen postmortalen Achtungsanspruch
entfallen läßt, kann daher genauso dahinstehen, wie die Frage, ob
das Einverständnis des Getöteten überhaupt wirksam war (vgl. dazu BGHSt
49, 166 ff.) und ob der Angeklagte eine eventuelle Unwirksamkeit erkennen
konnte. Jedenfalls war das Einverständnis des Opfers nicht geeignet, die Tatbestandsmäßigkeit
auch hinsichtlich des geschützten Rechtsguts der Allgemeinheit
entfallen zu lassen, da das Opfer hierüber, was aber erforderlich gewesen
wäre (vgl. BGHSt 5, 66, 68; BGH NJW 1992, 250), nicht verfügen konnte.
- 17 -
Sind mehrere Rechtsgüter, die einen einwilligungsfähig, die anderen
nicht, durch eine Strafnorm geschützt, so könnte ein Einverständnis allenfalls
dann die Tatbestandsmäßigkeit bzw. eine Einwilligung allenfalls dann die
Rechtswidrigkeit entfallen lassen, wenn das nichteinwilligungsfähige Rechtsgut
so unbedeutend erscheint, daß es außer Betracht bleiben dürfte (BGHSt 5, 66,
68). Das ist hier aber hinsichtlich des Pietätsgefühls der Allgemeinheit, welches
im Hinblick auf die systematische Einordnung der Norm sogar eher als vorrangig
angesehen werden kann, nicht der Fall.
Die Strafkammer hat sich - auf der Grundlage ihrer unzutreffenden rechtlichen
Bewertung, daß das Einverständnis des Tatopfers die Verletzung seines
postmortalen Achtungsanspruchs hindere und damit dem Handeln des Angeklagten
insgesamt den beschimpfenden Charakter nehme - nicht damit auseinandergesetzt,
daß der beschimpfende Charakter seines Handelns jedenfalls
gegenüber dem weiteren Rechtsgut der Allgemeinheit unberührt bleibt und
sich der Angeklagte auch dessen bewußt war. Nach den Feststellungen sollten
das Video bzw. dessen Derivate auch anderen Personen zugänglich gemacht
werden (UA S. 167). Es liegt auch nahe, daß der Angeklagte bei der Tötung
wußte, daß er durch sein nachfolgendes Handeln das Pietätsgefühl der Allgemeinheit
verletzen würde. Er ging ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 210)
selbst davon aus, daß das Schlachten und Verzehren von Menschenfleisch
gegen ein gesellschaftliches Tabu verstößt. Danach war er sich der für den
Unrechtsvorwurf relevanten Umstände bewußt und hat sich über die von ihm
erkannten Grenzen bewußt hinweggesetzt. Seine für sich selbst möglicherweise
vorgenommene anderweitige Bewertung stellt demgegenüber nur einen unbeachtlichen
Subsumtionsirrtum dar.
- 18 -
Schon deshalb hat das Landgericht das Mordmerkmal der Tötung, um
eine andere Straftat zu ermöglichen, rechtsfehlerhaft verneint.
b) Das Landgericht hat weiter nicht geprüft, ob die Tötung des B.
nicht auch zur Ermöglichung einer nach § 131 StGB (Verherrlichende oder verharmlosende
Gewaltdarstellung) oder § 184 Abs. 3 StGB aF (§ 184 a StGB nF,
Verbreitung gewaltpornographischer Schriften) strafbaren Handlung diente. Die
in dem Handeln des Angeklagten zum Ausdruck gebrachte Mißachtung gegenüber
der Würde des Menschen als solcher und die geplante Verwendung des
Videos oder seiner Derivate zur Darbietung im Internet oder gegenüber anderen
Schlachtwilligen legen dies bezüglich § 131 StGB nahe. Die Erörterung des
Tatbestandes der Verbreitung gewaltpornographischer Schriften drängt sich im
Hinblick auf den im Urteil durchgehend zum Ausdruck gebrachten sexuellen
Bezug des Schlachtungsvorgangs auf.
Diese Prüfung wird der neue Tatrichter vorzunehmen haben.
III.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet i. S. v. § 349 Abs. 2
StPO. Einer Erörterung bedarf insoweit auf die Sachrüge hin allein der Tatbestand
des § 216 Abs. 1 StGB.
Die Kammer hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen für eine Tötung
auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) verneint, weil das Verlangen des Opfers für
den Angeklagten bereits nicht handlungsleitend war. Das wäre aber erforderlich
gewesen (Schneider in MünchKomm § 216 Rdn. 26; vgl. auch: Horn in SK
6. Aufl. § 216 Rdn. 5; Jähnke in LK 11. Aufl. § 216 Rdn. 8; Neumann in NK
[13. Lieferung] § 216 Rdn. 16; Maurach/Schroeder/Maiwald Strafrecht BT
1. Teilband 9. Aufl. S. 57; a.A. Arzt/Weber Strafrecht BT [2000] S. 88). "Bestim-
19 -
men" i. S. v. § 216 Abs. 1 StGB setzt mehr voraus, als die bloße Einwilligung
des Opfers. Es muß dadurch im Täter der Entschluß zur Tat hervorgerufen
werden. Die außerordentliche Strafmilderung des § 216 StGB ist nur dann zu
rechtfertigen, wenn das "Bestimmen" auch tatsächlich handlungsleitend war
(Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 8), ebenso wie sich umgekehrt die Strafschärfung
etwa des Mordes aus Habgier gegenüber dem Totschlag nur rechtfertigen
läßt, wenn das entsprechende, zum Mordmerkmal führende Motiv
handlungsleitend war (vgl. BGH NJW 1981, 932, 933). Im vorliegenden Fall
war es aber der Angeklagte, der aus eigenem Antrieb zur Tötung bereite Opfer
gesucht hat und B. ist lediglich darauf eingegangen, um das von ihm erstrebte
Ziel einer Penisamputation zu verwirklichen. Keineswegs ging es dem
B. darum, selbst getötet zu werden. Ihm kam es nur auf die Penisamputation
an. Aufgrund des hiervon erwarteten "ultimativen Hochgefühls" war für
ihn das darauf folgende Geschehen "irrelevant" und der Tod "konnte" folgen
(UA S. 22). Es war zudem der Angeklagte, der, als B. bereits wieder abreisen
wollte, einen (zunächst) vergeblichen Überredungsversuch zum Weitermachen
unternahm. Schon danach ist nicht davon auszugehen, daß ein für
den Angeklagten handlungsleitender Todeswunsch des B. vorlag. Es
handelte sich insoweit lediglich um ein Zugeständnis des Opfers an den Angeklagten,
dem es im übrigen allein auf das formale Einverständnis des Opfers
ankam (UA S. 25). Der Wunsch des B. nach Beginn des Tatgeschehens,
daß kein Notarzt herbeigerufen werden und der Angeklagte ihn abstechen sollte,
sobald er das Bewußtsein verloren hatte, kann nur als Ausführung der bereits
vorher zwischen Täter und Opfer getroffenen gegenseitigen Vereinbarung
verstanden werden, die beiden Beteiligten dazu dienen sollte, jeweils ausschließlich
die eigenen Interessen zu verwirklichen. Schon deshalb weist die
Verneinung der Voraussetzungen des § 216 StGB durch den Tatrichter keinen
- 20 -
Rechtsfehler auf. Darauf, ob der Angeklagte, von dessen voller Schuldfähigkeit
das Landgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen ist, ohnehin die Unwirksamkeit
der "Einwilligung" des Tatopfers in seine Tötung (UA S. 200) erkannt hat,
kommt es danach nicht an.
- 21 -
IV.
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO
Gebrauch gemacht und die Sache an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer
des Landgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.
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