BGH,
Urt. v. 22.8.2002 - 5 StR 72/02
5 StR 72/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. August 2002
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
wegen Brandstiftung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 22.
August 2002, an der teilgenommen haben: Richter Basdorf als
Vorsitzender, Richter Häger, Richter Dr. Raum, Richter Dr.
Brause, Richter Schaal als beisitzende Richter, Richterin am
Landgericht als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt W ,
Rechtsanwalt M als Verteidiger für den Angeklagten B ,
Rechtsanwalt Wi als Verteidiger für den Angeklagten D ,
Rechtsanwalt Wis , Rechtsanwalt H , Rechtsanwalt Wir als Verteidiger
für den Angeklagten S , Justizangestellte als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 1. Juni 2001 werden auf Kosten der Staatskasse, die auch
die notwendigen Auslagen der Angeklagten zu tragen hat, mit der
Maßgabe verworfen, daß hinsichtlich des Angeklagten
B die Strafausssetzung zur Bewährung entfällt.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten B wegen unerlaubten
Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in zwei Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Monaten mit Strafaussetzung zur
Bewährung verurteilt. Im übrigen hat es ihn sowie die
beiden Mitangeklagten D und S von weiteren Vorwürfen aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die
unbeschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft sind -
abgesehen von der zu korrigierenden Aussetzungsentscheidung -
unbegründet.
I.
Den Angeklagten wird die Begehung mehrerer Straftaten zur Last gelegt.
1. Der Angeklagte S , der als Geschäftsführer der I
(I ) ein Interesse daran gehabt habe, in Leipzig Messehallen an
Gewerbetreibende zu vermieten, namentlich auch an solche, die in
Leipzig Räume im A -M -C und im A -M gemietet hatten, soll die
Angeklagten B und D damit beauftragt haben, den Pkw des Betreibers des
A -M -C in Brand zu setzen und den A M niederzubrennen.
Auftragsgemäß sollen die Angeklagten B und D das
Fahrzeug angezündet und zerstört haben, ferner
zweimal den A -M angezündet haben, der beim ersten Mal
beschädigt, beim zweiten Mal vollständig
niedergebrannt sei.
Das Landgericht hat sich von einer Tatbeteiligung der Angeklagten nicht
zu überzeugen vermocht. Objektive Gesichtspunkte für
eine Täterschaft der Angeklagten hat der Tatrichter nicht
festgestellt. Die Anklage beruht in erster Linie auf Angaben eines
Zeugen vom Hörensagen zu Gesprächen mit dem
Angeklagten B . Vor dem Hintergrund, daß die Brände
ein viel diskutiertes Thema gewesen seien, hält das
Landgericht es für möglich, daß der
Angeklagte B mit seinen Äußerungen nur prahlen
wollte.
Hinsichtlich des Brandes des Pkw seien die vor dem Brand gemachten
Angaben des Angeklagten B sehr pauschal und ohne Nennung von
Einzelheiten gewesen, das Gespräch nach dem Brand habe in
wesentlichen Details unzutreffende Tatsachenangaben enthalten. Auch
hinsichtlich der Brände im A -M habe B vor dem Hintergrund
zahlloser Spekulationen divergierende Tatschilderungen abgegeben, die
mit dem objektiven Beweisergebnis nicht in Einklang gestanden
hätten.
2. Soweit dem Angeklagten B zur Last lag, eine funktionsfähige
Handgranate besessen und an den Angeklagten D weitergegeben zu haben,
hat das Landgericht keine sicheren Feststellungen dahin treffen
können, daß es sich um eine echte Handgranate und
nicht nur um eine Attrappe gehandelt hat, und deshalb insoweit
freigesprochen. Eine Verurteilung wegen eines versuchten Verbrechens
gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz hat es abgelehnt, weil nicht
nachzuweisen sei, daß der Angeklagte B von der Echtheit der
Handgranate ausgegangen sei.
3. Soweit B in weiteren als den beiden abgeurteilten Fällen
strafrechtlicher Umgang mit Betäubungsmitteln zur Last lag,
hat das Landgericht den Angeklagten mangels möglicher
konkreter Feststellungen freigesprochen.
4. Soweit B schließlich eine schwere räuberische
Erpressung zur Last lag, waren die allein belastenden früheren
Angaben des Geschädigten, der in der Hauptverhandlung nicht
vernommen werden konnte, widersprüchlich und reichten zur
Verurteilung nicht aus.
II.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die sich im wesentlichen gegen
die Freisprüche von den Brandstiftungsvorwürfen
wenden und vom Generalbundesanwalt weitgehend vertreten werden, bleiben
ohne Erfolg.
1. Die auf einen Verstoß gegen §§ 244 Abs.
2, 251 Abs. 2 StPO gestützte Rüge ist schon nicht in
zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO),
überdies auch unbegründet. Die
Beschwerdeführerin hat überflüssigerweise
der Begründung ihrer Verfahrensrügen seitenlange
Urteilsablichtungen beigefügt, obwohl die schriftlichen
Urteilsgründe dem Revisionsgericht aufgrund der allgemein
erhobenen Sachrüge zugänglich sind. Hingegen hat sie
es unterlassen, die verlesene Vernehmungsniederschrift des als
unerreichbar angesehenen Zeugen, deren vollständige Kenntnis
zur Beurteilung der Annahme seiner Unerreichbarkeit
unerläßlich war, vorzulegen. Abgesehen davon war die
Entscheidung des Landgerichts zur Verlesung der Niederschrift
über die polizeiliche Zeugenvernehmung offensichtlich
zutreffend.
2. Mit der weiteren als Verfahrensrüge bezeichneten
Beanstandung wird tatsächlich nicht anders als mit der
allgemeinen Sachrüge die Beweiswürdigung des
Landgerichts sachlich-rechtlich beanstandet. Indes hält die
sorgfältige Beweiswürdigung der Strafkammer
sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die
revisionsgerichtliche Prüfung ist auf das Vorliegen von
Rechtsfehlern beschränkt (§ 337 StPO). Deshalb hat es
das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, wenn das
Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner
Täterschaft nicht zu überwinden vermag.
Sachlich-rechtliche Fehler können indessen vorliegen, wenn die
Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder
lückenhaft ist. Insbesondere muß die
Beweiswürdigung erschöpfend sein: Der Tatrichter ist
gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen
für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten
auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu
beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über
schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht,
ist fehlerhaft. Schließlich dürfen die Anforderungen
an eine Verurteilung nicht überspannt werden. Dabei ist zu
beachten, daß eine absolute, das Gegenteil denknotwendig
ausschließende und von niemandem anzweifelbare
Gewißheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der
Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit
genügt, das vernünftige und nicht bloß auf
denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel
nicht zuläßt. Der Zweifelssatz darf
schließlich erst nach einer solchen erschöpfenden
Würdigung des gesamten Beweisergebnisses zur Anwendung kommen
(st. Rspr.; vgl. BGH StV 2001, 440; BGHR StPO § 261 Einlassung
5; Beweiswürdigung 16; BGH, Urt. vom 16. Mai 2002 - 1 StR
40/02, jeweils m. w. N.; siehe auch Kleinknecht/Meyer-Goßner,
StPO 45. Aufl. § 261 Rdn. 26).
b) Den danach an die Beweiswürdigung zu stellenden
Anforderungen ist das Landgericht gerecht geworden. Seine
Ausführungen begründen nach der Gesamtheit ihres
Inhalts auch nicht die Besorgnis, das Landgericht könne die
Anforderungen an seine Überzeugungsbildung überspannt
haben. Die Beweiswürdigung leidet schließlich nicht
unter einem durchgreifenden Erörterungsmangel.
Die Strafkammer hat unter Berücksichtigung der für
eine Täterschaft bzw. Teilnahme der Angeklagten sprechenden
Tatsachen vornehmlich die Gründe für ihre Zweifel
daran dargestellt. Sie hat sodann in einer Gesamtschau festgestellt,
daß zwar durchaus gewichtige Beweisanzeichen für die
Täterschaft bzw. Teilnahme der Angeklagten hinsichtlich des
Brandes am 4. November 1999 vorhanden sind. Die Indizienkette sei aber
nicht lückenlos und es blieben erhebliche Zweifel an der
Täterschaft der Angeklagten. Die Strafkammer konnte sich auch
bei Betrachtung aller Brandgeschehen und der sie betreffenden
Beweisanzeichen nicht von der Schuld der Angeklagten
überzeugen.
Die Strafkammer ist dabei auch den Angaben des Zeugen vom
Hörensagen, den sie für glaubwürdig gehalten
hat, zum Inhalt der mit dem Angeklagten B geführten
Gespräche im wesentlichen gefolgt. Sie hat sich nur nicht von
der Richtigkeit der Äußerungen des Angeklagten
überzeugen können. Soweit es im Urteil für
möglich gehalten wird, daß der Zeuge - nicht
näher konkretisierte - Details verwechselt und mit allgemeinen
Gerüchten und Spekulationen zusammengefügt habe, hat
das Landgericht lediglich plausible Gründe für die
Annahme der Unsicherheit von Angaben vom Hörensagen aufgezeigt
und nicht etwa den Zeugen widersprüchlich doch als
unglaubwürdig erachtet. Vielmehr wird die Überzeugung
der Strafkammer hervorgehoben, daß der Zeuge nicht
bewußt falsch ausgesagt habe.
Mit den durch die Vernehmung zweier Polizeibeamter in die
Hauptverhandlung eingeführten Angaben einer Vertrauensperson
brauchte sich das Landgericht nicht eingehender als geschehen
auseinanderzusetzen. Die teilweise offensichtlich haltlosen, teilweise
in der Hauptverhandlung nicht zu untermauernden Bekundungen der
Vertrauensperson beruhten auf vagen Grundlagen vom Hörensagen
in einer Zeit allgemeiner Spekulationen und Verdächtigungen.
Schließlich läßt sich der Inhalt der
Aussage, die der Angeklagte B vor dem Ermittlungsrichter gemacht hat
und die durch dessen Vernehmung in die Hauptverhandlung
eingeführt worden ist, dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe noch ausreichend entnehmen; auch hieraus
ließ sich danach ein Tatnachweis nicht führen.
Sämtliche anderen Freisprüche sind im Ergebnis vom
Tatrichter tragfähig begründet worden.
3. Das Urteil weist jedoch - was gemäß §
301 StPO zu prüfen war - zu Lasten des Angeklagten B einen
durchgreifenden Rechtsfehler auf. Die vom Landgericht ausgesprochene
Strafaussetzung zur Bewährung kann keinen Bestand haben, weil
der Angeklagte sich für längere Zeit in
Untersuchungshaft befunden hat, als er an Freiheitsstrafe zu
verbüßen hätte. Das Landgericht hat von der
Möglichkeit, gemäß § 51 Abs. 1
Satz 2 StGB Untersuchungshaft nicht anzurechnen, keinen Gebrauch
gemacht. Ist aber die Strafe - wie hier - infolge der Anrechnung
bereits voll verbüßt, scheidet eine Strafaussetzung
begrifflich aus (BGHSt 31, 25, 27 ff.; BGH wistra 2002, 260, 261). Mit
dem Wegfall der Strafaussetzung zur Bewährung sind etwaige
Bewährungsauflagen und Weisungen gegenstandslos.
Basdorf Häger Raum Brause Schaal
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