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BGH, Urteil vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 22.1.2004 - 4 StR 319/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 319/03
vom
22.01.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Januar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin S. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin von P. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft
und der Nebenklägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts
Dortmund vom 16. Dezember 2002 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die
dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen trägt die Staatskasse. Die Kosten der Revisionen
der Nebenklägerinnen und des Angeklagten fallen
dem jeweiligen Beschwerdeführer zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe
von zehn Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen
des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen,
mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die Staatsanwaltschaft
erstrebt mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel
- ebenso wie die Nebenklägerinnen, die überdies das Verfahren beanstanden
- eine Verurteilung wegen Mordes. Der Angeklagte wendet sich in erster
Linie dagegen, daß das Landgericht das Vorliegen einer verminderten
Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen hat.
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Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft wird vom Generalbundesanwalt
nicht vertreten.
Die Revisionen haben keinen Erfolg.
Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte lebte mit der damals 28jährigen Melanie S. , dem späteren
Tatopfer, und dem gemeinsamen Sohn in häuslicher Lebensgemeinschaft.
Da der Angeklagte im Übermaß Alkohol trank und in alkoholisiertem
Zustand gegenüber seiner Lebensgefährtin auch gewalttätig wurde, zog diese
Anfang Januar 2002 mit dem Sohn aus der gemeinsamen Wohnung aus. In der
Folgezeit bedrohte der Angeklagte, der sich mit der Trennung nicht abfinden
konnte und seither noch mehr dem Alkohol zusprach, Melanie S. mehrfach
mit dem Tode und griff sie überdies mehrere Male anläßlich zufälliger Zusammentreffen
tätlich an, weil sie seiner Aufforderung, zu ihm zurückzukehren,
nicht nachkam. Auch Dritten gegenüber äußerte er unter Alkoholeinfluß, er
werde Melanie S. umbringen. Am 17. Juli 2002 suchte Melanie S. den Angeklagten
in dessen Wohnung auf, um Fragen im Zusammenhang mit einem
Besuchstermin für den gemeinsamen Sohn zu klären. Sie hatte zuvor eine
Wohnungsnachbarin des Angeklagten gebeten, in seine Wohnung nachzukommen,
falls sie nicht zurückkehre. Melanie S. machte dem Angeklagten
Vorhaltungen wegen seines verwahrlosten Aussehens und kündigte an, er
werde seinen Sohn nicht mehr sehen, wenn er so weitermache. Als der Angeklagte
sie fragte, ob sie mit einem anderen Mann zusammen sei, antwortete
Melanie S. zunächst ausweichend. Beide gelangten danach vom Wohnzimmer
ins Schlafzimmer. Dort bejahte schließlich Melanie S. die vom Ange-
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klagten erneut gestellte Frage. Diese Antwort machte den Angeklagten wütend.
Er warf Melanie S. auf das Bett und setzte sich auf sie. Sie versuchte zunächst,
ihn wegzudrücken, was ihr jedoch nicht gelang. Der Angeklagte faßte
daraufhin
"aus Wut, Verzweiflung und endgültiger Verlustangst und Trauer um das
Scheitern der Beziehung" den Entschluß, Melanie S. zu töten. Er würgte sie
mindestens drei Minuten bis zum Eintritt des Todes. Im Zeitpunkt der Tat wies
er eine Blutalkoholkonzentration von 2 ‰ auf.
II.
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen
Das Urteil weist keine Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
a) Soweit die Nebenklägerinnen beanstanden, das Landgericht habe die
Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 1 StPO verletzt, greifen die Verfahrensrügen
aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen nicht durch.
b) Ohne Erfolg wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerinnen
in sachlich-rechtlicher Hinsicht dagegen, daß der Angeklagte nicht wegen
Mordes, sondern nur wegen Totschlags verurteilt worden ist.
aa) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist
das Schwurgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der Angeklagte
nicht die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers ausgenutzt, mithin nicht
heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hat.
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Nach der Rechtsprechung kommt es bei heimtückisch begangenem
Mord hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers auf den Beginn des
ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an (vgl. BGHSt 32, 382, 384).
Zwar kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter mit bereits gefaßtem
Tötungsvorsatz ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne
zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so
kurz ist, daß keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen
(BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15; BGH NStZ 1999, 506). Ausgehend
von diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof erwogen, Arglosigkeit des
Tatopfers auch dann anzunehmen, wenn - wie hier - der überraschende Angriff
zunächst nicht mit Tötungsvorsatz, sondern nur mit Verletzungsvorsatz geführt
wird, jedoch der ursprüngliche Verletzungswille derart schnell in Tötungsvorsatz
umschlägt, daß der Überraschungseffekt zu dem Zeitpunkt andauert, zu
dem der Täter zum auf Tötung gerichteten Angriff schreitet. Voraussetzung für
die Annahme von Arglosigkeit soll aber auch in einem solchen Fall sein, daß
dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen bleibt (BGHR
StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 16 und 27).
Es kann dahingestellt bleiben, ob hiernach Heimtücke schon deshalb
entfällt, weil es dem Tatopfer gelang, sich zunächst gegen den ersten noch
nicht mit Tötungsvorsatz geführten Angriff zur Wehr zu setzen.
Denn Melanie S. war nach den Feststellungen schon aufgrund des der
Tötung unmittelbar vorausgegangenen Wortwechsels mit dem Angeklagten
nicht mehr arglos. Zwar schließt ein bloßer der Tat vorausgegangener Wortwechsel,
eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Mißtrauen
Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tät-
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lichkeit entnommen hat. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit
auch bei einem vorausgegangenen Streit, daß das Opfer mit einem tätlichen
Angriff rechnet (vgl. BGHSt 33, 363; 39, 353, 368; BGHR StGB § 211
Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ 2003, 146).
Daß letzteres hier vorgelegen hat, ergibt sich sowohl aus der Vorgeschichte
der Auseinandersetzung als auch aus ihrem Verlauf selbst. Melanie
S. war bei ihrem Besuch beim Angeklagten bewußt, daß dieser nach wie vor
nicht bereit war, die Trennung zu akzeptieren, und auf ihre Weigerung, zu ihm
zurückzukehren, in der Vergangenheit mit massiven Tätlichkeiten reagiert und
sie bereits mehrfach mit dem Tode bedroht hatte. Zuletzt war es einen Monat
vor der Tat zu einem tätlichen Angriff durch den Angeklagten gekommen. Aus
Angst hatte sie ihm deshalb auch verheimlicht, daß sie zwischenzeitlich eine
neue Beziehung eingegangen war. Am Tattag suchte sie die Wohnung des
Angeklagten erst auf, nachdem sie - ersichtlich aus Sorge vor Tätlichkeiten des
Angeklagten - eine Nachbarin gebeten hatte, nachzukommen, falls sie nicht
zurückkehre. Diese Vorgeschichte darf bei der Beurteilung der Arglosigkeit und
der Kenntnis des Angeklagten hiervon nicht außer acht gelassen werden (vgl.
BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21). Hieraus ergibt sich jedoch, daß Melanie
S. am Tattag nicht nur einer Begegnung mit dem Angeklagten mit generellem
Mißtrauen begegnete, sondern jedenfalls spätestens ab dem Zeitpunkt,
als der Angeklagte das Gespräch auf das Eingehen einer neuen Partnerschaft
lenkte und sich erkennbar nicht mit ausweichenden Antworten abfinden wollte,
auch konkret mit einem schweren tätlichen Angriff rechnete. Daß sie die früheren
Todesdrohungen des Angeklagten nicht ernst nahm (UA 11) und sich deshalb
möglicherweise keines Angriffs auf ihr Leben versah, belegt ihre Arglosigkeit
im Tatzeitpunkt nicht. Vielmehr ist von einer Arglosigkeit eines Tatopfers
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schon dann nicht mehr auszugehen, wenn es, wie hier, einen schweren Angriff
auf seinen Körper befürchtet (BGHR aaO).
bb) Das Landgericht hat auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe
auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei verneint.
Es ist zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe Melanie S.
aus "Wut, Verzweiflung, endgültiger Verlustangst und Trauer um das Scheitern
der Beziehung" getötet. Es hat nicht feststellen können, daß eines dieser Motive
für die Tötung ausschlaggebend gewesen ist und hat deshalb die Motivation
des Angeklagten insgesamt nicht als auf niedrigster Stufe stehend angesehen.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung stand. Beim Vorliegen eines
Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen,
wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der
Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe
stehen und deshalb besonders verwerflich sind (BGHR StGB § 211 Abs. 2
niedrige Beweggründe 20, 25; BGH, Urteil vom 9.09.2003 - 5 StR
126/03).
Ein solcher Fall ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Landgericht
nicht verkannt, daß die Tötung der Melanie S. unmittelbar nach deren
"Geständnis" über das Eingehen einer neuen Partnerschaft erfolgte und bei der
Tötung auch Eifersucht und Wut des Angeklagten darüber, daß sie sich einem
anderen Mann zugewandt hatte, eine Rolle spielten (UA 21 und 23). Daß das
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Schwurgericht diese Motivation nicht als tatbeherrschend angesehen hat, begegnet
indes keinen rechtlichen Bedenken. Vielmehr ist anhand der Vorgeschichte
der Tat belegt, daß gleichbedeutend tatauslösend und tatbestimmend
auch Gefühle der Verzweiflung des Angeklagten über die Trennung, über seine
in der Folgezeit entstandene perspektivlose Lebenssituation und über das Erkennen,
daß sich seine Lebensgefährtin endgültig von ihm abgewandt hatte,
waren. Vor diesem Hintergrund hat das Schwurgericht rechtsfehlerfrei die für
den Angeklagten bestimmenden Motive in ihrer Gesamtheit nicht als niedrig im
Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gewertet (vgl. BGH NStZ 2004, 34).
2. Die Revision des Angeklagten
Auch die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
Die Erwägungen, mit denen das sachverständig beratene Schwurgericht
eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer affektiven
Bewußtseinsstörung beziehungsweise einer Persönlichkeitsstörung im
Sinne einer schweren anderen seelischen Abartigkeit abgelehnt hat, sind nicht
zu beanstanden.
Zwar ist das Landgericht davon ausgegangen, daß unter anderem wegen
der "Verlustangst" des Angeklagten eine "affektive Beeinflussung" bei der
Tatausführung vorgelegen habe. Eine affektive Erregung stellt jedoch bei vorsätzlichen
Tötungsdelikten, zumal, wenn wie hier, gefühlsmäßige Regungen
bei der Tat eine Rolle spielen, eher den Normalfall dar (vgl. Saß, Der Nervenarzt
1983, 557, 558). Ob die affektive Erregung einen solchen Grad erreicht
hat, daß sie zu einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung geführt hat, kann des-
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halb nur anhand von tat- und täterbezogenen Merkmalen beurteilt werden, die
als Indizien für und gegen die Annahme eines schuldrelevanten Affekts sprechen
können. Diese Indizien sind dabei im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu
beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 4, 7, 9 jew. m.w.N.; BGH StV
1993, 637). Diese Gesamtwürdigung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei vorgenommen.
Es hat darauf abgestellt, daß der Angeklagte das Tatgeschehen
"beherrscht" und "zweckmäßig" gehandelt habe. Dies wird durch die Feststellungen
insoweit belegt, als der Angeklagte selbst das Gespräch auf das - wie
er wußte - für ihn stark emotionsbelastete Thema einer neuen Partnerschaft
der Melanie S. lenkte, er mithin nicht unvorhergesehen in die tatauslösende
Situation gestellt wurde. Für eine erhaltene Introspektionsfähigkeit spricht zudem
die Reflektion seiner Tatmotivation (vgl. Saß aaO, 569), etwa seine Einlassung,
er sei wütend gewesen, nachdem Melanie S. die Aufnahme einer
Beziehung zum Zeugen M. eingeräumt habe. Das Landgericht hat ferner
zutreffend hervorgehoben, der Angeklagte habe eine detailreiche Erinnerung
an das Tatgeschehen. In seine Abwägung hat es die alkoholische Beeinflussung
des trinkgewohnten Angeklagten zur Tatzeit ebenso wie sein Nachtatverhalten
in nicht zu beanstandender Weise einbezogen. Es hat insbesondere
berücksichtigt, daß der Angeklagte im Anschluß an die Tat sowohl mit der Zeugin
Sch. als auch mit einem Polizeibeamten situationsangepaßte und -
orientierte Telefongespräche führte. Wenn das Schwurgericht diese in der Tatsituation
und im Nachtatverhalten liegenden Indizien zusammenfassend dahin
gewürdigt hat, daß ein rechtlich relevanter Ausnahmezustand des Angeklagten
zum Tatzeitpunkt nicht vorlag, so hält sich diese Wertung noch innerhalb des
dem Tatrichter insoweit eröffneten Beurteilungsspielraums.
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Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Tatvorgeschichte.
Nach den Feststellungen befaßte sich der Angeklagte bereits
seit der Trennung von Melanie S. mit dem Gedanken diese zu töten, falls sie
nicht zu ihm zurückkehrte. Diese Überlegungen werden nicht nur durch die
vielfachen, von ihm eingeräumten Todesdrohungen gegenüber dem Tatopfer
und entsprechenden Ankündigungen gegenüber dritten Personen belegt, sondern
auch durch die Vorfälle vom Februar 2002, als der Angeklagte Melanie
S. in einer der Tat vergleichbaren Situation erstmals heftig würgte und von
anderen Personen von einem weiteren Vergehen gegen seine ehemalige Lebensgefährtin
abgehalten werden mußte, sowie durch den Vorfall vom April
2002, als er Schrauben unter die Reifen ihres Fahrzeugs legte, möglicherweise
um einen Verkehrsunfall herbeizuführen. Derartige Ankündigungen der Tat und
vergleichbare aggressive Handlungen gegen das spätere Tatopfer im Vorfeld
sind jedoch ebenfalls deutliche Anzeichen dafür, daß der Angeklagte nicht infolge
einer Bewußtseinsstörung in ein gedanklich nicht vorbereitetes Tatgeschehen
geraten ist (vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 11 m.w.N.; Saß aaO, 567).
Die Urteilsfeststellungen ergeben auch keine Anhaltspunkte dafür, daß
das Persönlichkeitsgefüge des Angeklagten bei der Tatausführung infolge einer
schon längere Zeit vor der Tat bestehenden ambivalenten Täter-Opfer-
Beziehung mit chronischen Affektanspannungen schwer erschüttert war. Zwar
ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß bei einer solchen Situation auch ein
"Vorgestalten" der Tat in der Phantasie bis hin zu Ankündigungen und Vorbereitungshandlungen
der Tat mit einem tatauslösenden affektiven Durchbruch
vom Schweregrad des § 21 StGB vereinbar sein können (vgl. BGHR StGB § 21
Affekt 6 und 11 m.w.N.). Eine solche Konfliktentwicklung hat das Landgericht
indes nicht festgestellt. Die Beziehung zwischen dem Angeklagten und Melanie
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S. gestaltete sich seit der Trennung gerade nicht ambivalent; vielmehr unternahm
lediglich der Angeklagte einseitige Versuche, Melanie S. zu einer
Rückkehr zu bewegen, während diese an der Trennung festhielt. Auch die
Stimmungsschwankungen des Angeklagten, seine zunehmende Verwahrlosung
und die damit einhergehende Vernachlässigung sozialer Belange waren nach
den Urteilsfeststellungen nicht Folgen einer Konfliktentwicklung im Rahmen
einer ambivalenten Täter-Opfer-Beziehung, sondern standen, worauf der Generalbundesanwalt
zu Recht hinweist, in untrennbarem Zusammenhang mit
dem übermäßigen Alkoholkonsum des Angeklagten, den er nach der Trennung
noch weiter gesteigert hatte. Angesichts dieser Umstände ist gegen die Annahme
des Landgerichts, beim Angeklagten habe zur Tatzeit weder eine
schuldmindernde affektive Bewußtseinsstörung noch eine schwere andere
seelische Abartigkeit aufgrund einer schweren Persönlichkeitsstörung vorgelegen,
aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
III.
Eine gegenseitige Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten
und der Nebenklägerinnen findet nicht statt, weil beide Revisionen erfolglos
sind (vgl. BGHR StPO § 473 Abs. 1 Satz 3 Auslagenerstattung 1).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible



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