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BGH, Urteil vom 23. März 2000 - 4 StR 19/00


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 23.3.2000 - 4 StR 19/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 19/00
vom
23. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. März
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Meyer-Goßner,
die Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Solin-Stojanovic,
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil
des Landgerichts Dortmund vom 14. September
1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 22 Fällen und
wegen versuchten Betruges, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die
dagegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung
sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte in einem Steuerberatungsbüro
als Konkurssachbearbeiter in der Abteilung ”Konkursabwicklung”
tätig. Ab Mitte 1996 übernahm er auch selbständig die Buchführung für den
von ihm bearbeiteten Bereich. In dem Büro allein zeichnungsberechtigt war
der Steuerberater Ernst L. . Bei längerer Abwesenheit, etwa wegen Urlaubs,
hinterließ L. blanko unterschriebene Überweisungsträger, die von
seinen Mitarbeitern bei Bedarf zur Begleichung von Forderungen der Kon-
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kursgläubiger oder für andere notwendige Zahlungen verwendet werden sollten.
Bis Mitte 1996 wurden die Überweisungsträger von einer für die Kasse
und Buchführung zuständigen Mitarbeiterin verwahrt, danach erhielt der Angeklagte
selbst blanko unterschriebene Überweisungsträger ausgehändigt.
Anfang 1995 faßte der Angeklagte den Entschluß, aus den von ihm verwalteten
Konkursmassen Geldbeträge für sich zu entnehmen. Hierzu ließ er sich
anfangs von der Mitarbeiterin Blankoüberweisungsträger zur Begleichung angeblicher
Konkursforderungen aushändigen; später entnahm er diese aus
dem ihm selbst überlassenen Bestand.
Von den Überweisungsträgern trennte er die Durchschrift ab und trug
in das blanko unterschriebene Original als Empfänger seinen Namen - zumeist
abgekürzt oder mit Änderungen - ein; als Empfängerkonto gab er ein
eigenes Privatkonto an. Als zu belastendes Konto setzte er eines der fünf
verschiedenen von ihm verwalteten Konkursanderkonten ein. In die Durchschrift
trug er als Empfänger einen Gläubiger der Konkursmasse ein; die
Durchschrift reichte er entweder an die Buchhaltung weiter oder nahm sie
selbst zu den Unterlagen der betroffenen Konkursmasse. Das Original wurde
sodann der Bank, bei der die Konkursanderkonten geführt wurden, vorgelegt.
Insgesamt stellte der Angeklagte auf diese Weise bis Dezember 1997
23 Überweisungsträger aus; 22 Überweisungen über einen Gesamtbetrag von
936.725,66 DM wurden von der angewiesenen Bank ausgeführt und dem
Konto des Angeklagten gutgeschrieben.
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten rechtlich jeweils
als Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug bzw. in dem Fall, in welchem
die Überweisung nicht mehr zur Ausführung gelangte, mit versuchtem Betrug,
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gewertet. Den Betrug sieht es ersichtlich in einer täuschungsbedingten Irrtumserregung
bei den mit der Ausführung der Überweisungen betrauten Mitarbeitern
der Bank. Dies wird zwar bei der rechtlichen Würdigung des festgestellten
Sachverhalts nicht näher ausgeführt, ergibt sich aber aus der Feststellung,
daß ”diese [die Bankbediensteten] aufgrund der Manipulation des
Angeklagten davon ausgingen, dass die Überweisungen von dem Zeugen
L. selbst ausgestellt worden waren” (UA 9).
Diese pauschale Darstellung genügt jedoch - wie die Revision zu
Recht rügt - nicht den Anforderungen, die an die Feststellung des für § 263
StGB erforderlichen Irrtums zu stellen sind. Das Vorliegen eines Irrtums ist
Tatfrage (Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 263 Rdn. 19). Der Tatrichter muß
sich daher unter Ausschöpfung aller Beweismittel die Überzeugung davon
verschaffen, daß bei dem Verfügenden ein Irrtum erregt oder unterhalten
worden ist (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9 = StV 1994, 82). Dabei kann
freilich auch aus Indizien auf einen für die Vermögensverfügung kausalen
Irrtum geschlossen werden. In diesem Zusammenhang kann etwa von Bedeutung
sein, ob der Verfügende ein eigenes Interesse daran hatte oder im
Interesse eines Dritten verpflichtet war, sich von der Richtigkeit der Behauptung
des Täters zu überzeugen (BGH a.a.O.; vgl. auch BGH NStZ 1997, 281).
Hier ist nach den Feststellungen bereits unklar, im Hinblick auf welche
konkreten Umstände die Bankbediensteten täuschungsbedingt einer Fehlvorstellung
erlegen sein sollen. Die Urteilsgründe lassen auch nicht erkennen,
aufgrund welcher Tatsachen sich das Landgericht hiervon die notwendige
Überzeugung verschafft hat. Eine Vernehmung der Bankbediensteten ist offensichtlich
nicht erfolgt. Nach den Gesamtumständen liegt die Annahme ei-
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nes Irrtums zudem aber auch eher fern: Bei Vorlage einer Überweisung wird
den zuständigen Bankmitarbeiter - entsprechend der ihm obliegenden
Pflichten - im allgemeinen nur interessieren, ob die Überweisung formal in
Ordnung ist (Angabe der Kontonummern, Vollständigkeit der übrigen im Formular
angeführten Angaben, Unterschrift des Berechtigten) und ob das belastete
Konto genügend Deckung aufweist. Dies war hier jeweils der Fall. Darüber,
ob die Überweisung auch sachlich berechtigt ist, wird er sich in aller
Regel keine Vorstellung machen, erst recht auch nicht darüber, ob der Anweisende
das Formular nicht nur unterschrieben, sondern insgesamt selbst ausgefüllt
hat. Dafür, daß es sich hier ausnahmsweise anders verhielt, hätte es
daher näherer Feststellungen bedurft.
Die Verurteilung wegen Betruges bzw. Versuchs hierzu kann somit keinen
Bestand haben. Dies zwingt auch zur Aufhebung der für sich genommen
rechtlich nicht zu beanstandenden (vgl. zur ”Blankettfälschung” Tröndle in LK
StGB 10. Aufl. § 267 Rdn. 137 ff) Verurteilung wegen mindestens 23 tateinheitlich
begangener Vergehen der Urkundenfälschung (vgl. Kuckein in KK
StPO 4. Aufl. § 353 Rdn. 12 m.w.N.).
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Das Verhalten des Angeklagten könnte - was das Landgericht nicht
erkennbar geprüft hat - auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen
aber den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) erfüllen. Zwar bestand unmittelbar
zwischen dem Angeklagten und den betroffenen Gemeinschuldnern
bzw. Konkursgläubigern keine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne dieser
Vorschrift; eine solche war allein für den Steuerberater L. als Konkursver-
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walter gegeben (vgl. BGHSt 15, 342 sowie Schünemann in LK StGB 11. Aufl.
§ 266 Rdnr. 128 m.w.N.). Die in § 266 StGB vorausgesetzte Pflicht, die Vermögensinteressen
eines anderen wahrzunehmen, kann indes auch durch ein
Rechtsgeschäft zwischen dem Verpflichteten und einem Dritten begründet
werden (vgl. BGHSt 2, 324; BGH NJW 1983, 1807; Lenckner in Schönke/
Schröder StGB 25. Aufl. § 266 Rdnr. 32; Schünemann a.a.O. § 266 Rdnr.
66 und 67). So liegt es hier: Der Angeklagte war kraft des mit L. bestehenden
Arbeitsverhältnisses spätestens ab dem Zeitpunkt mit der Wahrnehmung
der Vermögensinteressen der von ihm betreuten Konkursmassen betraut,
zu dem er selbst Blankoüberweisungsträger ausgehändigt bekam und
befugt war, von diesen selbständig zu Lasten der eingerichteten Konkursanderkonten
Gebrauch zu machen. Ob der Angeklagte auch schon vor diesem
Zeitpunkt im Büro des Konkursverwalters mit einem für die Begründung
eines Vermögensbetreuungsverhältnisses ausreichenden Aufgabenbereich
betraut war (vgl. hierzu auch BGHSt 13, 330, 332/333), kann den Urteilsgründen
nicht entnommen werden und bedarf daher weiterer tatrichterlicher Aufklärung.
b) Daneben kommt - tateinheitlich - auch eine Strafbarkeit des Angeklagten
wegen Untreue zum Nachteil des Steuerberaters L. in Betracht,
wenn - wozu das Urteil sich nicht verhält - L. durch die Manipulationen
des Angeklagten ein Vermögensnachteil entstanden ist. Hierfür würde bereits
eine konkrete Vermögensgefährdung genügen, etwa die drohende Gefahr einer
erfolgreichen Inanspruchnahme auf Schadensersatz
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durch die betroffenen Konkursmassen oder durch geschädigte Konkursgläubiger
(vgl. hierzu Lenckner a.a.O. § 266 Rdnr. 45).
Meyer-Goßner Maatz Athing
Solin-Stojanovic Ernemann



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