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BGH, Urteil vom 25. April 2001 - 2 StR 374/00


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 25.4.2001 - 2 StR 374/00
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________
AMG §§ 96 Nr. 5, 21 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 3 Nr. 1
LMBG § 1 Abs. 1
1. Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die Abgrenzung von
Arznei- und Lebensmitteln finden auch auf Vitaminpräparate Anwendung.
2. Maßgebend für die Abgrenzung ist die überwiegende objektive Zweckbestimmung,
wie sie sich nach der Verkehrsauffassung für einen Durchschnittsverbraucher
darstellt.
3. Diese ist im Rahmen einer Gesamtabwägung zu ermitteln und orientiert sich
nicht allein an dem Überschreiten der empfohlenen Tagesdosis um mehr als
das Dreifache.
BGH, Urt. vom 25. April 2001 - 2 StR 374/00 - LG Bad Kreuznach
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 374/00
vom
25. April 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Inverkehrbringens von nicht zugelassenen Fertigarzneimitteln u.a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. April
2001, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger
des Angeklagten J. S. ,
Rechtsanwältin als Verteidigerin
der Angeklagten C. S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft
wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 7. April
2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Inverkehrbringens
von Fertigarzneimitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Inverkehrbringen
von Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs mit nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 DiätVO
unzulässiger Bezeichnung, Angabe und Aufmachung, mit unerlaubtem Inverkehrbringen
von Lebensmitteln, bei deren Herstellung nicht zugelassene Zusatzstoffe
verwendet wurden, und mit unerlaubtem Inverkehrbringen von Lebensmitteln
unter einer nach § 17 Abs. 1 Nr. 5 c LMBG irreführenden Bezeichnung,
Angabe und Aufmachung jeweils zu zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen
- den Angeklagten J. S. zu acht Monaten und die Angeklagte
C. S. zu vier Monaten - verurteilt und sie im übrigen freigesprochen.
Mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten
Revisionen wenden sich die Angeklagten gegen ihre Verurteilungen.
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwalt-
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schaft, die vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertreten wird, beanstandet
mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde sowohl die Teilfreisprüche,
als auch die gegen die Angeklagten ergangenen Schuld- und Rechtsfolgenaussprüche.
Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge im vollen Umfange Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen stellt die in Großbritannien ansässige Firma
L. Produkte zur Nahrungsergänzung, darunter Vitaminund
Mineralstoffpräparate her, die in Großbritannien und einigen anderen Ländern
rechtmäßig als freiverkäufliche Lebensmittel im Handel sind. In der zweiten
Jahreshälfte 1993 kamen die Angeklagten überein, diese Produkte auf dem
deutschen Markt anzubieten. Nachdem sie mit den Verantwortlichen von L.
im Dezember 1993 eine Vereinbarung über den Alleinvertrieb
in der Bundesrepublik Deutschland geschlossen hatten, nahmen sie
die Vertriebstätigkeit auf. Das als Gesellschaft mit beschränkter Haftung zunächst
von der V. GmbH und später von der Vi.
betriebene Import- und Vertriebsgeschäft mit Sitz in W. wurde von
beiden Angeklagten geführt. Die Entgegennahme der Kundenbestellungen
oblag mehreren Angestellten, die auch die Waren verpackten und versandten
sowie die Rechnungen erstellten. Im Zeitraum vom 11. April 1994 bis Ende
Oktober 1996 erfolgten insgesamt 448 Verkäufe mit einem Warenwert von jeweils
mehr als 600 DM.
22 der von den Angeklagten vertriebenen Erzeugnisse hat das Landgericht
nach deutschem Recht als zulassungspflichtige Fertigarzneimittel einge-
5 -
ordnet, für welche eine arzneimittelrechtliche Zulassung nicht vorlag. Die übrigen
25 Produkte hat es als Lebensmittel angesehen, die wegen der Beimengung
nicht zugelassener Zusatzstoffe oder aufgrund einer irreführenden,
fälschlicherweise den Anschein eines Arzneimittels oder eines diätetischen
Lebensmittels erweckenden Aufmachung in Deutschland nicht verkehrsfähig
waren.
II.
Revisionen der Angeklagten
Die Verurteilung wegen Inverkehrbringens von nicht zugelassenen Fertigarzneimitteln
nach § 96 Nr. 5 AMG hat keinen Bestand, weil die vom Landgericht
vorgenommene Einordnung der Präparate als Fertigarzneimittel einer
rechtlichen Überprüfung nicht standhält. Das Landgericht hat eine nach der
Verkehrsauffassung bestehende überwiegend arzneiliche Zweckbestimmung
der Präparate nicht hinreichend dargelegt. Das Urteil läßt insbesondere eine
Gesamtabwägung der die Verbrauchererwartung jeweils prägenden Umstände
vermissen.
1. Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 1 AMG u.a. Stoffe und Zubereitungen
von Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper
Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu
heilen, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG), vom menschlichen
Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen (§ 2
Abs. 1 Nr. 3 AMG) oder die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen
des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG).
Diese weitreichende Begriffsbestimmung wird durch eine Negativabgrenzung in
- 6 -
§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG dahingehend eingeschränkt, daß Lebensmittel im Sinne
des § 1 LMBG keine Arzneimittel sind.
Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 LMBG definiert ihrerseits Lebensmittel als
Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem
Zustand von Menschen verzehrt zu werden. Ausgenommen sind solche
Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung
oder zum Genuß verzehrt zu werden. Der Begriff der Ernährung umfaßt
die Zufuhr von Nährstoffen zur Deckung der energetischen und stofflichen
Bedürfnisse des menschlichen Organismus, wobei zu den Nährstoffen u.a.
Vitamine und Mineralstoffe gehören (Zipfel/Rathke Lebensmittelrecht LMBG §
1 Rdn. 39).
Aus den ineinandergreifenden Vorschriften des § 2 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1
AMG und § 1 Abs. 1 LMBG folgt zum einen, daß ein Erzeugnis nicht gleichzeitig
Arznei- und Lebensmittel sein kann. Die Qualifizierung als Arznei- oder Lebensmittel
schließt sich vielmehr begrifflich gegenseitig aus (BGH ZLR 2000,
375, 378; NJW 1995, 1615). Zum anderen bleiben arzneiliche Zweckbestimmungen
im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und Nr. 5 AMG, welche neben dem
Ernährungszweck bestehen, für die Lebensmitteleigenschaft eines Produkts so
lange ohne Bedeutung, als sie gegenüber dem Ernährungszweck nicht überwiegen.
Läßt sich eine überwiegende arzneiliche Zweckbestimmung nicht feststellen,
ist das Produkt als Lebensmittel anzusehen (BGH NJW 1976, 1154;
VGH München NJW 1998, 845). Für die Abgrenzung von Lebens- und Arzneimitteln
kommt es somit entscheidend auf die überwiegende Zweckbestimmung
eines Erzeugnisses an.
Seit der Neuregelung des Arzneimittelrechts im Jahre 1976 beurteilt sich
die Zweckbestimmung für § 2 Abs. 1 AMG und § 1 Abs. 1 LMBG einheitlich
- 7 -
(Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht LMBG § 1 Rdn. 34; Fogel PharmaR 1993,
132, 136) vorrangig nach objektiven Kriterien (BGHSt 43, 336, 339; Kloesel/
Cyran Arzneimittelrecht AMG § 2 Anm. 9, 82 e und f; Sander Arzneimittelrecht
AMG § 2 Anm. 1; Gröning Heilmittelwerberecht HWG § 1 Rdn. 83 ff.; abweichend
Schiwy AMG § 2 Anm. 1 b bb; Köhler ZLR 1999, 599). Für die Einordnung
eines Produkts als Arznei- oder Lebensmittel entscheidend ist danach
seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung,
wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbraucher darstellt (BGH ZLR 2000, 375, 379). Die
Verkehrsanschauung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung
über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum
davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach
haben. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts
kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen
Wissenschaft beeinflußt sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten
oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise oder Gebrauchsanweisungen
sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein
entgegentritt (BGH ZLR 2000, 375, 379; BGHSt 43, 336, 339; BGH NJW
1995, 1615; für die Abgrenzung von Arzneimitteln und Kosmetika BVerwGE
106, 90, 92 und 97, 132, 135; Klein NJW 1998, 791; Kügel/Klein PharmaR
1996, 386). Bedeutung kommt insbesondere den pharmakologischen Eigenschaften
eines Mittels zu, da ein verständiger Durchschnittsverbraucher im allgemeinen
nicht annehmen wird, daß ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes
Präparat tatsächlich ein Arzneimittel ist, wenn es in der empfohlenen
Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat (BGH ZLR 2000, 375,
379).
- 8 -
2. Die für die Abgrenzung von Arznei- und Lebensmitteln entwickelten
allgemeinen Grundsätze finden auch auf Vitaminpräparate uneingeschränkt
Anwendung. Die überwiegende objektive Zweckbestimmung und damit der
Produktstatus von Vitaminpräparaten beurteilt sich ebenso wie bei sonstigen
Erzeugnissen nach der allgemeinen Verkehrsauffassung, die durch eine Vielzahl
unterschiedlicher Faktoren geprägt wird (vgl. hierzu die Anlage zur Empfehlung
des Arbeitskreises lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder
und des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin,
Bundesgesundheitsbl. 1999, 360, 361). Mit zu den die Anschauungen
der Verbraucher beeinflussenden Umständen gehört die stoffliche Zusammensetzung
eines Erzeugnisses, wobei wegen der bei Vitaminen hinsichtlich
ihrer Verwendungsmöglichkeit bestehenden Ambivalenz die Dosierung der
Inhaltsstoffe ganz in den Vordergrund rückt. Eine besonders hohe Dosierung
von Vitaminen, insbesondere wenn mit ihr pharmakologische Wirkungen verbunden
sind, ist daher grundsätzlich geeignet, die allgemeine Verkehrsauffassung
auf eine überwiegende arzneiliche Zweckbestimmung hinzulenken (vgl.
Fogel PharmaR 1993, 132, 141). Allein die Feststellung, daß die sich aus der
Verzehrempfehlung des Herstellers ergebende tägliche Aufnahmemenge eines
Vitamins den von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen normalen
Tagesbedarf um mehr als das dreifache übersteigt, reicht jedoch für die
Annahme einer die Arzneimitteleigenschaft eines Erzeugnisses begründenden
Verbrauchererwartung nicht aus (a.A. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht AMG
§ 2 Anm. 83 o; Sander, Arzneimittelrecht AMG § 2 Anm. 34; Doepner PharmaR
1989, 13, 16 ff.). Denn dem Überschreiten des dreifachen Tagesbedarfes läßt
sich lediglich entnehmen, daß mit der über diese Dosis hinausgehenden Vitaminzufuhr
kein zusätzlicher ernährungsphysiologischer Nutzen verbunden ist
(vgl. Empfehlung des Arbeitskreises lebensmittelchemischer Sachverständiger
- 9 -
der Länder und des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz
und Veterinärmedizin, Bundesgesundheitsbl. 1999, 601). Demgegenüber bleibt
bei einer ausschließlich am normalen Tagesbedarf orientierten Betrachtungsweise
offen, inwieweit die in einem Erzeugnis jeweils enthaltenen Vitamine in
ihrer konkreten Dosierung pharmakologische Wirkungen besitzen. Dies wird
der Bedeutung, der diesem Umstand aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers
für die Abgrenzung von Arznei- und Lebensmitteln bei als
Nahrungsergänzungsmitteln angebotenen Präparaten zukommt (BGH ZLR
2000, 375, 379), nicht gerecht.
3. Die Abgrenzung von Arznei- und Lebensmitteln nach deutschem
Recht steht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum gemeinschaftsrechtlichen
Arzneimittelbegriff im Einklang.
Nach Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 65/65/EWG des Rates zur Angleichung
der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittelspezialitäten vom
26. Januar 1965 (ABl. Nr. 22 S. 369), zuletzt geändert durch die Richtlinie
93/39/EWG vom 14. Juni 1993 (ABl. L. 214 S. 22), sind Arzneimittel u.a. Stoffe
oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung
menschlicher Krankheiten bezeichnet werden (Art. 1 Nr. 2 Abs. 1 der Richtlinie
- Arzneimittel nach Bezeichnung), oder die dazu bestimmt sind, im oder am
menschlichen Körper zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung
der menschlichen Körperfunktion angewandt zu werden (Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der
Richtlinie - Arzneimittel nach Funktion). Die Vorschrift enthält zwei selbständige
Begriffsbestimmungen, die aber nicht streng voneinander getrennt werden
können, da ein Stoff, der im Sinne der ersten gemeinschaftsrechtlichen Definition
ein Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten ist,
ohne jedoch als solcher bezeichnet zu werden, grundsätzlich dem Anwen-
10 -
dungsbereich der zweiten Begriffsdefinition unterfällt (EuGH NVwZ 1993, 53,
54 Tz. 14 - Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland; EuGH Slg 1983,
3883, 3902 Tz. 22 - van Bennekom).
Das Kriterium der Bezeichnung in Art. 1 Nr. 2 Abs. 1 der Richtlinie 65/65
wird vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung weit ausgelegt.
Eine Bezeichnung als Mittel zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten
liegt nicht nur dann vor, wenn ein Erzeugnis ausdrücklich als solches beschrieben
oder empfohlen wird, sondern auch dann, wenn bei einem durchschnittlich
informierten Verbraucher auch nur schlüssig aber mit Gewißheit der Eindruck
entsteht, daß dieses Präparat die betreffenden Eigenschaften haben müsse
(EuGH Slg I 1991, 1561, 1566 f Tz. 23 f. - Monteil und Samanni; EuGH Slg
1983, 3883, 3901 Tz. 18 - van Bennekom). Als Umstände, aus denen sich eine
schlüssige Bezeichnung ergeben kann, kommen die äußere Form eines Erzeugnisses
- allerdings nur eingeschränkt, da auch Nahrungsmittel in ähnlicher
Form vertrieben werden (EuGH van Bennekom aaO 3901 Tz. 19) -, seine Aufmachung
sowie der Inhalt von Veröffentlichungen des Herstellers, Vertreibers
oder von ihm nicht völlig unabhängiger Dritter in Betracht (EuGH Slg I 1992,
5502, 5511 Tz. 26 ff. - Ter Voort; EuGH Slg I 1991, 1525, 1536 Tz. 40 f. -
Delattre).
Ungeachtet der unterschiedlichen Ausgangspunkte bei der Begriffsbildung
stimmt die gemeinschaftsrechtliche Definition des Arzneimittels nach Bezeichnung
weitgehend mit dem Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG
überein, weil die Kriterien für eine konkludente Bezeichnung im Sinne der
Richtlinie 65/65 und die Umstände, welche die für die objektive Zweckbestimmung
maßgebliche Verkehrsanschauung prägen, im wesentlichen deckungsgleich
sind (BVerwGE 97, 132, 137; Kloesel/Cyran Arzneimittelrecht AMG § 2
- 11 -
Anm. 2; Sander, Arzneimittelrecht AMG § 2 Anm. 2; a.A. Forstmann GRUR
1997, 102, 104). Eine mögliche Divergenz beim Zusammentreffen von ausdrücklicher
Arzneimittelbezeichnung mit einer gefestigten auf eine andere
Zweckbestimmung gerichteten allgemeinen Verkehrsauffassung (vgl. Gröning,
Heilmittelwerberecht HWG § 1 Rdn. 98 ff.) kann bei der im vorliegenden Fall
aufgeworfenen Abgrenzungsfrage außer Betracht bleiben.
Der Begriff des Funktionsarzneimittels nach Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der
Richtlinie 65/65, der in seiner Reichweite der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 5
AMG entspricht (Fogel LMuR 1999, 98, 99), erfaßt Erzeugnisse, die sich tatsächlich
oder ihren angekündigten Wirkungen nach derart auf die Körperfunktionen
auswirken können, daß sie deren Funktionsbedingungen nennenswert
beeinflussen (EuGH LRE 28, 19, 22 f. - Upjohn). Nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs obliegt es den nationalen Behörden und Gerichten,
für jedes Erzeugnis festzustellen, ob es sich um ein Funktionsarzneimittel handelt,
wobei sie alle seine Merkmale, insbesondere seine Zusammensetzung,
seine pharmakologischen Eigenschaften so wie sie sich beim jeweiligen Stand
der Wissenschaft feststellen lassen, die Modalitäten seiner Anwendung, der
Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die
Gefahren aufgrund von Nebenwirkungen und Risiken bei längerem Gebrauch
zu berücksichtigen haben (EuGH NVwZ 1993, 53, 54 Tz. 17 - Kommission gegen
Bundesrepublik Deutschland; EuGH Slg I 1991, 1525, 1535 Tz. 35 - Delattre;
EuGH Slg I 1991, 1561, 1568 Tz. 29 - Monteil und Samanni). Für Vitaminpräparate
hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache van Bennekom
(EuGH Slg 1983, 3883) den Standpunkt vertreten, daß deren Qualifizierung
als Funktionsarzneimittel im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie
65/65 unter Berücksichtigung der beim jeweiligen Stand der wissenschaftlichen
- 12 -
Erkenntnis feststehenden pharmakologischen Eigenschaften jedes einzelnen
Vitamins vorzunehmen ist (EuGH van Bennekom aaO 3903 Tz. 19).
4. Die vom Landgericht vorgenommene Einordnung der Präparate als
Fertigarzneimittel trägt den dargestellten Grundsätzen für die Abgrenzung von
Arznei- und Lebensmitteln nicht hinreichend Rechnung.
Die nach der Verkehrsanschauung gegebene überwiegende objektive
Zweckbestimmung als das nach § 2 Abs. 1 AMG und § 1 Abs. 1 LMBG rechtlich
maßgebliche Abgrenzungskriterium wird vom Landgericht in den Urteilsgründen
nicht erörtert. Die Urteilsausführungen lassen daher bereits besorgen,
daß die Strafkammer die Bestimmung des Produktstatus ausschließlich als von
den Sachverständigen zu beantwortende Tat - und nicht als Rechtsfrage angesehen
hat. Der Tatrichter nennt ferner für die verschiedenen Erzeugnisse jeweils
nur einzelne Gesichtspunkte, welche grundsätzlich geeignet sind, die
Erwartungen der Verbraucher zu beeinflussen. Im Urteil fehlt es aber an einer
umfassenden produktbezogenen Bewertung der die allgemeine Verkehrsauffassung
prägenden Umstände. Ohne eine solche Gesamtbetrachtung läßt sich
eine aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers bestehende
überwiegende arzneiliche Zweckbestimmung der betreffenden Produkte nicht
belegen.
Des weiteren erheben sich auch gegen verschiedene Einzelerwägungen
der Strafkammer durchgreifende rechtliche Bedenken.
Bei den Vitaminprodukten hat das Landgericht im Ansatz zutreffend der
Dosierung der Vitamine Bedeutung bei der Abgrenzung des Produktstatus beigemessen.
Es hat aber lediglich festgestellt, daß die in der empfohlenen Tagesverzehrmenge
eines Erzeugnisses enthaltene Vitamindosis den normalen
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Tagesbedarf jeweils um ein vielfaches übersteigt, ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen,
ob die Vitamine in der konkreten Dosierung pharmakologische
Wirkungen besitzen.
Soweit sich die Strafkammer bei der Einordnung von Erzeugnissen als
Arzneimittel auf einzelne Inhaltsstoffe gestützt hat, denen im Verkehr allgemein
ein arzneilicher Charakter beigemessen wird, hat es nicht ausreichend beachtet,
daß bei Zubereitungen aus mehreren Stoffen die für die objektive Zweckbestimmung
und damit für den Produktstatus maßgebliche Verkehrsanschauung
bezogen auf das Gesamtprodukt zu ermitteln ist. Es ist daher grundsätzlich
nicht zulässig, einen einzelnen Bestandteil aus einer Zubereitung herauszugreifen
und ihn allein darauf zu untersuchen, ob er nach der Verkehrsauffassung
krankheitsheilende oder -lindernde Wirkung hat (BVerwGE 106, 90, 96).
Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß die heilende Wirkung eines einzelnen
Stoffes nach der Verbrauchererwartung bei der Würdigung des Gesamtprodukts
so im Vordergrund steht, daß für dieses ebenfalls von einer überwiegend
arzneilichen Zweckbestimmung auszugehen ist (BVerwGE 106, 90, 96 f.; BGH,
Urt. vom 7. Dezember 2000 - I ZR 158/98 - S. 9; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht
AMG § 2 Anm. 82 a; Gröning Heilmittelwerberecht HWG § 1 Rdn. 139).
Dies bedarf jedoch einer Erörterung im Einzelfall.
Allein aus der Darreichung eines Präparats in Kapsel- oder Tablettenform
kann kein ausreichender Hinweis für das Vorliegen eines Arzneimittels
abgeleitet werden, da es - wie die amtliche Begründung zu § 1 Abs. 3 Nährwertkennzeichnungsverordnung
(BRDrucks. 796/94 S. 20) zeigt - üblich geworden
ist, auch Nahrungsergänzungsmittel in entsprechenden Darreichungsformen
anzubieten (BGH ZLR 2000, 375, 380; vgl. auch EuGH Slg 1983, 3883,
3901 Tz. 19). Das gleiche gilt für Einnahmeempfehlungen auf der Verpackung.
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Denn auch bei Nahrungsergänzungsmitteln kann ein Bedürfnis des Verkehrs
nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise
eingenommen werden sollten (BGH ZLR 2000, 375, 381). Schließlich legen
Wirkungsangaben in der Produktbeschreibung, wonach die Erzeugnisse der
Vorbeugung von Mangelerscheinungen oder der Stärkung des Immunsystems
dienen sollen, nicht ohne weiteres eine arzneiliche Zweckbestimmung nahe, da
diese Ziele auch vom Ernährungszweck umfaßt werden (Rathke ZLR 2000,
285, 298 f.).
Die Einstufung der von den Angeklagten in Verkehr gebrachten Erzeugnisse
als Arznei- oder Lebensmittel bedarf daher erneuter tatrichterlicher Prüfung.
Wegen des tateinheitlichen Zusammenhangs führt der Mangel bei der
Abgrenzung des Produktsstatus nicht nur zur Aufhebung der Verurteilungen
nach § 96 Nr. 5 AMG, sondern darüber hinaus zur Aufhebung der Schuld- und
Strafaussprüche insgesamt.
III.
Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die rechtlichen Mängel bei der Abgrenzung von Arznei- und Lebensmitteln
durch das Landgericht führen auf die Revision der Staatsanwaltschaft
auch zu Lasten der Angeklagten zur Aufhebung der Verurteilungen. Die Frage
der Abgrenzung des Produktsstatus betrifft nicht nur die vom Landgericht als
Fertigarzneimittel eingestuften Produkte, sondern in gleicher Weise auch die
Erzeugnisse, die die Strafkammer als nicht verkehrsfähige Lebensmittel angesehen
hat. Ob deren Qualifizierung als Lebensmittel zu Recht erfolgt ist, kann
mangels tatrichterlicher Darlegungen im angefochtenen Urteil revisionsrecht-
15 -
lich nicht überprüft werden. Der Senat vermag daher nicht auszuschließen, daß
sich die aufgezeigten Rechtsfehler auch zum Vorteil der Angeklagten ausgewirkt
haben.
2. Die Annahme jeweils einer materiell-rechtlich einheitlichen Tat bei
beiden Angeklagten hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Das Vorliegen einer oder mehrerer Handlungen im Sinne der §§ 52, 53
StGB bestimmt sich ohne Rücksicht auf die Beurteilung bei anderen Tatbeteiligten
für jeden Täter nach den seinen eigenen Tatbeitrag betreffenden individuellen
Gegebenheiten (BGHSt 40, 218, 238; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung,
dieselbe 29). Werden mehrere an sich selbständige Taten durch eine
einheitliche Tathandlung bewirkt, sind diese tateinheitlich verbunden. Für eine
solche tateinheitliche Verknüpfung reichen - entgegen der Auffassung des
Landgerichts - die Schaffung und Aufrechterhaltung einer betrieblichen Organisationsstruktur,
die sich wie hier nicht als einheitliches Tun, sondern als Vielzahl
während des sich über Jahre erstreckenden Tatzeitraums erfolgter Handlungen
darstellen, nicht aus (BGHSt 26, 284, 286). Nach den bisherigen Feststellungen
der Strafkammer wurde die zunächst mit 35 Erzeugnissen begonnene
Geschäftstätigkeit später auf insgesamt 47 Präparate ausgedehnt. Um verwaltungsbehördliche
Maßnahmen leerlaufen zu lassen, gründeten die Angeklagten
im Sommer 1995 eine neue Gesellschaft, die den Vertrieb der Erzeugnisse
fortsetzte. Nach der Durchsuchung der Geschäftsräume im Juni 1996
wurde die Vertriebstätigkeit schließlich dahingehend geändert, daß die Entgegennahme
der Bestellungen, die Rechnungstellung und der Zahlungsverkehr
mit den Kunden im Geschäftsbetrieb der Angeklagten abgewickelt wurden,
während die Lieferung der bestellten Präparate direkt aus Großbritannien er-
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folgte. Alle diese Vorgänge sind ohne sich auch auf die Tatbegehung auswirkende
Einzelhandlungen zumindest eines Angeklagten nicht vorstellbar.
Bei seinen Feststellungen zu den Tatbeiträgen der Angeklagten hat das
Landgericht schließlich nicht bedacht, daß sowohl das Arznei-, als auch das
Lebensmittelrecht in § 4 Abs. 17 AMG und § 7 Abs. 1 LMBG jeweils Legaldefinitionen
des Inverkehrbringens enthalten, wonach u.a. bereits das Vorrätighalten
zum Verkauf oder zur sonstigen Abgabe dem Begriff des Inverkehrbringens
unterfällt. Nach den vom Bundesgerichtshof zum Betäubungsmittelstrafrecht
entwickelten Grundsätzen der Bewertungseinheit (vgl. BGHSt 30, 28;
BGH NStZ 1999, 192), die auf die gleichgelagerte Konstellation des Inverkehrbringens
von Arznei- und Lebensmitteln übertragbar sind, bilden das Vorrätighalten
zum Verkauf und die aus diesem Vorrat sukzessiv erfolgenden Abgabeakte
materiell-rechtlich eine einheitliche Tat. Konkrete Mitwirkungshandlungen
der Angeklagten hat das Landgericht lediglich bezüglich der einzelnen Verkäufe
verneint. Dagegen fehlen tatrichterliche Feststellungen zu möglichen
Tatbeiträgen der Angeklagten, die sich auf das Vorrätighalten zum Verkauf beziehen.
3. Der Teilfreispruch der Angeklagten hat ebenfalls keinen Bestand. Das
Landgericht hat die Angeklagten teilweise freigesprochen, weil es die Verkäufe
nicht wie in der unverändert zugelassenen Anklage jeweils als rechtlich selbständige
Handlungen, sondern als materiell-rechtlich einheitliches Geschehen
gewertet hat. Bei dieser Sachlage ist für einen Teilfreispruch kein Raum. Denn
der Schuldspruch umfaßt, wenn auch unter abweichender Beurteilung des
Konkurrenzverhältnisses, den gesamten Anklagevorwurf und erschöpft damit
Anklage und Eröffnungsbeschluß vollständig (BGHSt 44, 196, 201 f.; Engelhardt
KK 4. Aufl. § 260 Rdn. 21).
- 17 -
IV.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
1. Der Tatrichter wird zu prüfen haben, ob hinsichtlich der vor dem
8. April 1994 erfolgten Verkäufe nach § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB i. V. mit § 78
Abs. 3 Nr. 5 StGB Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Der Eintritt der Verjährung
hängt maßgeblich von dem materiell-rechtlichen Konkurrenzverhältnis
ab, das auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen - wie dargelegt - nicht
abschließend beurteilt werden kann. Bei der Bestimmung der für den Verjährungsbeginn
maßgeblichen Tatbeendigung ist zu beachten, daß das Inverkehrbringen
von Arznei- und Lebensmitteln, das nach den Grundsätzen der
Bewertungseinheit das Vorrätighalten zum Verkauf und die aus diesem Vorrat
sukzessiv erfolgenden Abgabeakte als materiell-rechtlich einheitliche Tat umfaßt,
erst mit der letzten Abgabehandlung beendet ist.
2. Der Umstand, daß von den Angeklagten vertriebene Produkte in
Großbritannien als Lebensmittel eingestuft werden, steht einer Einordnung als
Arzneimittel nach deutschem Recht nicht entgegen (vgl. BVerwGE 97, 132,
141). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs läßt es sich
beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht vermeiden, daß bis
zu einer umfassenderen Harmonisierung der zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes
erforderlichen Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten Unterschiede
bei der Qualifizierung der Erzeugnisse fortbestehen (EuGH NVwZ
1993, 53, 54 Tz. 15, 16 - Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland;
EuGH Slg I 1991, 1525, 1534 Tz. 28, 29 - Delattre). Fällt ein Erzeugnis begrifflich
unter die Arzneimitteldefinition des Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 65/65, so ist
- 18 -
dessen Einstufung als Arzneimittel durch das nationale Recht ungeachtet des
Umstands, daß dieses Präparat in einem anderen Mitgliedstaat als Lebensmittel
angesehen wird, ohne weiteres gemeinschaftsrechtlich zulässig (EuGH
Delattre aaO 1534 Tz. 27). Umgekehrt läßt das Gemeinschaftsrecht das Recht
der Mitgliedstaaten unberührt, Produkte, die nicht unter die gemeinschaftsrechtliche
Definition des Arzneimittels fallen, aufgrund des eigenen nationalen
Arzneimittelrechts Kontrollen oder dem Erfordernis einer vorherigen Genehmigung
zu unterwerfen, sofern die Regeln für den freien Warenverkehr nach den
Art. 28 und 30 EGV beachtet werden (EuGH Slg I 1992, 5502, 5514 Tz. 41 -
Ter Voort; EuGH Slg 1986, 1210, 1215 Tz. 22 - Tissier).
3. Falls als Lebensmittel einzuordnende Präparate mit deutschen lebensmittelrechtlichen
Vorschriften nicht vereinbar sind, kann sich deren Verkehrsfähigkeit
im Inland aus der Regelung des § 47 a LMBG ergeben. Dies
setzt nach § 47 a Abs. 1 Satz 1 LMBG zunächst voraus, daß die betreffenden
Erzeugnisse in Großbritannien rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht
worden sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzung versteht sich hier schon
deshalb nicht von selbst und bedarf einer eingehenden Prüfung, weil das spezielle
Irreführungsverbot des § 2 Abs. 1 DiätVO, dem verschiedene von den
Angeklagten importierte Präparate nach Auffassung des Landgerichts nicht
entsprechen, zur Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften
zur Rechtsangleichung ergangen ist, die für alle Mitgliedsstaaten verbindlich
ist (vgl. allgemein Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht LMBG § 47 a Rdn. 22).
Handelt es sich bei den inländischen lebensmittelrechtlichen Normen,
deren Voraussetzungen das Erzeugnis nicht erfüllt, um Rechtsvorschriften, die
nicht zum Schutz der Gesundheit, sondern zu sonstigen Zwecken des Verbraucherschutzes
erlassen worden sind, resultiert die Verkehrsfähigkeit des
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Erzeugnisses im Inland unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 47 a
Abs. 1 Satz 1 LMBG. Dies hat zur Folge, daß die betreffenden nationalen Vorschriften
keine Anwendung finden (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht LMBG
§ 47 a Rdn. 30; Freytag in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze LMBG
§ 47 a Rdn. 10). Dienen die entgegenstehenden Bestimmungen dagegen dem
Gesundheitsschutz, wie dies bei den Vorschriften über die Verwendung von
Zusatzstoffen der Fall ist (Zipfel/Rathke aaO Rdn. 27), kann sich die Verkehrsfähigkeit
aus Allgemeinverfügungen gemäß § 47 a Abs. 2 LMBG ergeben.
Auch hierzu verhält sich das angegriffene Urteil nicht.
4. Soweit die neuerliche Hauptverhandlung zu einer Verurteilung der
Angeklagten führt, wird der Tatrichter eine Verfallsanordnung nach den §§ 73,
73 a StGB zu prüfen haben. Eine Verfallsanordnung stellt keinen Nachteil dar,
der bei der Strafzumessung zugunsten des Täters zu berücksichtigen ist (BGH,
Beschluß vom 22. November 2000 - 1 StR 479/00; vgl. auch zum erweiterten
Verfall BGH NStZ 1995, 491).
5. Das tatrichterliche Urteil muß nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO eine in
sich geschlossene Darstellung des festgestellten Tatgeschehens enthalten
(BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3, 1). Die Vorgehensweise
des Landgerichts, eine aus sich heraus verständliche Schilderung des Umfangs
des den Angeklagten angelasteten Inverkehrbringens von Arznei- und
Lebensmitteln durch das wörtliche Einrücken der in der Anklageschrift aufgelisteten
448 Rechnungen zu ersetzen, ist schon deshalb bedenklich, weil die
jeweils vertriebenen Mengen der verschiedenen Präparate, die in unterschiedlicher
Weise gegen arznei- und lebensmittelrechtliche Vorschriften verstoßen,
den Urteilsgründen erst nach umfänglicher Auswertung aller Rechnungen entnommen
werden können. Unterbleibt infolge dieser Darstellungsweise eine
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Gewichtung des Unrechts- und Schuldgehalts, der den verschiedenen Gesetzesverletzungen
jeweils zukommt, gefährdet dies in sachlich-rechtlicher Hinsicht
den Bestand des Urteils.
Jähnke Bode Otten
Fischer Elf



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