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BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 25.5.2001 - 2 StR 78/01
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
StGB § 46 a
Zur Anwendung von § 46 a StGB bei Zusammentreffen von Täter-Opfer-Ausgleich
und Schadenswiedergutmachung.
BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 - LG Trier
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 78/01
vom
25. Mai 2001
in der Strafsache
gegen
- 2 -
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
- 3 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
23. Mai 2001, in der Sitzung am 25. Mai 2001, an denen teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
und die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Trier vom 4. Oktober 2000, soweit es ihn betrifft,
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen 2
und 6
b) im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
1. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung
in zwei Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung sowie
wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren
verurteilt. Desweiteren hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein
eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von
drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
- 5 -
Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte
gegen die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung und
den Strafausspruch.
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit
es sich gegen die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung
sowie den Strafausspruch in diesem Fall und in den Fällen des Diebstahls
richtet.
Keinen Bestand haben kann der Strafausspruch aber, soweit der Angeklagte
wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen verurteilt worden
ist, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft eine Strafmilderung nach den
§§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt hat.
I.
Nach den Feststellungen überfiel der Angeklagte in der Zeit vom 6. April
1999 bis 21. Februar 2000 zusammen mit anderen drei Bankinstitute. Bei den
Taten wurden jeweils Fahrzeuge verwendet, die zuvor für die Überfälle entwendet
worden waren. Die Beute wurde zwischen den Beteiligten geteilt. Der
voll geständige Angeklagte hat nach seiner Festnahme Grundvermögen verkauft
und aus dem Erlös von 70.000 DM Beträge in Höhe seiner Beuteanteile
an die Versicherer der Banken überwiesen, die ihn in der Folge von weiterer
Haftung freigestellt haben. Außerdem hat er sich gegenüber den Eigentümern
der gestohlenen und wieder aufgefundenen Fahrzeuge zum Schadensersatz
bereit erklärt. Sein Verteidiger hat auch Kontakt zu den von den Banküberfällen
betroffenen Personen aufgenommen und hat ihnen die Zahlung eines ange-
6 -
messenen Schmerzensgeldes angeboten. Diese haben jedoch erklärt, sie würden
keine finanziellen Ansprüche erheben. Gespräche über die Zahlung eines
Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung sind noch nicht abgeschlossen.
Die Jugendkammer hat bei der Strafzumessung die Schadenswiedergutmachung
zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, das Vorliegen der
Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 und Nr. 2 StGB jedoch verneint. Hinsichtlich
der immateriellen Folgen der Überfälle reiche der Versuch der Entschuldigung
und das Angebot eines Schmerzensgeldes als Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne
von § 46 a Nr. 1 StGB nicht aus. Es genüge nicht, daß der Angeklagte durch
seinen Anwalt an die Opfer herangetreten sei, zumal die Verhandlungen noch
nicht abgeschlossen seien.
Eine Schadenswiedergutmachung im Sinne von § 46 a Nr. 2 StGB liege
ebenfalls nicht vor, da der Angeklagte, auch wenn er von den geschädigten
Banken auf Grund der Zurückzahlung seines Beuteanteils aus der gesamtschuldnerischen
Haftung entlassen worden sei, nur seinen eigenen Beuteanteil
zurückgezahlt habe und damit kein umfassender Ausgleich der durch die
Straftat verursachten Folgen erfolgt sei, denn zum Ausgleich des Gesamtschadens
sei für die Geschädigten noch der weitere Rückgriff auf die Mittäter erforderlich.
II.
Diese Begründung beanstandet die Revision in den Fällen 2 und 6 zu
Recht.
- 7 -
Mit der Vorschrift des § 46 a StGB hat der Gesetzgeber (vgl. BTDrucks.
12/6853 S. 21, 22), um über die Schadenswiedergutmachung und das Bemühen
des Täters, mit dem Verletzen einen Ausgleich zu erreichen, hinaus ("Verhalten
nach der Tat" vgl. § 46 Abs. 2 StGB) einen - weiteren - Anreiz für Ausgleichsbemühungen
seitens des Täters zu schaffen, einen vertypten Milderungsgrund
für zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Fallgruppen normiert
(zu den allgemeinen Bedenken gegen § 46 a StGB wegen der Möglichkeit eines
"Freikaufs" durch den Täter: vgl. BGH StV 2000, 129), und zwar in der Gestalt
des Täter-Opfer-Ausgleichs (Nr.1) und der Schadenswiedergutmachung
(Nr. 2).
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezieht
sich dabei § 46 a Nr. 1 StGB vor allem auf den Ausgleich der immateriellen
Folgen einer Straftat, die auch bei Vermögensdelikten denkbar sind, während
§ 46 a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft (BGH StV 1995, 464
f.; 2000, 129; BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 1 = NStZ 1995, 492; BGH
NStZ 1999, 610; 2000, 205 f.; BGH, Beschl. vom 20. Februar 2001 - 4 StR
551/00). Ob diese strenge Unterscheidung und die damit verbundene Einengung
der Vorschrift, die aus dem Wortlaut und der gesetzgeberischen Intention
abgeleitet wird (vgl. u.a. BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 1), in dieser
Schärfe aufrechterhalten werden sollte (vgl. dazu kritisch Schöch in 50 Jahre
Bundesgerichtshof - Festgabe aus der Wissenschaft S. 309 ff., 323, 335), erscheint
dem Senat zweifelhaft. Dies zeigt der vorliegende Fall. Dieser weist die
Besonderheit auf, daß von einer Tat mehrere Opfer betroffen sind, wobei für
die vom Überfall in Mitleidenschaft gezogenen Bankangestellten ein Ausgleich
der immateriellen Folgen im Vordergrund steht (§ 46 a Nr. 1 StGB), während
- 8 -
für die geschädigten Bankinstitute der Ausgleich der materiellen Folgen (§ 46 a
Nr. 2 StGB) wesentlich ist.
Eine eindeutige Einordnung in eine der beiden Fallgestaltungen des
§ 46 a StGB ergibt sich bei vielschichtigen Tatgeschehen danach nicht von
selbst. Ob eine überwiegende Wiedergutmachung der Tat grundsätzlich nur
innerhalb einer der beiden Alternativen zu prüfen ist und unter welcher, braucht
der Senat hier aber nicht abschließend zu entscheiden. Ausreichend für eine
Anwendung von § 46 a StGB ist es auf jeden Fall, wenn hinsichtlich jedes Geschädigten
eine der Alternativen des § 46 a StGB erfüllt ist. So verhält es sich
aber im vorliegenden Fall.
1. Der vom Angeklagten gesuchte "Ausgleich" mit den von den Taten
betroffenen Bankangestellten, den Tatopfern der Banküberfälle (Fälle 2 und 6),
erfüllt die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 StGB. Im Rahmen dieser Alternative
kommt immateriellen Leistungen im Verhältnis Täter und Opfer besonderes
Gewicht zu. Ein "Wiedergutmachungserfolg" wird nicht verlangt. Erforderlich
ist, daß der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen,
die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutgemacht hat, ausreichend
ist aber auch, daß der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt (st. Rspr.
BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1 = NStZ 1995, 492, 493; zuletzt BGH,
Beschl. vom 20. Februar 2001 - 4 StR 551/00).
Ein solches Bemühen hat der Angeklagte durch das Anbieten eines angemessenen
Schmerzensgelds an den Tag gelegt. Unerheblich ist dabei entgegen
der Auffassung des Landgerichts, daß nicht er persönlich diese Bemü-
9 -
hungen unternommen hat, sondern seinen Verteidiger tätig werden ließ (BGHR
StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 2).
Der Anwendung des § 46 a Nr.1 StGB steht auch nicht entgegen, daß
die Tatopfer eine Schmerzensgeldzahlung nicht für erforderlich hielten. Es liegt
ohnehin nicht allein in der Hand der Tatopfer, ob diese Regelung zur Anwendung
gelangen kann (BTDrucks. 12/6853 S. 21: "Anreiz für den Täter"; vgl.
auch Loos in Festschrift für Hans Joachim Hirsch 1999 S. 851 ff., 864; kritisch
dazu Oberlies Streit 2000, 99 ff., 106 ff.; vgl. auch die Neufassung des § 155 a
Satz 3 StPO - dazu Schöch aaO S. 322/323). Ausreichend ist das ernsthafte
Bemühen. Dabei kann hier offen bleiben, ob bei einem ausdrücklich entgegenstehenden
Willen des Tatopfers ein solches "ernsthaftes Bemühen" genügt
(vgl. dazu Schöch aaO S. 336, der auf Neuregelung des §155 a Satz 3 StPO
verweist), da ein solcher entgegenstehender Wille der betroffenen Bankangestellten
nicht festgestellt ist. Bei Delikten der vorliegenden Art darf jedenfalls
nicht allein auf Grund des Verzichts des Tatopfers auf ein Schmerzensgeld der
Anwendungsbereich der auch im Interesse des Täters geschaffenen Regelung
des § 46 a StGB eingeengt werden.
Hier kommt hinzu, dass der Angeklagte im Einverständnis mit den Tatopfern
als ersatzweise Wiedergutmachung die Zahlung eines Geldbetrages an
eine gemeinnützige Einrichtung anstrebt. Diese Bemühungen, die das Landgericht
als ernsthaft angesehen hat, genügen im Rahmen von § 46 a Nr. 1 StGB.
2. Im Verhältnis zu den geschädigten Banken liegen die Voraussetzungen
des § 46 a Nr. 2 StGB vor.
- 10 -
Die Schadenswiedergutmachung im Rahmen dieser Regelung erfordert
vom Täter "erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht", es
muß zu einer Entschädigung des Opfers "ganz oder zum überwiegenden Teil"
gekommen sein. Damit die Schadenswiedergutmachung ihre friedenstiftende
Wirkung entfalten kann, hat der Täter "einen über die rein rechnerische Kompensation
hinausgehenden Beitrag" zu erbringen. Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen
allein genügt dafür nicht. Vielmehr muß sein Verhalten
"Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" sein (st. Rspr.; BGHR StGB
§ 46 a Wiedergutmachung 1 und 5; BGH wistra 2000, 176; BGH, Beschl. vom
13. Juli 2000 - 4 StR 271/00 - jeweils m.w.N.; vgl. dazu Schöch aaO S. 326, der
diese Anforderungen für überhöht hält und meint, die Rechtsprechung habe
sich vom "plakativen Pathos der Entwurfsbegründung anstecken" lassen).
Die vom Angeklagten zur Schadenswiedergutmachung geleisteten Zahlungen
zusammen mit den Verzichtserklärungen der Versicherer der Banken
genügen hier. Dem steht nicht entgegen, daß er nur einen Teil des Schadens,
der durch die Banküberfälle entstanden ist, wiedergutgemacht hat. Denn die
vollständige Erfüllung der Ersatzansprüche ist nicht erforderlich, weil (strafrechtliche)
Wiedergutmachung im Sinne von § 46 a StGB dem zivilrechtlichen
Schadensersatz nicht gleichgesetzt werden darf (vgl. Kilchling NStZ 1996, 311
ff., 314; zum Umfang der Ersatzleistung vgl. auch BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung
5 = BGH NStZ 2000, 205), wie sich schon aus den Worten "ganz
oder überwiegend" ergibt, wobei offenbleiben kann, ob damit die Wiedergutmachung
von mehr als der Hälfte des Schadens gemeint ist (so Lackner/Kühl,
StGB 23. Aufl. § 46 a Rdn. 2; Schöch aaO S. 309 ff., 317). Der Angeklagte hat
sein Grundvermögen verkauft und den Erlös dafür eingesetzt, um Schäden, die
durch die Tat entstanden sind, wiedergutzumachen. Dies ist ein "persönliches
- 11 -
Opfer", denn er hat durch den freiwilligen Einsatz von Vermögen eindeutig seinen
Willen zur Schadenswiedergutmachung dokumentiert. Seine Leistung war
auch erheblich, da er nach den Feststellungen sein gesamtes Vermögen eingesetzt
hat ("subjektive Belastung" vgl. BayObLG NJW 1996, 2806; vgl. auch
BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1 = NStZ 1995, 492, 493 sowie BGHR
StGB § 46 a Wiedergutmachung 5 = BGH NStZ 2000, 205).
Durch seine Ersatzleistung haben die hinter den geschädigten Banken
stehenden Versicherungen zwar nur einen Teil des entstandenen Schadens
ersetzt erhalten. Der Angeklagte hat nämlich im Fall 6 etwa die Hälfte, im Fall 2
etwas weniger als die Hälfte der entwendeten Geldbeträge bezahlt. Ob bei einer
gesamtschuldnerischer Haftung allein die Bezahlung des auf den Täter
- im Innenverhältnis der Beteiligten - entfallenden Anteils an den Geschädigten
als "ganze oder überwiegende Schadenswiedergutmachung" anzusehen ist,
kann der Senat offenlassen. Denn hier kommt als besonderer Umstand hinzu,
daß durch den Angeklagten nicht nur ein beträchtlicher Teil des Schadens
wiedergutgemacht wurde, sondern daß die beteiligten Versicherungen sich
auch mit dieser Teilleistung zufrieden gegeben und ihn aus seiner weitergehenden
zivilrechtlichen Haftung freigestellt haben.
III.
1. Die Auffassung der Jugendkammer, der "vertypte Milderungsgrund"
des § 46 a StGB läge nicht vor, ist somit rechtsfehlerhaft. Der Senat kann nicht
sicher ausschließen, daß die Einzelstrafaussprüche, soweit der Angeklagte
wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu Freiheitsstrafe von
drei und vier Jahren verurteilt worden ist, bei Anwendung der §§ 46 a, 49
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Abs. 1 StGB niedriger ausgefallen wären. Sie können deshalb keinen Bestand
haben. Auch durch die allgemeine strafmildernde Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung
(vgl. dazu BGH StV 2000, 129 m.w.N.; BGH, Beschl.
vom 20. Februar 2001 - 4 StR 551/00) kann hier ein Beruhen der Strafen auf
dem Rechtsfehler letztlich nicht ausgeschlossen werden.
2. Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 2 und 6 zieht die Aufhebung
des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Über diese Einzelstrafen und
die Gesamtstrafe ist neu zu befinden. Die Anordnung der Maßregeln der §§ 69,
69 a StGB kann aber bestehen bleiben.
Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, hat
der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurückverwiesen (vgl.
BGHSt 35, 267 ff.).
Jähnke Detter RiBGH Dr. Bode ist
wegen Urlaubs verhindert,
seine Unterschrift
beizufügen.
Jähnke
Otten Rothfuß



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