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BGH, Urteil vom 26. Januar 2005 - 5 StR 290/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 26.1.2005 - 5 StR 290/04
5 StR 290/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 26.01.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 25. und 26.01.2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin Sc
als Verteidigerin des Angeklagten Wi ,
Rechtsanwalt B
als Verteidiger des Angeklagten R ,
Rechtsanwältin L
als Verteidigerin des Angeklagten H ,
Rechtsanwältin P
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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in der Sitzung vom 26.01.2005
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das
Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18. Dezember
2003 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Davon ausgenommen werden die Feststellungen
zum äußeren Tatgeschehen; diese bleiben aufrechterhalten.
Insoweit werden die weitergehenden
Revisionen der Staatsanwaltschaft verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil werden verworfen. Die Angeklagten
tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die der Nebenklägerin
hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Die Schwurgerichtskammer hat die Angeklagten jeweils wegen Körperverletzung
mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
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zu Freiheitsstrafen zwischen sieben und acht Jahren verurteilt. Die zuungunsten
der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die
vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben mit der Sachrüge weitgehend
Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten erweisen sich hingegen als
unbegründet.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten W und H sollten am 19. Februar
2003 gemeinsam zu einer Hauptverhandlung vor dem Strafrichter des
Amtsgerichts Cottbus erscheinen. Sie beschlossen deshalb, den Vortag nicht
zu Hause zu verbringen, sondern gemeinsam verschiedene Bekannte zu
besuchen, um nicht von der Polizei zwecks Vorführung festgenommen werden
zu können. Der Angeklagte R schloß sich ihnen an. Zwischen 17.00
und 18.00 Uhr gelangten die Angeklagten zu dem später geschädigten
D , einem früheren Arbeitskollegen des Angeklagten W ,
der auch dem Angeklagten H flüchtig bekannt war. In der Einraumwohnung
des D , die sich in einem Hochhaus in der Leipziger Straße in
Cottbus befand, hielt sich auch die den Angeklagten bis dahin unbekannte,
später getötete K auf. In geselliger Runde wurde Musik gehört
sowie Bier und Schnaps getrunken, bis die Alkoholvorräte zur Neige gingen.
Gegen 20.00 Uhr stahl deshalb der Angeklagte R im nahegelegenen
REWE-Markt zwei Flaschen Korn.
Während des weiteren gemeinsamen Trinkens begann der schon betrunkene
D , den Angeklagten R zu provozieren und zu beleidigen.
Den aufkommenden Streit wollten beide im Hausflur außerhalb der Wohnung
austragen. D , der infolge seiner Trunkenheit schon erheblich
schwankte, führte dort einen Schlag gegen R , den dieser aber leicht
abwehren konnte; umgekehrt schlug R nunmehr D mit der Hand-
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kante ins Gesicht, woraufhin dieser blutend zu Boden ging. Beide gingen zurück
in die Wohnung, wo gemeinsam weitergetrunken wurde. Bald kam es
jedoch wieder, ausgehend von D , zum Streit zwischen den beiden und
erneuten Schlagversuchen D s sowie zu kräftigen Faustschlägen des
Angeklagten R in D s Gesicht. R warf nunmehr die Gläser aus
D s Wohnzimmerschrank zu Boden und schlug diesem weiter mehrfach
kräftig mit der Faust ins Gesicht. Als daraufhin D s Blut auf die Kleidung
des Angeklagten W spritzte, wurde auch dieser wütend. Angesichts
der Eskalation ging K , die schon zuvor erfolglos schlichtend
auf die Streitenden eingewirkt hatte, zwischen R und D ; sie
wurde jedoch durch einen heftigen Schlag von R auf die Couch neben
den Angeklagten W geschleudert. Dies paßte W ebensowenig
wie ihre anschließende Einmischung in sein Gespräch mit H
, der sie mit dem Handrücken ins Gesicht schlug. Nunmehr versetzte W
ihr mit seinem rechten Ellenbogen derart wuchtige Schläge ins Gesicht,
daß sie heftig blutete und das Blut bis auf die Tapete hinter der Couch
spritzte. H versetzte D Stöße mit dem Knie und trat und schlug
ihn mit voller Wucht gegen das Gesicht; auch der Geschädigten K trat er
ins Gesicht.
Insgesamt beteiligten sich alle drei Angeklagten, die aufgeheizter
Stimmung waren und bereits die bisherigen Gewalthandlungen gebilligt hatten,
im gemeinschaftlichen Zusammenwirken an massiven Gewalttätigkeiten.
Zwischen ihnen bestand ein unausgesprochenes Einverständnis darüber, die
beiden ersichtlich betrunkenen, ihnen körperlich weit unterlegenen Geschädigten,
die sich auch nicht wehrten, zu mißhandeln; die Angeklagten schlugen
teils gemeinsam, teils abwechselnd mit Fäusten und Handrücken auf
diese ein und versetzten ihnen mit beschuhten Füßen Tritte gegen Kopf und
Körper. H und R streiften sich Handschuhe über, um sich bei
den Gewalttätigkeiten nicht selbst zu verletzen; R zog zudem Jacke und
Pullover aus, damit diese nicht blutig würden. Nach weiteren von allen gebilligten
Tritten und Schlägen - ohne daß die jeweils aktiv Tätigen im einzelnen
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festzustellen waren - lagen die Opfer schließlich schwer verletzt und hilflos
auf dem Boden; D war bewußtlos, K stöhnte und wimmerte
vor Schmerzen.
Als R aus dem Badezimmer kam, wo er sich Blut abgewaschen
hatte, erkannte er angesichts des blutüberströmten und hilflosen Zustandes
der Geschädigten das Ausmaß des Geschehens und wurde „schlagartig
nüchtern“. Über sein Mobiltelefon rief er den Notruf 110 an und erklärte „völlig
außer sich und weinend“, in der Leipziger Straße „zum Hochhaus hin“ lägen
zwei Leute, die „am Kopf kaputt“ seien. W prüfte kurze Zeit später
den Puls von D , der noch spürbar war, rief über die Notrufnummer
bei der Polizei an und bat um einen Notarzt in die Leipziger Straße, wobei er
sich aber in der Angabe des Stadtbezirks irrte, so daß sein Notruf nicht zum
Auffinden der Opfer führte.
Die erheblich alkoholisierten Geschädigten erlitten durch die Mißhandlungen
der Angeklagten schwerwiegende Verletzungen. D kam erst
am Vormittag des 19. Februar 2003 wieder zu sich, von einer Vielzahl teils
blutender Wunden entstellt, mit gebrochener Rippe und einem Schädelhirntrauma.
Sein Sehvermögen ist seitdem eingeschränkt, und er leidet unter
Gleichgewichtsstörungen. K war infolge der ihr zugefügten Verletzungen
am 18. Februar 2003 gegen 23.00 Uhr verstorben. Ihr Gesicht
wies neben großen Hämatomen eine Platzwunde und knöcherne Verletzungen
am Schädel auf. Weiter fanden sich Zeichen massiver stumpfer Gewalteinwirkung
auf den Kopf und Hals. Die dabei entstandenen Gesichtsweichteilzerreißungen
sowie mehrfache Schädelbasis- und Gesichtsschädelbrüche
führten in Verbindung mit einer Bluteinatmung unmittelbar zum Tode. Die
Schädelbasis- und Gesichtsschädelbrüche sind nach zutreffender Einschätzung
des medizinischen Sachverständigen am ehesten durch zahlreiche
Fußtritte gegen den Kopf oder das Schlagen mit einem Gegenstand erklärbar,
wobei auch ein Aufspringen auf den am Boden liegenden Kopf als Ursache
in Betracht komme, nicht aber ein Sturzgeschehen; gleiches gelte für die
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festgestellten Rippenserienbrüche, die am ehesten durch Knien auf dem
Körper oder durch Aufspringen mit flachen Sohlen, nicht aber durch einen
Sturz entstanden seien.
Zum subjektiven Tatbestand hat das Landgericht lediglich mit zwei
knappen Sätzen (UA S. 25 und S. 49) ausgeführt, es sei nicht nachweisbar,
daß die Angeklagten ihre Opfer töten wollten. Jedoch hätten sie während der
massiven Gewalteinwirkungen auf die geschädigte K erkennen
können und müssen, daß sie ihr dadurch lebensgefährliche Verletzungen
beibringen können, die zum Tode führen.
Zugunsten von H und W hat die Schwurgerichtskammer
die anzuwendenden Strafrahmen jeweils gemäß §§ 21, 49 Abs. 1
StGB verschoben. Bei diesen Angeklagten, die schon am Vormittag des Tattages
gemeinsam mit dem Trinken begonnen hatten, vermochte das Landgericht
in Anschluß an die Ausführungen mehrerer Sachverständiger
- anders als bei dem Angeklagten R - eine erhebliche Beeinträchtigung
ihrer Steuerungsfähigkeit infolge Alkoholisierung zumindest nicht auszuschließen.
Bei allen Angeklagten wurde von den psychiatrischen Sachverständigen
ein langjähriger Alkoholmißbrauch festgestellt, der sich indes noch
nicht zu einem Hang im Sinne von § 64 StGB verfestigt habe.
II.
Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft
führen zur Aufhebung der Schuldsprüche.
1. Die Sachrüge führt - wie der Generalbundesanwalt zutreffend geltend
macht - über das ausdrückliche Begehren der Staatsanwaltschaft in
ihren mit der Sachrüge unbeschränkt geführten Revisionen hinaus zur Beanstandung
des Fehlens einer Begründung für die Verneinung eines - wenn
auch nur bedingten - Tötungsvorsatzes der Angeklagten.
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a) Die Abgrenzung einer bewußt fahrlässigen von einer bedingt vorsätzlichen
Tötung erfordert bei schwerwiegenden Gewalthandlungen, wie sie
das Landgericht hier festgestellt hat, eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls. Die offensichtliche Lebensgefährlichkeit
einer Handlungsweise stellt dabei für den Nachweis eines bedingten
Tötungsvorsatzes einen Umstand von erheblichem Gewicht dar (BGH
NStZ 2003, 431), weil bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter
Tötungsvorsatz nahe liegt (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter
58). Angesichts der hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten bedarf
die Frage der Billigung des Todeserfolges indes einer Gesamtschau aller
objektiven und subjektiven Tatumstände, in die auch die psychische Verfassung
des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation mit einzubeziehen
sind (vgl. BGHSt 36, 1, 10).
b) Diesen Prüfungsanforderungen werden die Ausführungen des
Landgerichts nicht gerecht. Angesichts der nach den Feststellungen vom
gemeinschaftlichen Willen aller Angeklagten getragenen massiven Einwirkungen
auf Kopf und Rumpf der erkennbar stark betrunkenen und schließlich
hilflos am Boden liegenden Opfer durch Schläge und Tritte reichte es nicht
aus, einen bedingten Tötungsvorsatz pauschal abzulehnen. Dies versteht
sich hinsichtlich der verstorbenen K angesichts der Schwere und
Vielzahl der ihr zugefügten Kopfverletzungen von selbst. Auch bezüglich des
geschädigten D läßt sich ein Tötungsvorsatz nicht ohne weiteres so
knapp ausschließen, wie dies das Landgericht getan hat; schließlich haben
die Angeklagten auch auf ihn gemeinschaftlich bis zu seiner Bewußtlosigkeit
eingeschlagen und eingetreten.
Selbst wenn dem Landgericht wegen der Beweislage und der Komplexität
des Tatablaufs eine individuelle Zuordnung einzelner Gewalttätigkeiten
weitestgehend nicht möglich war, entband dieser Umstand es nicht davon,
die Frage des Tötungsvorsatzes mit Blick auf die Gesamtheit der von
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allen Mittätern gewollten Gewalthandlungen sorgfältig zu prüfen, zumal Exzeßhandlungen
einzelner Angeklagter nicht festzustellen waren.
c) Danach bedürfen die für den Schuldspruch erforderlichen subjektiven
Tatumstände erneuter Aufklärung und Bewertung. Der neue Tatrichter
wird dabei auch den möglichen Einfluß der teils erheblichen Alkoholisierung
der Angeklagten zu bedenken haben (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz,
bedingter 55). Die fehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatablauf
können hier angesichts schwer aufklärbarer Tatumstände einerseits und
einer rechtfehlerfrei vorgenommenen Zurechnung sämtlicher Gewalthandlungen
aufgrund gemeinsamen Tatenschlusses bei Ausschluß etwaiger Exzeßtaten
andererseits bestehen bleiben. Diese Feststellungen können lediglich
um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Danach
wird für den neuen Tatrichter kein Raum sein für eine über das bisher
Festgestellte hinaus gehende Individualisierung und Aufteilung der einzelnen
Tatbeiträge auf die einzelnen Angeklagten, auch im Hinblick auf die Frage
des Tötungsvorsatzes. Bei den (bislang entgegen der Auffassung der
Staatsanwaltschaft nicht lückenhaft festgestellten) Verletzungsfolgen von
D bieten sich ergänzende Feststellungen zum Heilungsverlauf seit der
vorangegangenen Hauptverhandlung an.
d) Wird ein vorrangig zu prüfendes aktives Tötungsdelikt erneut mangels
Tötungsvorsatzes verneint, wird ein lediglich durch Unterlassen begangener
(ggf. versuchter) Totschlag im Ergebnis bei der subjektiven Befindlichkeit
der Angeklagten möglicherweise aus den gleichen Gründen ausscheiden.
Der Senat weist auf folgende - namentlich bei gruppendynamisch geprägtem
Geschehen typische - Besonderheit bei hochgradig brutalen Gewalttaten
hin: Fälle mit gedankenloser, dumpfer bloßer Verletzungsabsicht,
die mit gröbster Fahrlässigkeit hinsichtlich einer möglichen Todesfolge einhergeht,
und Fälle mit bereits bedingtem Tötungsvorsatz können in subjekti-
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ver Hinsicht so eng beieinander liegen, daß ihr Schuldgehalt - jedenfalls
beim Fehlen von Mordmerkmalen - nicht von gravierend unterschiedlichem
Gewicht ist. Das angemessene Strafmaß für Totschlag oder versuchten Totschlag
wird sich daher in solchen Fällen im Ergebnis von demjenigen für
Körperverletzung mit Todesfolge oder gefährliche Körperverletzung kaum
beträchtlich unterscheiden.
Da jedoch bei Taten dieser Art bedingter Tötungsvorsatz näherliegt als
nur grobe Fahrlässigkeit, kann der Senat die minderen Schuldsprüche auf
der Grundlage der unvertretbar knappen Begründung des Landgerichts hier
nicht hinnehmen. Das gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil jedenfalls bezogen
auf die Angeklagten W und H die Strafaussprüche Rechtsfehler
zum Vorteil der Angeklagten enthalten.
2. Der neue Tatrichter wird auch zur Schuldfähigkeit der Angeklagten
und zur Grundlage für eine etwaige Maßregel nach § 64 StGB mit sachverständiger
Hilfe eigene neue Feststellungen zu treffen haben. Der Senat weist
zudem darauf hin, daß die Staatsanwaltschaft zu Recht die zugunsten der
Angeklagten H und W infolge ihrer Alkoholisierung jeweils
vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beanstandet.
a) Die Frage einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1
StGB bei erheblicher Alkoholisierung hat der Tatrichter aufgrund einer Gesamtschau
aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände des
Einzelfalls zu entscheiden. Der grundsätzlich schuldmindernde Umstand einer
erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit kann dabei durch
schulderhöhende Umstände ausgeglichen werden. Ein solcher Ausgleich
liegt insbesondere dann nahe, wenn eine vermeidbare Alkoholisierung durch
Umstände in der Person des Täters (etwa Neigung zu Aggressionen oder
Gewalttätigkeiten unter Alkoholeinfluß) oder in der Tatsituation (etwa Trinken
in gewaltbereiten Gruppen oder gewaltgeneigten Situationen) das Risiko der
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Begehung von Gewalttaten erkennbar signifikant erhöht hat (BGH
NJW 2004, 3350, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
b) Nach diesen Maßstäben begegnet der Automatismus, mit dem das
Landgericht im angefochtenen Urteil den Angeklagten W und H
eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zugebilligt
hat, durchgreifenden Bedenken. Der Angeklagte W ist mehrfach
wegen Gewaltdelikten unter Alkoholeinfluß vorbestraft. Der Angeklagte
H hat zwar lediglich einmal im März 2002 gemeinsam mit W
im alkoholisierten Zustand eine Straftat mit gewalttätiger Entgleisung
begangen, ist aber nach eigener Einschätzung leicht reizbar, wenn er Alkohol
getrunken hat. Beide Angeklagte kannten damit die ungünstigen Wirkungen
erheblicher Alkoholisierung auf ihre Gewaltbereitschaft. Eine Ausnahme von
der unter solchen Umständen angezeigten Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung
nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB käme nur bei einer absoluten Strafdrohung
in Betracht (vgl. BGH NJW 2004, 3350, 3353, zur Veröffentlichung
in BGHSt bestimmt). Nach den getroffenen Feststellungen liegt jedoch die
Annahme von Mordmerkmalen hier fern.
III.
Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.
1. Die Verfahrensrügen versagen.
a) Das Urteil ist mit allen erforderlichen Unterschriften rechtzeitig zu
den Akten gelangt. Die Revisionen der Angeklagten W und R
beanstanden lediglich im Ansatz mit Recht, daß der Verhinderungsvermerk
mißverständlich angebracht worden ist, weil der bekundende Richter nicht
- wie vorliegend geschehen - „in Vertretung“ für den verhinderten unterschreibt,
sondern lediglich die Verhinderung mit seiner Unterschrift bestätigt
(vgl. Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 275 Rdn. 20 m.w.N.). Der Mangel ist
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letztlich indes ebenso unschädlich wie die Unterschrift direkt über dem Verhinderungsvermerk.
Aus § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO folgt lediglich, daß der
Verhinderungsvermerk wirksam „angebracht“ sein muß; aus dem unmittelbaren
räumlichen Zusammenhang zwischen Unterschrift und Vermerk ergibt
sich hier noch hinreichend eindeutig, daß die Verhinderung bezeugt werden
sollte und wer dies getan hat (vgl. Engelhardt in KK 5. Aufl. § 275 Rdn. 35).
b) Alle übrigen Verfahrenrügen sind mangels vollständigen Vortrags
der den jeweiligen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen (§ 344
Abs. 2 Satz 2 StPO) unzulässig oder zumindest offensichtlich unbegründet.
2. Auch die Sachrügen bleiben ohne Erfolg.
a) Die Feststellungen zum gemeinschaftlichen Tatenschluß beruhen
insgesamt auf tragfähiger Grundlage. Auch die Beweiswürdigung, die grundsätzlich
Sache des Tatrichters ist, begegnet keinen Bedenken. Das Landgericht
hat die den Feststellungen widersprechenden Angaben der Angeklagten
W und R insbesondere aufgrund des objektiven Spurenbildes
und der teilgeständigen Angaben des Angeklagten H in nachvollziehbarer
und vertretbarer Weise für widerlegt erachtet. Dies ist aus revisionsrechtlicher
Sicht hinzunehmen. Die gegenseitige Zurechnung der verschiedenen
körperlichen Mißhandlungen der beiden Opfer einschließlich der Zufügung
schließlich tödlicher Verletzungen ist rechtsfehlerfrei erfolgt; nach den
Feststellungen bestand zwischen allen drei Angeklagten das unausgesprochene
Einverständnis darüber, die beiden ihnen körperlich weit unterlegenen
und sich nicht wehrenden Geschädigten zu mißhandeln (vgl. auch BGH, Urteil
vom 19. August 2004 - 5 StR 218/04).
b) Insgesamt enthält die Strafzumessung bei allen Angeklagten aus
revisionsrechtlicher Sicht keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
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Daß das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit
bei dem Angeklagten R verneint hat, begegnet keinen durchgreifenden
Bedenken; zudem mußte bei ihm ohnehin eine Strafrahmenverschiebung
nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB angesichts seiner negativen Vorerfahrungen
mit Alkohol ersichtlich ausscheiden. Der neue Tatrichter wird allerdings
auch bei dem Angeklagten R - wie bei den übrigen Angeklagten
- über die Frage der Steuerungsfähigkeit und einer Maßregel nach § 64
StGB (vgl. zum Maßstab BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5) neu zu befinden
haben.
Basdorf Gerhardt Raum
Brause Schaal



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