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BGH, Urteil vom 29. Juni 2005 - 1 StR 149/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR 149/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 149/05
vom
29.6.2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Juni
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 23. November 2004 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem
Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in 16 Fällen sowie wegen unerlaubten
Besitzes einer Schußwaffe und von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 13.000
€ angeordnet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte - vom Generalbundesanwalt
vertretene - Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Gesamtstrafenausspruch
beschränkt; sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das
Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Der Angeklagte erwarb in der Zeit von 1996 bis 2001 in 16 Fällen von
einem Lieferanten aus Köln jeweils zwischen 5 und 100 kg - insgesamt
507,8 kg - Haschisch zum Weiterverkauf sowie - zu einem geringen Teil - zum
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Eigenkonsum. Im November 2003 war er ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im
Besitz einer Pistole und von Munition. Das Landgericht hat als Einzelstrafen für
das Handeltreiben mit 100 kg Haschisch eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren
(Einsatzstrafe), für die weiteren 15 Fälle des Handeltreibens jeweils eine Freiheitsstrafe
zwischen zwei Jahren und drei Jahren und zehn Monaten und für
den Verstoß gegen das Waffengesetz eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen
festgesetzt.
2. Die Gesamtstrafenbildung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine
Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung
von Tat und Täterpersönlichkeit gewonnen hat, die wesentlichen
entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und
gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel
nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das
Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder sich die verhängte
Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter
Schuldausgleich zu sein. Eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist
ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 349). Diese Grundsätze gelten auch für die
Bildung der Gesamtstrafe (BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5).
An die Begründung der Strafhöhe sind allerdings um so größere Anforderungen
zu stellen, je mehr sich die Strafe der unteren oder oberen Grenze
des Zulässigen nähert. So ist auch die Gesamtstrafenbildung dann eingehend
zu begründen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten wird
(BGHSt 24, 268, 271). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil jedoch
gerecht. Das Landgericht hat die Erhöhung der Einsatzstrafe von fünf
Jahren um lediglich ein Jahr rechtsfehlerfrei begründet.
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Die Kammer hat dabei dem Angeklagten in erster Linie ein Geständnis
"von ganz außergewöhnlichem Wert" zugute gehalten, mit dem er die im Kern
nahezu ausschließlich tragende Verurteilungsgrundlage gelegt habe und das
als eine bewußte Wahrnehmung der Verantwortung für eigenes Fehlverhalten
zu betrachten sei. Weiterhin hat sie u.a. als strafmildernd gewertet, daß der
47jährige Angeklagte nicht vorbestraft und - außerhalb seiner betäubungsmittelrechtlichen
Verfehlungen - sozial gut eingegliedert ist. Zu Lasten des Angeklagten
hat sie insbesondere den "objektiv sehr gravierenden Unrechtsgehalt"
der Taten gewertet, die allerdings zum Teil lange zurückliegen würden. Der
Senat teilt nicht die Auffassung der Staatsanwaltschaft, daß die Kammer hierbei
die hohen Gesamtmengen der gehandelten Betäubungsmittel nicht gebührend
berücksichtigt habe. Der hohe Unrechtsgehalt der Taten konnte sich hier
offensichtlich nur aus der Menge des gehandelten Haschischs ergeben, so wie
die Kammer dies in den der Festsetzung der Einzelstrafen vorangestellten
Strafzumessungserwägungen - die sich nicht auf die Beurteilung der Einzeltaten
beschränken, sondern das gesamte Tatgeschehen berücksichtigen - auch
konkret dargelegt hat. Die Revision geht, wie den Ausführungen in der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts zu entnehmen ist, im übrigen selbst -
zu Recht - davon aus, daß die Kammer den im Rahmen der Festsetzung der
Einzelstrafen angestellten allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch für
die Bemessung der Gesamtstrafe Bedeutung beigemessen hat.
Der Revision ist zwar zuzugeben, daß die Verbüßung von Untersuchungshaft
grundsätzlich nicht zu einer Strafmilderung führen muß (vgl. BGHR
StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 20). Es stellt jedoch keinen Rechtsfehler
dar, wenn das Landgericht dem Angeklagten zugute hält, daß die lange Verfahrensdauer
durch die - erstmalige - Inhaftierung noch erschwert wurde.
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Richtig geht die Revision schließlich auch davon aus, daß auch die mit
der Anordnung des Wertersatzverfalls verbundene Vermögenseinbuße in der
Regel keinen Strafmilderungsgrund darstellt (vgl. BGH NStZ 2001, 312). Das
schließt indessen nicht aus, daß das Landgericht die Höhe der Strafe und die
Anordnung des Verfalls im Hinblick auf die heutigen Vermögensverhältnisse
des Angeklagten "in gewissem Umfang" aufeinander abstimmen konnte (vgl.
BGH NStZ 1995, 491, 492).
Angesichts der umfassenden Würdigung durch die Kammer und der von
ihr hervorgehobenen Besonderheiten des vorliegenden Falles kann nicht die
Rede davon sein, die Gesamtstrafe erweise sich hier nicht mehr als gerechter
Schuldausgleich.
Nack Wahl Boetticher
Kolz Elf



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