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BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 1 StR 453/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 453/02
vom
3.7.2003
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen
Arzneimitteln außerhalb von Apotheken u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
1.7.2003 in der Sitzung am 3.7.2003, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 1.7.2003 -
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 24. April 2002
1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte schuldig
ist
a) im Komplex II. 2 der Urteilsgründe des unerlaubten Handeltreibens
mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb
von Apotheken in 306 tateinheitlich begangenen
Fällen;
b) im Komplex II. 9 a bis c der Urteilsgründe der vorsätzlichen
unerlaubten Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel
an Tierhalter in fünf tateinheitlich begangenen Fällen;
2. mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte in den Komplexen II. 3, II. 4, II. 5,
II. 6, II. 7 und II. 8 der Urteilsgründe verurteilt wurde;
b) im Ausspruch über die in den Komplexen II. 2 und II. 9 a
bis c der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen,
im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und im Ausspruch
über den Verfall des Wertersatzes.
II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte
Urteil mit den Feststellungen aufgehoben
- 4 -
1. soweit der Angeklagte im Komplex IX. 1 der Urteilsgründe
hinsichtlich der angeklagten Taten am 29. Januar 1998, am
12. und 25. Februar 1998, am 4. und 27. März 1998, am 14.,
21. und 23. April 1998, am 20. Juli 1998, am 4. und 24. August
1998, am 21. September 1998, am 6. 7. und 8. Oktober
1998, am 3. März und 16. April 1999 sowie am 4. Mai 2000
freigesprochen wurde;
2. im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe;
3. im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes und
4. soweit von der Anordnung eines Berufsverbots abgesehen
wurde.
III. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu erneuter Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
IV. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen
- 5 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten in 861 Fällen wegen Verstoßes
gegen das Arzneimittelgesetz, davon in 25 Fällen in Tateineit mit Urkundenfälschung
und in 21 Fällen in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Patentgesetz,
und in einem weiteren Fall wegen eines Verstoßes gegen das Tierseuchengesetz
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung
verurteilt. Darüber hinaus hat es den Verfall des Wertersatzes für einen Geldbetrag
von 150.000 € angeordnet. Vom Vorwurf weiterer Verstöße gegen das
Arzneimittelgesetz hat es den Angeklagten freigesprochen. Die Revision des
Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg. Die allein auf die Sachrüge
gestützte, zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft
ist ebenfalls teilweise begründet.
A.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte seine
Tierarztpraxis mit durchschnittlich zwölf angestellten Tierärzten und weiterem
nichttierärztlichen Personal und seine tierärztliche Hausapotheke so organisiert,
daß er einen möglichst großen Arzneimittelumsatz erzielte, da ihm von
den Pharmafirmen Rabatte in Form von unberechneten Zusatzlieferungen gewährt
wurden, deren Umfang sich an seinen Bezugsmengen orientierte (UA S.
476). Seinen Anweisungen entsprechend wurden verschreibungspflichtige Arzneimittel
aus seiner tierärztlichen Hausapotheke daher auch an andere, nicht
bei ihm angestellte Tierärzte verkauft. Derartige Medikamente wurden außerdem
an Tierhalter weitergegeben, ohne daß deren Tiere durch den Angeklagten
- 6 -
oder einen bei ihm angestellten Tierarzt ordnungsgemäß behandelt wurden.
Schließlich wurden verschreibungspflichtige Arzneimittel - teilweise unter irreführender
Bezeichnung - ausgereicht, die nicht für die Tierart zugelassen waren,
bei der sie angewendet werden sollten.
I. Zu den Verurteilungen hat das Landgericht im einzelnen folgende
Feststellungen und rechtliche Wertungen getroffen:
1. Fälle II. 2 bis 7 - Arzneimittelverkauf an Tierärzte - :
Zwischen Januar 1998 und Dezember 2000 wurden an 726 Tagen verschreibungspflichtige
Tierarzneimittel aus der tierärztlichen Hausapotheke des
Angeklagten an sechs nicht bei ihm angestellte Tierärzte verkauft. Als Entgelt
erhielt der Angeklagte von einem als freier Mitarbeiter bei ihm tätigen Tierarzt
(Komplex II. 2) und von zwei weiteren Tierärzten (Komplexe II. 5 und 7) den
Einkaufspreis der jeweiligen Medikamente zuzüglich eines prozentual aus diesem
Betrag bestimmten Aufschlags. Drei weiteren Tierärzten (Komplexe II. 3, 4
und 6) wurde lediglich der Einkaufspreis in Rechnung gestellt, was die Kammer
als Verkauf ohne Gewinn gewertet hat. Zu den Tathandlungen des Angeklagten
hat die Kammer in den Fällen II. 4 und II. 6 festgestellt, daß es sich um Einzelgeschäfte
handelte, die er persönlich vornahm. In den Fällen II. 2 und 3 ergeben
sich aus den Feststellungen der Kammer keine Anhaltspunkte für eine
konkrete Beteiligung des Angeklagten an einzelnen Verkaufsvorgängen. Für
die Fälle II. 5 und II. 7 hat sie ohne nähere Konkretisierung festgestellt, daß die
Tierärzte die Medikamente "in den meisten Fällen" selbst abholten und der Angeklagte
dann auch "zumeist" persönlich anwesend war.
- 7 -
Die Kammer sah in allen Fällen, in denen der Angeklagte vor dem
11. September 1998 - dem Zeitpunkt, zu dem das Achte Gesetz zur Änderung
des Arzneimittelgesetzes vom 7. September 1998 (BGBl. I S. 2649) in Kraft
trat - Arzneimittel verkaufte (39 der Verkaufsvorgänge aus II.3, 33 der Verkaufsvorgänge
aus II. 5 und 17 der Verkaufsvorgänge aus II. 7), den Tatbestand
des unerlaubten Inverkehrbringens verschreibungspflichtiger Arzneimittel
außerhalb von Apotheken nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1 AMG in der Fassung
der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBl I S. 3018, im folgenden
AMG a. F.) als erfüllt an. In den in der Zeit ab dem 11. September 1998
liegenden Fällen sah sie ein unerlaubtes Handeltreiben mit Arzneimitteln nach
§ 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1 S. 2 AMG, wenn der Angeklagte mit Gewinn verkaufte
(sämtliche Verkaufsvorgänge aus II. 2, sowie die verbleibenden Verkaufsvorgänge
aus II. 5 und II. 7), und eine "vorsätzliche unerlaubte Abgabe
verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken gemäß § 95
Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1 S. 2 AMG", wenn der Angeklagte ohne Aufschlag auf
den Einkaufspreis verkaufte (verbleibende Verkaufsvorgänge aus II. 3 und die
Fälle II. 4 und II. 6). In allen Fällen hat die Kammer für jeden einzelnen festgestellten
Abgabetag eine selbständige Handlung des Angeklagten angenommen.
2. Fälle II. 8 - Arzneimittelverkauf an einen Pharmareferenten - :
An zwei Tagen wurden einem Pharmareferenten vor dem 11. September
1998 verschreibungspflichtige Tierarzneimittel aus der tierärztlichen Hausapotheke
des Angeklagten zum Einkaufspreis ausgehändigt.
- 8 -
Diesen Sachverhalt würdigt die Kammer als unerlaubtes Inverkehrbringen
verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken nach § 95
Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1 AMG a.F. in zwei selbständigen Fällen.
3. Fälle II. 9a bis c - Arzneimittelverkauf an Tierhalter durch Mitarbeiter
in der tierärztlichen Hausapotheke - :
Der Angeklagte hatte das nichttierärztliche Personal seiner Praxis angewiesen,
verschreibungspflichtige Arzneimittel an Tierhalter ohne Zuziehung
eines Tierarztes zu verkaufen, wenn die Kunden den Namen des Arzneimittels
kannten. Daraufhin wurden derartige Medikamente aus seiner Hausapotheke
an drei Landwirte in fünf Einzelfällen verkauft. Der Angeklagte war an den Verkaufsvorgängen
selbst nicht beteiligt.
Das Landgericht hat den Sachverhalt als fünf in Tatmehrheit stehende
Fälle der vorsätzlichen unerlaubten Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel
an Tierhalter gewürdigt, §§ 95 Abs. 1 Nr. 8, 56a Abs. 1 Nr. 1 AMG.
4. Fälle II. 10 bis 12 - Arzneimittelverkauf an Tierhalter ohne persönliche
Untersuchung der Tiere durch einen Tierarzt bzw. ohne Anweisungen zur Anwendung
der Arzneimittel und ohne Überwachung des Behandlungserfolges - :
Vor Weihnachten 2000 ließ der Angeklagte an einen Zuchtsauenbetrieb
ein verschreibungspflichtiges Tierarzneimittel gegen Räude ausliefern, das die
Tierhalter nach telefonischer Rücksprache mit ihm in seiner Praxis bestellt
hatten (Fall II. 10). An einen Legehennenhalter, dessen Tiere an Kokzidiose
litten, verkaufte er im September 1998 das verschreibungspflichtige Tierarz-
9 -
neimittel Baycox (Fall II. 11). In beiden Fällen untersuchte er die Tiere zu keinem
Zeitpunkt. Darüber hinaus lieferte der Angeklagte im Jahr 2000 bei 13
Gelegenheiten verschreibungspflichtige Tierarzneimittel an einen Schweinemastbetrieb
mit einem Bestand von 25.000 Tieren (Fälle II. 12). Die Tierpflege
war hier in zwei Abteilungen organisiert, wobei je einem Abteilungsleiter zwei
weitere Tierpfleger zugeordnet waren. Vor der ersten Lieferung im Juni 2000
hatte der Angeklagte den Tierbestand bei einem zweistündigen Stalldurchgang
mit einem der Abteilungsleiter untersucht. Mit diesem Abteilungsleiter telefonierte
er zwischen Juni und September vier bis sechs mal. Mit dem anderen
Abteilungsleiter führte der Angeklagte in der Folgezeit drei bis vier Stalldurchgänge
durch, die ca. ein bis zwei Stunden dauerten. Zwei weitere Stalldurchgänge
führte er mit zwei angestellten Tierärzten zu nicht mehr genau feststellbaren
Zeitpunkten durch. Mit dem übrigen Stallpersonal hatte der Angeklagte
keinen Kontakt. Neben dem Angeklagten war eine ortsansässige Tierärztin in
dem Betrieb tätig. Sie führte wöchentlich einen ca. dreistündigen Stalldurchgang
durch und beriet das Stallpersonal bei der Dosierung und Anwendung der
vom Angeklagten gelieferten Arzneimittel. Sie wurde auch konsultiert, wenn
einzelne Tiere erkrankten. Bei der Behandlung mußte sie die vom Angeklagten
gelieferten Medikamente verwenden und durfte nicht auf den Bestand ihrer eigenen
Hausapotheke zurückgreifen.
Die Kammer hat den Sachverhalt als vorsätzliche unerlaubte Abgabe
verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter entgegen § 56a Abs. 1 Nr.
1 AMG gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 8 AMG in 15 tatmehrheitlichen Fällen gewürdigt.
5. Fall II. 13 - Anabolikaverkauf an einen Bodybuilder - :
- 10 -
Nach Rücksprache mit dem Angeklagten verkaufte eine seiner Praxisangestellten
zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Januar 2001 aus
der tierärztlichen Hausapotheke gewinnbringend ein Anabolikum an einen Bodybuilder,
das dieser, wie der Angeklagte wußte, bei sich selbst anwenden
wollte.
Diesen Sachverhalt hat die Kammer als vorsätzliches unerlaubtes Handeltreiben
mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken
in Tateinheit mit vorsätzlicher unerlaubter Abgabe von Arzneimitteln zu
Dopingzwecken gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2a, Nr. 4, 6a Abs. 1, 43 Abs. 1 S. 2
AMG gewürdigt.
6. Verkauf von Tierarzneimitteln, die nicht oder nicht für die Tierart, bei
der sie angewendet werden sollten, zugelassen waren, und von Tierarzneimitteln
unter irreführender Bezeichnung nach dem 10. September 1998.
a) Fall II. 14 - Acetylsalicylsäure - :
In 31 jeweils von ihm veranlaßten Lieferungen mit einem Gesamtgewicht
von 2.900 kg bezog der Angeklagte nicht verschreibungspflichtige Acetylsalicylsäure,
um das Medikament anschließend entweder selbst oder überwiegend
durch seine angestellten Tierärzte an Tierhalter gewinnbringend zu verkaufen.
Das Arzneimittel ist nicht in Reinform, sondern nur als Kombinationspräparat
zur Anwendung bei Tieren zugelassen.
Die Kammer hat diesen Sachverhalt als Inverkehrbringen von Arzneimitteln,
die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, ohne Zulassung entge-
11 -
gen § 21 Abs. 1 AMG gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 5 AMG in 31 selbständigen Fällen
gewürdigt. Das Tatbestandsmerkmal des Inverkehrbringens hat sie bei jeder
der 31 Bestellungen bereits durch die Einlagerung in der Hausapotheke in der
Absicht, das Medikament als Tierarzneimittel zu verkaufen, als erfüllt angesehen.
Die späteren Verkäufe hat sie als unselbständige Teilakte im Sinne einer
Bewertungseinheit behandelt. Soweit die Verkäufe durch angestellte Tierärzte
vorgenommen wurden, hat die Kammer angenommen, daß der Angeklagte als
mittelbarer Täter gehandelt habe. Aufgrund seiner führenden Rolle als uneingeschränkter
Chef der Tierarztpraxis habe er zu jedem Zeitpunkt Tatherrschaft
gehabt.
b) Fall II. 15 - Nergen - „T 1“ - :
In 13 jeweils von ihm selbst georderten Einzellieferungen bezog der Angeklagte
das cortisonhaltige Medikament Nergen, das zu diesem Zeitpunkt
nicht mehr zur Anwendung bei Lebensmittel liefernden Tieren zugelassen war.
Da er sich über dieses Verbot hinwegsetzen wollte, ließ er die Etiketten jeweils
kurz nach der Lieferung von einem Angestellten ablösen und die Flaschen mit
der Aufschrift „T1“ versehen, um den Medikamentenwirkstoff zu verschleiern.
Auf Empfehlung des Angeklagten wurde das Mittel in der Folge von seinen angestellten
Tierärzten an Tierhalter zur Behandlung Lebensmittel liefernder Tieren
gewinnbringend verkauft.
Die Kammer hat den Sachverhalt als unerlaubte Abgabe verschreibungspflichtiger
Arzneimittel an Tierhalter entgegen § 56a Abs.1 Nr. 3 AMG in
Tateinheit mit unerlaubtem Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender
Bezeichnung in 13 selbständigen Fällen gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 8, 96 Nr.
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3 AMG gewürdigt. Auch hier hat die Kammer alle Verkäufe aus einer Lieferung
zu einer Bewertungseinheit zusammengefaßt und ist in den Fällen, in denen
angestellte Tierärzte verkauften, von mittelbarer Täterschaft des Angeklagten
ausgegangen.
c) Fall II. 16 - Leptospirose-Impfstoff - :
Der Angeklagte verkaufte einen in der Bundesrepublik nicht zugelassenen
amerikanischen Impfstoff gegen Leptospirose an einen Zuchtsauenhalter.
Die Kammer hat den Sachverhalt als vorsätzliche unerlaubte Abgabe
nicht zugelassener Impfstoffe gemäß §§ 75 Nr. 1, 17c Abs. 1 Satz 1 Tierseuchengesetz
gewürdigt.
d) Fall II. 17 - Baytril orale Lösung - Injektionslösung - :
Das verschreibungspflichtige Medikament Baytryl ist als orale Lösung für Hühner
und Puten zugelassen. Als Injektionslösung enthält es einen anderen Konservierungsstoff
und ist für Schweine und Rinder zugelassen. Der Angeklagte
ließ Teilmengen aus 25 jeweils von ihm gesondert angeforderten Lieferungen
der oralen Lösung des Medikaments unter unhygienischen Umständen durch
seinen Lagerarbeiter auf Injektionsflaschen umfüllen. Auf den Flaschen mit der
nun nicht mehr sterilen Lösung hatte das Personal ein den Originaletiketten für
Baytril-Injektionslösung vollständig nachgebildetes Etikett anzubringen, das der
Angeklagte eigens hatte drucken lassen. Der Angeklagte verkaufte die so gekennzeichneten
Flaschen selbst gewinnbringend an die Inhaber eines Schweinezuchtbetriebs,
die das Medikament „nach seinen Vorgaben zur Anwendung“
bei ihren Tieren brachten (UA S. 243).
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Die Kammer hat diesen Sachverhalt als Urkundenfälschung gemäß
§ 267 StGB in 25 Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher unerlaubter Abgabe
verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter entgegen § 56a Abs.
1 Nr. 3 AMG gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 8 AMG, weiter in Tateinheit mit vorsätzlichem
unerlaubten Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung
entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG gemäß § 96 Nr. 3 AMG und in Tateinheit
mit vorsätzlichem unerlaubten Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit
nicht unerheblicher Qualitätsminderung entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 AMG gemäß
§ 96 Nr. 2 AMG gewürdigt.
e) Fall II. 18: Strepdipen - „Straubitrad“ - :
Teilmengen aus 22 jeweils vom Angeklagten veranlaßten Einzellieferungen des
verschreibungspflichtigen Depot-Penicillins „Strepdipen“ wurden auf Anweisung
des Angeklagten mit einem neuen Etikett versehen. Dieses bezeichnete
den Angeklagten als Hersteller des Medikaments „Straubitrad“ und deklarierte
dessen Inhaltsstoffe falsch. Durch das Verbergen des wahren Hersteller- und
Produktnamens sollten die Kunden an den Angeklagten gebunden werden. Er
verkaufte das Medikament mit Gewinn an Tierhalter.
Die Kammer hat den Sachverhalt als vorsätzliches unerlaubtes Inverkehrbringen
von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung entgegen § 8
Abs. 1 Nr. 2 AMG gemäß § 96 Nr. 3 AMG in 22 tatmehrheitlichen Fällen gewürdigt.
Auch in diesem Fall hat sie die Weiterverkäufe aus jedem Beschaffungsvorgang
zu einer Bewertungseinheit zusammengefaßt. Soweit der Ver-
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kauf durch seine angestellten Tierärzte erfolgte, hat sie mittelbare Täterschaft
des Angeklagten angenommen.
f) Fall II. 19: Metacam - „Straubinger Plus“ - :
In 21 Einzellieferungen bezog der Angeklagte das verschreibungspflichtige,
nur zur Anwendung bei Rindern zugelassene Medikament „Metacam“, für
dessen Wirkstoff „Meloxicam“ im Tatzeitraum ein Schutzzertifikat der Firma
Dr. Karl Thomae GmbH bestand. Teile jeder Lieferung wurden auf Anweisung
des Angeklagten von seinen Angestellten mit einem selbst hergestellten Etikett
„Straubinger Plus - Injektionslösung für Schweine“ beklebt. Durch die Umetikettierung
wollte er die Landwirte enger an sich binden. Aus dem Verkauf des
Medikaments - teilweise durch seine angestellten Tierärzte - an Landwirte, die
ausschließlich Schweine hielten, aber auch an Tierhalter, die ausschließlich
Rinder oder auch Rinder und Schweine hatten - erzielte der Angeklagte Gewinn.
Die Kammer hat diesen Sachverhalt gewürdigt als 21 Fälle des gewerbsmäßigen
Inverkehrbringens eines Arzneimittels unter Verletzung eines
ergänzenden Schutzzertifikats gemäß §§ 142 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 16a, 49a
Patentgesetz jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher unerlaubter Abgabe verschreibungspflichtiger
Arzneimittel an Tierhalter entgegen § 56a Abs. 1 Nr. 3
AMG gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 8 AMG, außerdem in Tateinheit mit vorsätzlichem
unerlaubtem Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung
entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG gemäß § 96 Nr. 3 AMG.
- 15 -
II. Soweit die erfolgten Freisprüche von der Revision der Staatsanwaltschaft
angegriffen sind, hat die Kammer folgendes festgestellt:
1. Fälle IX. 1 - weitere Verkäufe an den Tierarzt aus dem Komplex
II. 3 - :
Nach der zugelassenen Anklage lag dem Angeklagten zur Last, über die
unter II. 3 abgeurteilten Fälle hinaus an 29 Tagen zwischen Januar 1998 und
Mai 2000 weitere verschreibungspflichtige Arzneimittel an den Tierarzt abgegeben
zu haben. Die Beweisaufnahme ergab, daß es sich bei den an diesen
Tagen verkauften Arzneimitteln nicht um verschreibungspflichtige Medikamente
handelte. Teilweise waren die verkauften Produkte freiverkäuflich. Daneben
wurden Impfstoffe einer Art verkauft, auf die gemäß § 80 Nr. 1 AMG das
Arzneimittelgesetz keine Anwendung findet, außerdem lediglich apothekenpflichtige
Arzneimittel oder beides.
Nach Auffassung der Kammer fehlt es hinsichtlich der apothekenpflichtigen
Arzneimittel an der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklage.
Denn diese habe die Tat nur durch die Beschreibung „Verkauf verschreibungspflichtiger
Arzneimittel“ bezeichnet. Von diesem Begriff seien lediglich „apothekenpflichtige
Arzneimittel“ nicht erfaßt. Soweit Impfstoffe weitergegeben worden
seien, sei das Arzneimittelgesetz nicht einschlägig. Auch § 31 Tierimpfstoffverordnung
sei nicht erfüllt, da der Schutzzweck der Norm durch die Weitergabe
an einen anderen Tierarzt nicht berührt werde.
2. Fälle IX. 3 - Weiterer Medikamentenverkauf an Tierhalter in der tierärztlichen
Hausapotheke des Angeklagten - :
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Nach der zugelassenen Anklage lagen dem Angeklagten weitere zehn
Verkaufsvorgänge in seiner tierärztlichen Hausapotheke zur Last, bei der die
Angestellten Medikamente an Tierhalter weitergaben, ohne daß deren Tiere
durch den Angeklagten oder einen seiner angestellten Tierärzte behandelt
worden seien.
Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, daß die Ausreichungen,
die tatsächlich stattfanden, mit Wissen und Wollen des Angeklagten geschahen.
In allen Fällen konnte sie nicht ausschließen, daß die Weitergabe
durch einen der beim Angeklagten angestellten Tierärzte veranlaßt worden
war. Eine Anweisung des Angeklagten an seine Tierärzte, Medikamente auch
ohne Behandlung oder ohne ordnungsgemäße Behandlung abzugeben, konnte
die Kammer nicht feststellen.
B. Revision des Angeklagten
I. Die Verfahrensrüge, der Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen
Prof. Dr. U. sei zu Unrecht abgelehnt worden, ist unbegründet.
1. Der Ablehnungsantrag stützt sich auf einen Artikel des Sachverständigen
im Deutschen Tierärzteblatt, in dem er sich mit einem vom Bundesrat
eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung tierarzneimittelrechtlicher
Vorschriften“ befaßte. Dort finden sich nach einer Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens
und der Reaktionen darauf in der Tierärzteschaft unter
- 17 -
der gemeinsamen Zwischenüberschrift „Bestand des tierärztlichen Dispensierrechts
war und ist stark gefährdet“ folgende insbesondere beanstandeten Aussagen:
„Der aktuelle Anlaß für die Reform des Dispensierrechts war der so genannte
Schweinemastskandal, der durch eine Großrazzia der Polizei bei Tierärzten
und Schweinemästern in Bayern am 17. Januar 2001 aufgedeckt wurde.
.... Es war und ist unbestritten, daß die überwiegende Mehrzahl der Tierärzte
sorgfältig mit ihrem Dispensierrecht umgeht und daß es andererseits nicht nur
einzelne schwarze Schafe in ihren Reihen sind, die vorsätzlich und wiederholt
gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften verstoßen haben.“ In der Folge beschreibt
der Autor die Vorteile des tierärztlichen Dispensierrechts, die Gründe
für die Notwendigkeit einer Reform, die Ziele des Reformentwurfs und die beabsichtigten
Einzelregelungen.
2. Diese Äußerungen gaben keinen Anlaß, an der Unparteilichkeit des
Sachverständigen zu zweifeln. Die Kammer hat den gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag
daher zu Recht als unbegründet verworfen.
Denn in der Regel liegt kein Grund zu Zweifeln an der Unparteilichkeit
eines Sachverständigen vor, wenn er sich im Rahmen seiner Berufsausübung -
etwa in Publikationen, bei Lehrveranstaltungen oder auf Fachtagungen - zu
einer Frage aus seinem Fachgebiet allgemein äußert oder hierzu im Rahmen
der Erstattung eines Gutachtens besonders Stellung nimmt. Innerhalb dieses
Rahmens abgegebene Äußerungen rechtfertigen die Besorgnis seiner Befangenheit
grundsätzlich nicht, mag der Sachverständige dabei auch eine wissenschaftliche
Meinung vertreten, die sich in einem anhängigen Strafverfahren
zum Nachteil des Angeklagten auswirken würde (BGH, Urt. vom 2. August
1995 - 2 StR 221/94).
- 18 -
Der Artikel des Sachverständigen stellt eine solche allgemeine Äußerung
im Rahmen seiner Berufsausübung dar. Nach Thematik und Adressatenkreis
ist er nicht darauf gerichtet, auf das Verfahren gegen den Angeklagten
Einfluß zu nehmen. Vielmehr geht es darin um allgemeine Fragen aus dem
Fachgebiet des Sachverständigen. Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus,
daß der Artikel die Durchsuchungen erwähnt, die zugleich beim Angeklagten
und bei anderen Tierärzten sowie bei Schweinemästern durchgeführt worden
waren. Denn in diesem Zusammenhang werden lediglich die allgemein bekannt
gewordenen Vorgänge und die Reaktionen der Öffentlichkeit darauf berichtet,
ohne daß der Angeklagte individualisiert und ohne daß eine eigene Meinung
des Sachverständigen gerade zum Verhalten des Angeklagten geäußert würde.
Auch die zweite zitierte Passage vermag bei einem vernünftigen Leser
nicht den Eindruck zu erwecken, daß der Sachverständige den Angeklagten
persönlich als „schwarzes Schaf“ unter den Tierärzten betrachte, der sein Dispensierrecht
mißbraucht habe. Das gilt selbst dann, wenn sie im Zusammenhang
mit dem Hinweis auf den "Schweinemastskandal" betrachtet wird. Ersichtlich
soll nämlich nicht das konkrete Verhalten bestimmter Personen bewertet
werden, sondern es wird allgemein abgeschätzt, in welchem Ausmaß es unter
der bisherigen Regelung zu Mißbräuchen des tierärztlichen Dispensierrechts
gekommen war.
II. Die Sachrüge ist begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung
wegen der Arzneimittelgeschäfte mit Tierärzten und einem Pharmareferenten
(Komplexe II. 2 bis II. 8) und gegen die Verurteilung wegen des Arzneimittelverkaufs
an Tierhalter durch Mitarbeiter seiner tierärztlichen Hausapotheke
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(Komplexe II. 9a bis II. 9 c) richtet. Damit unterliegt auch die Verfallsanordnung
der Aufhebung. Im übrigen ist die Revision unbegründet.
1. Zurecht beanstandet die Revision die Verurteilung des Angeklagten
wegen unerlaubten Inverkehrbringens verschreibungspflichtiger Arzneimittel
außerhalb von Apotheken nach § 43 Abs. 1, § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG a.F. in den
Komplexen II. 3, II. 5, II. 7 und II. 8 sowie die Verurteilung wegen unerlaubter
Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken in den
Komplexen II. 3, II. 4 und II. 6. Darüber hinaus ist die Annahme rechtlich jeweils
selbständiger Taten für jeden einzelnen Verkaufsvorgang in den Fällen II. 2, II.
3, II. 5, II. 7 und II. 9a bis c nicht tragfähig begründet.
a) Entgegen der Auffassung der Revision erweist sich die Verurteilung in
den Komplexen II. 2 bis II. 8 nicht bereits deshalb als rechtsfehlerhaft, weil sich
aus der Regelung des Arzneimittelgesetzes eine Erlaubnis zur Abgabe von
Arzneimitteln von Tierarzt zu Tierarzt oder von Tierarzt zu Pharmareferent ergäbe.
Denn das Arzneimittelgesetz verbietet eine solche Weitergabe. Gemäß
§ 47 Abs. 1 Nr. 6 AMG dürfen Großhändler und pharmazeutische Unternehmer
Tierarzneimittel an Tierärzte abgeben. Jedem, der nicht zu diesem Kreis gehört
- also auch Tierärzten -, ist gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 AMG das Handeltreiben mit
apothekenpflichtigen Arzneimitteln verboten. Insbesondere ergibt sich aber aus
§ 47 Abs. 2 Satz 1 AMG, daß Tierärzte nicht zugleich als Großhändler tätig
sein dürfen. Sie dürfen nämlich nur in dem Umfang Arzneimittel beziehen, in
dem sie sie bei den von ihnen behandelten Tieren einsetzen. Nach § 95 Abs. 1
Nr. 5 AMG ist ein Verstoß gegen diese Bezugsbeschränkung strafbewehrt. Auf
diese Weise soll verhindert werden, daß der Tierarzt die für Großhändler geltenden
Nachweisbestimmungen in § 47 Abs. 1a und 1b AMG umgeht, die für
- 20 -
ihn nicht gelten. Durch die Vorschriften soll der illegale Markt mit Tierarzneimitteln
eingedämmt werden, der insbesondere durch die Gewährung von Naturalrabatten
geschaffen wird (BT-Drucks. 9/2221, S. 27).
Diesem Zweck dienen auch § 54 Abs. 2a AMG und die danach ergangene
§ 9 BetriebsVO-Großhandel (Kloesel/Cyran Arzneimittelrecht Kommentar
A 1.6), wonach eine amtliche Anerkennung benötigt, wer Großhandel mit Arzneimitteln
betreibt, die bei nahrungsmittelliefernden Tieren angewendet werden
sollen. Wer ohne eine solche Anerkennung einen Großhandel betreibt, handelt
ordnungswidrig, § 10 Nr. 1b BetriebsVO-Großhandel.
b) Jedoch tragen die Feststellungen des Landgerichts zu 39 Geschäften
aus II. 3, zu 33 Geschäften aus II. 5 und zu 17 Geschäften aus II. 7, bei denen
der Angeklagte vor dem 11. September 1998 verschreibungspflichtige Arzneimittel
an Tierärzte verkaufte, sowie die Feststellungen zu den Verkäufen an
einen Pharmareferenten (Fälle II. 8) nicht die rechtliche Würdigung, dies erfülle
den Tatbestand des unerlaubten Inverkehrbringens verschreibungspflichtiger
Arzneimittel außerhalb von Apotheken gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs.
1 AMG a.F..
Nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1 AMG a. F. machte sich strafbar, wer
verschreibungspflichtige Arzneimittel entgegen § 43 Abs. 1 AMG im Einzelhandel
außerhalb einer Apotheke in den Verkehr brachte. Unter Einzelhandel
verstand die Rechtsprechung jede auf unmittelbare Versorgung des Endverbrauchers
gerichtete berufs- oder gewerbsmäßige Tätigkeit (BGH StV 1998,
663).
- 21 -
Der Angeklagte handelte zwar auch bei den Geschäften berufsmäßig,
bei denen er die Arzneimittel nach der Wertung des Landgerichts zum Selbstkostenpreis
abgab (vgl. Kloesel-Cyran, Arzneimittelrecht Kommentar AMG § 54
Nr. 18). Die Kammer hat jedoch keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen,
daß die Abgaben auf unmittelbare Versorgung des Endverbrauchers
gerichtet waren. Abhängig von den Umständen des Einzelfalles kann der Käufer
- hier ein Tierarzt oder auch der Pharmareferent - nämlich Endverbraucher
oder aber selbst Händler sein. Wendet der Arzt das Medikament selbst am Patienten
an, ohne daß es seine Verfügungsgewalt verläßt, wie etwa im Fall des
Sprechstundenbedarfs, ist er Endverbraucher. Gelangt das Medikament vor
der Anwendung in die Verfügungsgewalt eines anderen, ist der Käufer nicht
mehr Endverbraucher; dies ist dann derjenige, der es am Patienten anwendet
(vgl. zu dieser für den Bereich der Humanmedizin gängigen Differenzierung
Kloesel-Cyran, Arzneimittelrecht Kommentar AMG § 43 Nr.7). Die Kammer hat
jeweils offen gelassen, ob die kaufenden Tierärzte die Medikamente den Tieren
selbst verabreichten - und dann Endverbraucher waren - oder ob sie die
Arzneimittel an die Tierhalter zur Anwendung bei ihren Tieren weitergaben (UA
428, 432, 437). Nur im ersten Fall wäre eine Strafbarkeit aus den §§ 95 Abs. 1
Nr. 4, 43 Abs. 1 AMG a. F. gegeben. In den Fällen der Abgabe an den Pharmareferenten
fehlen Feststellungen dazu, wie dieser die Arzneimittel verwendete.
In allen Fällen sind daher weitere Feststellungen erforderlich.
c) Darüber hinaus erfüllt die Weitergabe von verschreibungspflichtigen
Arzneimitteln zum Selbstkostenpreis, wie sie für die jeweils nach dem 10.
September 1998 abgewickelten verbleibenden 232 Einzelgeschäfte aus dem
Komplex II. 3 und für die Fälle II. 4 und 6 festgestellt wurde, den Tatbestand
- 22 -
von § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1 S. 2 AMG entgegen der Auffassung des
Landgerichts nicht.
aa) Nach der am 11. September 1998 in Kraft getretenen Fassung des
§ 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG wird bestraft, wer „entgegen § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
oder 3 Satz 1 mit Arzneimitteln, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben
werden dürfen, Handel treibt oder diese Arzneimittel abgibt“. Einschlägige
Verbotsnorm ist im vorliegenden Fall § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG, der
verlangt, daß außerhalb der Apotheken mit den Apotheken vorbehaltenen Arzneimitteln
kein "Handel getrieben" werden darf. Soweit in der Strafnorm des
§ 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG auch die "Abgabe" von Arzneimitteln angeführt ist, kann
sich dies nur auf die beiden anderen Verbotsnormen des § 43 Abs. 2 AMG
(Abgabe durch juristische Personen an ihre Mitglieder) und des § 43 Abs. 3
Satz 1 AMG (Abgabe auf Verschreibung außerhalb der Apotheken) beziehen.
Da in § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG nur von Handeltreiben und nicht von Abgabe die
Rede ist, setzt ein Verstoß gegen diese Vorschrift ein Handeltreiben voraus.
Eine andere Auslegung würde schon die Grenze des Wortlauts der Vorschrift
überschreiten.
Diese Abgrenzung des Handeltreibens nach § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG
von der Abgabe nach § 43 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 AMG, die bereits die bis
1998 geltende Fassung der § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 AMG durch die Gegenüberstellung
des "Inverkehrbringens im Einzelhandel außerhalb einer Apotheke
entgegen § 43 Abs. 1" und der "Abgabe entgegen § 43 Abs. 2 oder 3" unzweideutig
zum Ausdruck brachte, wird auch durch systematische Überlegungen
bestätigt. Das Inverkehrbringen verschreibungspflichtiger Arzneimittel entgegen
§ 43 Abs. 1 S. 1 AMG stellt nach § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG eine Ordnungs-
23 -
widrigkeit dar. Wollte man § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG wie das Landgericht dahin
interpretieren, daß jede Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb
von Apotheken strafbar wäre, würde danach die Strafbarkeit weiter reichen
als das arzneimittelrechtliche, nur bußgeldbewehrte Verbot in § 43 Abs. 1
S. 1 AMG, das lediglich das berufs- und gewerbsmäßige Inverkehrbringen für
den Endverbrauch erfaßt.
bb) Ein Handeltreiben i. S. von § 43 Abs. 1 S. 2, 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG
ergibt sich - wovon das Landgericht zu Recht ausgeht - nicht bereits aus der
festgestellten Entgeltlichkeit der Geschäfte.
Das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens ist hier ebenso zu verstehen
wie im Betäubungsmittelrecht. Danach reicht die bloße Entgeltlichkeit
nicht. Vielmehr muß sich für den Täter bei objektiver Betrachtung eigener Nutzen
aus dem Umsatzgeschäft selbst ergeben, so daß der Verkauf zum Selbstkostenpreis
zwar eine entgeltliche Veräußerung, aber kein Handeltreiben darstellt
(st. Rspr., vgl. dazu BGH StV 1985, 235; BGH, Beschl. vom 4. September
1996 - 3 StR 355/96, BGH, Beschl. vom 15. November 2000 - 2 StR 431/00;
Körner, BtMG 5. Aufl. Teil B Vorbem. Rdn. 97, Pelchen in Erbs/Kohlhaas AMG
§ 95 Rdn. 9).
Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergeben sich keine durchgreifenden
Einwände gegen diese Auffassung. Allerdings erfolgte die Änderung des § 43
Abs. 1 AMG im Jahre 1998, um klarzustellen, inwieweit berufs- und gewerbsmäßige
sowie entgeltliche Arzneimittelgeschäfte verboten sein sollten. Durch
die Änderung von § 43 Abs. 1 S. 1 AMG sollte die bis dahin in der Rechtsprechung
nicht endgültig entschiedene Frage geklärt werden, ob das Tatbe-
24 -
standsmerkmal „im Einzelhandel“ i. S. des § 43 AMG a. F. neben einer Berufsoder
Gewerbsmäßigkeit auch die Entgeltlichkeit des Geschäfts erfordere. Darüber
hinaus wurde im neu eingefügten Absatz 1 S. 2 bestimmt, daß außerhalb
von Apotheken mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln nur in den im Gesetz
genannten Ausnahmefällen (insbesondere Großhandel) Handel getrieben werden
dürfe. In der Gesetzesbegründung wird dies in dem Sinn verstanden, daß
apothekenpflichtige Arzneimittel außerhalb von Apotheken selbst dann nicht
entgeltlich abgegeben werden dürften, wenn dies nicht berufs- oder gewerbsmäßig
geschehe (BT-Drucks. 13/9996, S. 16; Pelchen in Erbs/Kohlhaas AMG
§ 43 Rdn. 4; Kloesel-Cyran Arzneimittelrecht Kommentar AMG § 43 Nr. 9).
Selbst wenn damit ein entsprechender Wille des Gesetzgebers vorgelegen haben
sollte, jedes entgeltliche Geschäft mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln
außerhalb von Apotheken zu verbieten, hat sich dieser Wille im Gesetzeswortlaut
nicht niedergeschlagen. Eine vom Verständnis des Tatbestandsmerkmals
„Handeltreiben“ im Betäubungsmittelrecht abweichende Interpretation im
Arzneimittelrecht wäre wegen des engen Zusammenhangs zwischen beiden
Gesetzesmaterien nicht sachgerecht.
cc) Die bloße Abgabe von Arzneimitteln stellt sich auch nicht als Unterfall
des Handeltreibens dar, wie das Landgericht wohl meint, indem es ausführt,
die Abgabe sei "im Handeltreiben erfaßt" (UA 404). Denn beide Tatbestände
überschneiden sich, ohne daß einer vollständig in anderen enthalten wäre.
Während eine Arzneimittelabgabe nur dann vorliegt, wenn einem anderen die
tatsächliche Verfügungsgewalt über das Medikament verschafft wird, wobei es
nicht darauf ankommt, ob damit Gewinn erzielt werden soll, verlangt das Handeltreiben
gerade die Absicht zur Gewinnerzielung. Dagegen ist der Tatbestand
des Handeltreibens nicht nur dann erfüllt, wenn die Verfügungsgewalt
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über das Medikament bereits tatsächlich weitergegeben ist. Es sind daher Fälle
denkbar, in denen beide Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, aber auch solche,
in denen nur eines der beiden Merkmale vorliegt.
d) Darüber hinaus beanstandet die Revision zu Recht, daß die Kammer
in den Komplexen II. 2 (Dr. E. ), II. 3 (Dr. N. ), II. 5 (Dr. Ne. ), II. 7
(Dr. v. R. ) und II. 9 a bis c (Abgabe durch Mitarbeiter an Tierhalter in der
tierärztlichen Hausapotheke) jeden Abgabevorgang als selbständige Tat des
Angeklagten gewertet hat.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage,
ob mehrere Straftaten, die im Rahmen einer Deliktserie von mehreren Personen
in verschiedenen Rollen als Täter oder sonst Beteiligte begangen werden,
tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden der Beteiligten
gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist der konkrete
Umfang des Tatbeitrages jedes Tatbeteiligten. Hat ein (mittelbarer) Täter durch
lediglich eine Einflußnahme - z. B. die Organisation des Geschäftsbetriebes
oder eine Anweisung - auf den oder die Tatmittler oder Gehilfen bewirkt, daß
diese mehrere für sich genommen selbständige Taten begehen, werden diese
in der Person des (mittelbaren) Täters zur Tateinheit verbunden, da sie letztlich
allein auf dessen einmaliger Einwirkung auf die übrigen Beteiligten beruhen
(vgl. nur BGH, Beschl. v. 10. Mai 2001 - 3 StR 52/01 m.w.N., BGH, Urt. v.
11. Dezember 1997 - 4 StR 323/97). Läßt sich nicht klären, durch wie viele
Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB ein Angeklagter die festgestellte Tat
gefördert hat, so ist im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen, daß er
nur eine Handlung begangen hat (BGH, Beschl. vom 19. November 1996 -
1 StR 572/96 m.w.N.).
- 26 -
bb) Nach diesen Maßstäben ist die Annahme von selbständigen Handlungen
des Angeklagten für jeden einzelnen Abgabevorgang in den Komplexen
II. 2 (Dr. E. ), II. 3 (Dr. N. ), II. 5 (Dr. Ne. ), II. 7 (Dr. v. R. )
und II. 9 a bis c (Abgabe in der tierärztlichen Hausapotheke durch Mitarbeiter
an Tierhalter) rechtsfehlerhaft.
Für keine der Ausreichungen im Komplex II. 2 an Dr. E. und im Komplex
II. 3 an Dr. N. sind konkrete Handlungen des Angeklagten festgestellt.
Der Verkauf an beide Tierärzte war institutionalisiert und in den fortlaufenden
Betriebsablauf der Praxis integriert. An Dr. E. erfolgte die Ausgabe
wie bei den übrigen angestellten Tierärzten in der Form, "daß die Arzneimittel
vom Lager des Angeklagten in der Straubinger Praxis mit dessen Wissen und
Wollen in den vom Tierarzt Dr. E. benutzten Pkw umgeladen wurden" (UA
S. 19). Die buchhalterische Erfassung (UA S. 16) und die Abrechnung (UA S.
357) erfolgte hier wiederum über die Mutter des Angeklagten. Für Dr. N. ,
den früheren Praxismitinhaber des Angeklagten, wurden die Arzneimittel in der
Praxis des Angeklagten mitbestellt. Er hat die Arzneimittel bei der Zeugin U.
mindestens einmal in der Woche bestellt. Daraufhin wurden sie an seine
Praxis geliefert und ihm in Rechnung gestellt (UA 135, 360).
Bei Dr. Ne. und Dr. v. R. stellt die Kammer zwar Beteiligungen
des Angeklagten an einzelnen Ausreichungen fest. Diese Beteiligungen
sind jedoch nur dahingehend konkretisiert, daß die beiden Tierärzte die Medikamente
"in den meisten Fällen" selbst abholten und der Angeklagte dann
auch "zumeist" persönlich anwesend war. Selbst eine Mindestzahl von Fällen,
- 27 -
bei denen der Angeklagte über die Praxisorganisation hinaus an der einzelnen
Ausreichung beteiligt gewesen wäre, läßt sich hieraus nicht entnehmen.
Für die Fälle II. 9 a bis c hat die Kammer ausdrücklich festgestellt, daß
der Angeklagte an diesen Verkäufen durch seine Angestellten in der tierärztlichen
Hausapotheke nicht beteiligt war. Sie knüpft seine Täterschaft an die von
ihm getroffene Praxisorganisation und damit an eine einmalige Handlung.
2. Im übrigen sind die Beanstandungen unbegründet; der Erörterung
bedarf lediglich folgendes:
a) In den Fällen des Arzneimittelverkaufs an Tierhalter ohne persönliche
Untersuchung der Tiere durch einen Tierarzt bzw. ohne Anweisungen zur Anwendung
der Arzneimittel und ohne Überwachung des Behandlungserfolges
(Komplexe II. 10 bis II. 12) hat die Kammer den Sachverhalt rechtsfehlerfrei
dahin gewürdigt, daß der Angeklagte verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne
ordnungsgemäße Behandlung an Tierhalter abgegeben und dadurch den
Tatbestand von § 95 Abs. 1 Nr. 8, § 56a Abs. 1 Nr. 1 AMG erfüllt hat.
aa) Nach § 43 Abs. 4 i.V.m. § 56a Abs. 1 Nr. 1 AMG darf der Tierarzt
Tierarzneimittel nur an Halter der von ihm behandelten Tiere abgeben. Dabei
ergeben sich aus der gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 12 AMG ergangenen Verordnung
über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV) Anforderungen an die Art und Weise
der Behandlung, die der Tierarzt zu erfüllen hat, wenn er das Dispensierrecht
ausübt. Nach dem zur Tatzeit gültigen § 12 TÄHAV durften und dürfen
Tierärzte apothekenpflichtige Stoffe nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen
tierärztlichen Behandlung an Tierhalter abgeben (vgl. auch BVerwGE 94, 341,
- 28 -
348). Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Rechtsvorschriften begründet daher
nicht jede beliebige Behandlung ein Dispensierrecht. Erforderlich ist vielmehr
einerseits, daß das Tier oder der Tierbestand nach den Regeln der tierärztlichen
Wissenschaft in einem angemessenen Umfang untersucht werden
(§ 12 Abs. 2 Nr. 1 TÄHAVO). Außerdem muß der Tierarzt die Anwendung der
Arzneimittel sowie den Behandlungserfolg kontrollieren (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 TÄ-
HAV). Bei der Behandlung von Großtierbeständen, die die TÄHAVO in § 12
Abs. 3 ausdrücklich in ihren Anwendungsbereich einbezieht, ist danach zwar
nicht die Untersuchung eines jeden einzelnen Tieres erforderlich; der Tierarzt
muß aber die Bestandsuntersuchung nach den Regeln der Tiermedizin vornehmen
und die Anwendung der Arzneimittel sowie den Behandlungserfolg
kontrollieren.
bb) Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte die Tiere in den Fällen
II. 10 bis 12 nicht ordnungsgemäß behandelt.
In den Fällen II. 10 und 11 verließ sich der Angeklagte bei der Diagnose
der Krankheit auf die Angaben der Tierhalter, die ihm ebenso unbekannt waren
wie die Tiere selbst. Er stellte allein auf dieser Grundlage die Diagnose und
untersuchte die erkrankten Tiere auch später nicht. Im Fall II. 10 gab er keine
Dosieranweisung für das ausgehändigte Arzneimittel. Die Anwendung des Arzneimittels
oder den Erfolg der Behandlung kontrollierte er in keinem der beiden
Fälle.
Nach den Feststellungen der Kammer hatte der Angeklagte im Fall II. 12
die 25.000 in dem Betrieb gehaltenen Schweine bereits nicht in dem Umfang
untersucht, der nach den Regeln der Tiermedizin für die Behandlung eines
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derart großen Tierbestandes erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus gab
nicht der Angeklagte, sondern eine bei ihm nicht angestellte Tierärztin die Dosieranweisungen
für die von ihm gelieferten Medikamente und kontrollierte ihre
Wirkung.
b) Rechtsfehler sind nicht ersichtlich, soweit die Kammer den Angeklagten
in den Fällen II. 14, 15, 18 und 19 wegen des Verkaufs der Arzneimittel
Acetylsalicylsäure, Nergen - T1, Strepdipen - Straubitrad und Metacam - Straubinger
Plus verurteilt hat.
aa) Insbesondere hat das Landgericht im Komplex II. 14 (Acetylsalicylsäure)
rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines Therapienotstandes nach § 21
Abs. 2a AMG verneint. Die dagegen gerichtete Beanstandung der Revision
wird der Bedeutung dieser Vorschrift nicht gerecht. Durch § 21 Abs. 2a AMG
wird die Befugnis des Tierarztes zur Herstellung von Arzneimitteln nämlich
nicht erweitert. Die Regelung schränkt vielmehr sein Recht aus § 21 Abs. 2 Nr.
4 AMG, Medikamente für bestimmte Tiere oder Tierbestände ohne eigene Zulassung
herzustellen, auf diejenigen Fälle ein, in denen ein zugelassenes Arzneimittel
für die Tierart nicht vorhanden ist (Kloesel-Cyran, Arzneimittelrecht
Kommentar AMG § 21 Nr. 38, 22). Geht es aber nicht um die Herstellung für
bestimmte Tiere oder einen bestimmten Tierbestand, ist bereits § 21 Abs. 2 Nr.
4 AMG nicht anwendbar und es kommt nicht mehr auf § 21 Abs. 2a AMG an.
So verhielt es sich im gegebenen Fall, denn der Angeklagte bezog die Acetylsalicylsäure
bereits nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Tier oder einen bestimmten
Tierbestand. Er legte sich vielmehr einen Vorrat an, aus dem er und
die bei ihm angestellten Tierärzte bei Bedarf verkauften.
- 30 -
bb) Ohne Erfolg beanstandet die Revision, daß die Kammer die Grundsätze
der Entscheidung BGHSt 40, 126 (Nationaler Verteidigungsrat der DDR)
zu den Voraussetzungen einer mittelbaren Täterschaft angewendet habe, um
in den Fällen II. 14 (Acetylsalicylsäure), II. 15 (Nergen - T1), II. 18 (Strepdipen -
Straubitrad) und II. 19 (Metacam - Straubinger Plus) eine mittelbare Täterschaft
des Angeklagten auch insoweit zu begründen, als die Arzneimittel durch bei
ihm angestellte Tierärzte ausgehändigt wurden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Täter
kraft Tatherrschaft auch derjenige sein, der bestimmte Rahmenbedingungen
durch Organisationsstrukturen schafft, die regelhafte Abläufe auslösen, wenn
er diese Bedingungen ausnutzt, um die erstrebte Tatbestandsverwirklichung
herbeizuführen. Nach diesem Maßstab bejaht der Bundesgerichtshof mittelbare
Täterschaft auch bei unternehmerischer Betätigung unabhängig davon, ob die
unmittelbaren Täter schuldhaft handeln (BGH, Urt. v. 22. Juni 2000 - 5 StR
268/99; BGH, Urt. v. 6. Juni 1997 - 2 StR 339/96; BGH, Urt. v. 11. Dezember
1997 - 4 StR 323/97).
Danach lag hier in allen fraglichen Fällen mittelbare Täterschaft vor. Der
Angeklagte hatte durch die streng hierarchische Organisation seiner Praxis,
durch die Umbenennung der Medikamente und die Anweisungen an die bei
ihm angestellten Tierärzte, diese Medikamente in bestimmter Weise zu gebrauchen,
die Rahmenbedingungen für die Medikamentenabgabe geschaffen.
In diesem Rahmen kam es entsprechend seinen Vorgaben zu dem von ihm
gewünschten Medikamentenverkauf. Er hat diese Rahmenbedingungen nicht
nur geschaffen, sondern bewußt ausgenutzt, um zu erreichen, daß auch seine
angestellten Tierärzte die Arzneimittel für Tiere abgaben, zu deren Behandlung
- 31 -
sie nicht zugelassen waren. Den angestellten Tierärzten gegenüber hatte er
bei wertender Betrachtung Tatherrschaft, denn aufgrund seiner Stellung als
Arbeitgeber waren sie rein faktisch an seine Weisungen gebunden und auf die
Medikamententnahme aus der Hausapotheke angewiesen. Seine beherrschende
Rolle wurde durch seine Verschleierungsmaßnahmen verstärkt, auch
wenn der Vorsatz der angestellten Tierärzte damit nicht ausgeschlossen war,
da davon ausgegangen werden kann, daß sie wußten, welche Medikamente
zugelassen waren und daß den „Straubinger Produkten“ die Zulassung fehlte.
3. Die festgestellten Rechtsfehler haben folgende Konsequenzen:
a) In den Komplexen II. 2 und II. 9 a bis c erweist sich die rechtliche
Würdigung lediglich hinsichtlich der Konkurrenzen als fehlerhaft. Der Senat
schließt für den Komplex II. 2 aus, daß sich insoweit in einer neuen Verhandlung
weitere Feststellungen hierzu treffen lassen. Der Schuldspruch war daher
in beiden Komplexen zu ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, da der Angeklagte
sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Im Komplex
II. 2 hat sich der Angeklagte danach des unerlaubten Handeltreibens mit
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken gemäß § 43
Abs. 1 S. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG in 306 tateinheitlich begangenen Fällen
schuldig gemacht. Im Komplex II. 9 a bis c ist er der vorsätzlichen unerlaubten
Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter gemäß § 56 a
Abs. 1 Nr. 1, § 95 Abs. 1 Nr. 8 AMG in fünf tateinheitlich begangenen Fällen
schuldig.
Für einen Teilfreispruch in diesem Zusammenhang ist kein Raum. Anklage
und Eröffnungsbeschluß behandelten die Verkaufsvorgänge zwar in bei-
32 -
den Tatkomplexen als rechtlich selbständigen Taten. Die vorgenommene
Schuldspruchberichtigung ändert jedoch nichts daran, daß der Angeklagte wegen
der angeklagten Taten verurteilt wurde (vgl. BGHSt 44, 196, 201).
b) In den Komplexen II. 3 bis 8 war der Schuldspruch vollständig aufzuheben.
aa) Soweit die Verkaufsvorgänge vor dem 11. September 1998 lagen,
sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die Käufer Endverbraucher waren.
bb) Soweit die Geschäfte nach dem 10. September 1998 abgewickelt
wurden, ist zwar für 56 Arzneimittelgeschäfte im Komplex II. 5 (Dr. Ne. )
und 41 Arzneimittelgeschäfte im Komplex II. 7 (Dr. von R. ) eine Gewinnerzielungsabsicht
festgestellt; der Schuldspruch kann jedoch auch in diesem
beschränkten Umfang nicht aufrecht erhalten werden, weil nach den bisherigen
Feststellungen nicht auszuschließen ist, daß diese Verkaufsvorgänge mit den
vorangegangenen, nicht rechtsfehlerfrei gewürdigten Geschäften als eine Tat
im Rechtssinn aufzufassen sind und daher eine getrennte Aburteilung nicht
möglich ist.
Auch soweit die Verkaufsvorgänge nach dem 10. September 1998 zum
Selbstkostenpreis erfolgten, kommt ein Freispruch nicht in Betracht. In diesen
Fällen sind die Feststellungen der Kammer zur Frage der Gewinnerzielung lükkenhaft.
Das Landgericht hat "Abgabe zum Einkaufspreis" mit "Abgabe zum
Selbstkostenpreis" gleichgesetzt. Im Rahmen der Strafzumessung hat sie jedoch
mitgeteilt (UA 476), daß der Angeklagte umfangreiche, unberechnete
Naturalrabatte von den Pharmafirmen erhalten habe. Nur wenn diese Natural-
33 -
rabatte bei der Berechnung des Einkaufspreises berücksichtigt worden sind,
spiegeln sich in diesem Preis die vom Angeklagten tatsächlich aufgewendeten
Kosten wieder. Andernfalls, nämlich wenn als Einkaufspreis der von den Pharmafirmen
unter Außerachtlassung des gewährten Naturalrabattes berechnete
Preis zugrunde gelegt wurde - wofür einiges spricht -, hätte der Angeklagte
auch bei Verkauf zu diesem nur nominellen Einkaufspreis einen Gewinn erzielt
und seinen eigenen Vorteil aus den Naturalrabatten nicht an seine Käufer
weitergegeben. Auch insoweit muß daher erneut über die Sache verhandelt
werden.
c) Die Schuldspruchänderungen erforderten die Aufhebung der insoweit
verhängten Einzelfreiheitsstrafen. Dies und die teilweise Aufhebung des
Schuldspruchs ziehen die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
d) Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs führt darüber hinaus zur
Aufhebung des Ausspruchs über den Verfall des Wertersatzes.
4. Für die neue Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Sollte festgestellt werden, daß Arzneimittel bei den Geschäftsvorgängen
vor dem 11. September 1998 im Einzelhandel in den Verkehr gebracht
wurden, so daß dadurch der Tatbestand von § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1
AMG a.F. erfüllt wäre, wäre § 2 StGB zu beachten.
Grundsätzlich ist zwar das zur Zeit der Tat geltende Gesetz anzuwenden,
§ 2 Abs. 1 StGB. Jedoch ist nach § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz
heranzuziehen, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Tat (§ 8 StGB,
- 34 -
Gribbohm in LK 11. Auflage, § 2 Rdn. 13) gilt, vor der Entscheidung geändert
wurde. Auch die Umwandlung eines Straftatbestands in eine Ordnungswidrigkeit
stellt eine solche mildere gesetzliche Beurteilung des Verstoßes dar
(BGHSt 12, 148, 154 f.; vgl. zur Frage des Vorliegens eines milderen Gesetzes
generell: BGHSt 26, 167). Im gegebenen Fall hat der Gesetzgeber das bis einschließlich
10. September 1998 nach § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1 AMG a.F.
strafbare Inverkehrbringen verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Einzelhandel
in eine Ordnungswidrigkeit nach § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG umgewandelt,
wenn das Verhalten nicht zugleich ein Handeltreiben darstellt.
Sollten sich in der neuen Hauptverhandlung wiederum keine konkreten
Feststellungen zu einer Beteiligung des Angeklagten an einzelnen Verkaufsvorgängen
treffen lassen, so daß alle Abgaben an einen Tierzarzt als eine
Handlung im rechtlichen Sinn zu verstehen wären, müßte das für jeden der
beiden Zeitabschnitte anzuwendende Recht nach diesen Grundsätzen bestimmt
und der Angeklagte gegebenenfalls wegen tateinheitlicher Verstöße
bestraft werden (vgl. zu dieser Behandlung der Konkurrenzen: BGH, Beschl.
vom 25. Mai 1993 - 5 StR 214/93).
b) Hinsichtlich der in den Komplexen II. 2 und II 9 a bis c jeweils neu
festzusetzenden Einzelstrafe weist der Senat darauf hin, daß das Verschlechterungsverbot
(§ 358 Abs. 2 StPO) der Verhängung einer höheren als der bisherigen
Einzelfreiheitsstrafe nicht grundsätzlich entgegensteht. Vom Landgericht
als selbständig erachtete Taten (Tatmehrheit) sind als solche mit den zugehörigen
Einzelstrafen entfallen; sie sind jetzt mit anderen Taten zur Tateinheit
verbunden. Der Unrechtsgehalt dieser nur zur Tateinheit zusammengefaßten
Taten ist damit erhöht. Das Verschlechterungsverbot, welches grund-
35 -
sätzlich auch für Einzelstrafen gilt, gebietet bei dieser Sachlage deshalb nur,
daß die Summe der jeweils betroffenen bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung
der jeweils neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird.
Überdies darf auch die neue Gesamtstrafe nicht höher als die frühere ausfallen
(BGH, Beschl. vom 19. November 2002 - 1 StR 313/02 m.w.N.).
C. Revision der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft hat ihr auf die Sachrüge gestütztes Rechtsmittel
in der Revisionsbegründung beschränkt. Sie greift zwölf der Freisprüche unter
IX. 1 (Abgabe von Tierimpfstoffen im Komplex „Verkäufe an Dr. N. “, den
auch die Verurteilungen in den Fällen II. 3 betrafen) und die Freisprüche unter
IX. 3 (weitere Verkäufe an Tierhalter) an. Außerdem wendet sie sich gegen den
Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafen, insbesondere gegen die für die Verkaufsvorgänge
D. - Abgabevorgang II. 9b - und V. - Fall II. 10 - festgesetzten,
und die Gesamtfreiheitsstrafe, gegen die Strafaussetzung der Gesamtstrafe
zur Bewährung, gegen das Unterbleiben der Anordnung eines Berufsverbots
und die Beschränkung des Wertersatzverfalles auf den Betrag von
150.000 
I. Das Rechtsmittel, das hinsichtlich des Komplexes "Verkäufe an Dr.
N. " nicht wirksam auf die Freisprüche unter IX. 1 beschränkt werden
konnte, erweist sich hinsichtlich eines Teils der Freisprüche und darüber hinaus
auch hinsichtlich der Nichtanordnung eines Berufsverbotes sowie hinsichtlich
des Umfangs der Verfallsanordnung als begründet.
- 36 -
1. Im Komplex der Verkäufe an Dr. N. , der sowohl die Verurteilung
im Komplex II. 3 als auch die Freisprüche im Komplex IX. 1 umfaßt, halten sowohl
die Verurteilungen als auch ein Teil der Freisprüche rechtlicher Überprüfung
nicht stand.
a) Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, in zwölf der 29 Freisprüche
aus IX. 1, für die die Kammer den Verkauf von Tierimpfstoffen, die
gemäß § 80 Nr. 1 AMG nicht unter das Arzneimittelgesetz fallen, festgestellt
habe, habe der Angeklagte zumindest wegen einer Ordnungswidrigkeit nach
den § 31, § 38 Abs. 2 Nr. 8a Tierimpfstoffverordnung verurteilt werden müssen,
ist die darin liegende Revisionsbeschränkung unwirksam. In Fällen, in denen
der Tatrichter die von ihm festgestellten Geschehnisse als mehrere rechtlich
selbständige Taten bewertet, obwohl bei richtiger rechtlicher Würdigung nur
eine Tat vorliegt, kann die Revision nicht auf die rechtliche Bewertung einzelner
dieser Geschehnisse beschränkt werden (BGH, Urt. v. 17. Oktober 1995 -
1 StR 372/95).
Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht ausschließen,
daß hier bei richtiger rechtlicher Würdigung Tateinheit für alle Verkaufsvorgänge
anzunehmen wäre, unabhängig davon, ob die Kammer verurteilt oder
freigesprochen hat. Soweit es um die Verurteilungen im Komplex II. 2 geht, tragen
die Feststellungen der Kammer die Würdigung als rechtlich selbständige
Taten nicht (vgl. oben, B II. 1. d). Im Zusammenhang mit den Freisprüchen im
Komplex IX. 1 hat sie keine weitergehenden Feststellungen zu konkreten Tathandlungen
des Angeklagten getroffen. Es kann daher nicht ausgeschlossen
werden, daß insgesamt alle Verkaufsvorgänge eine Tat im Rechtssinn darstellen.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist insoweit im Wege der Auslegung
- 37 -
als beschränkt auf den Komplex „Verkauf an Dr. N. “ zu verstehen. Sie
erfaßt danach die Verurteilungen unter II. 3 und die Freisprüche unter IX. 1.
b) Die Verurteilung des Angeklagten unter II. 3 erweist sich aus den
oben unter B II.1.) genannten Gründen als rechtsfehlerhaft.
c) Die Freisprüche unter XI. 1 halten teilweise einer rechtlichen Nachprüfung
nicht stand.
aa) Ohne Rechtsfehler hat die Kammer den Angeklagten wegen der
Verkaufsvorgänge am 21. Januar 1998, am 3., 25. und 30 März 1998, am
24. Juli 1998, am 11. und 13. August 1998, am 16. September 1998, am 7. Dezember
1998 sowie am 9. und 24. November 1999 freigesprochen. An diesen
Tagen wurden entweder freiverkäufliche Waren geliefert oder es ließ sich nicht
mehr klären, was verkauft wurde. Ein Verstoß gegen arzneimittelrechtliche
Vorschriften ließ sich daher nicht nachweisen.
Zu Recht erfolgte wegen dieser Verkaufsvorgänge ein Teilfreispruch.
Anklage und Eröffnungsbeschluß gingen von materiellrechtlich selbständigen
Taten aus. Der Sachverhalt hat sich in der Hauptverhandlung nicht erwiesen.
Da für die erschöpfende Erledigung des Prozeßstoffs die durch den Eröffnungsbeschluß
zugelassene Anklage maßgeblich ist, war ein Teilfreispruch
geboten (vgl. nur BGH, Beschl. v. 17. Dezember 1991 - 5 StR 592/91).
bb) Soweit der Angeklagte wegen der Verkäufe am 29. Januar 1998, am
12. und 25. Februar 1998, am 4. und 27. März 1998, am 14., 21. und 23. April
1998, am 20. Juli 1998, am 4. und 24. August 1998, am 21. September 1998,
- 38 -
am 6., 7. und 8. Oktober 1998, am 3. März und am 16. April 1999 sowie
schließlich am 4. Mai 2000 freigesprochen wurde, erweisen sich die Freisprüche
als rechtsfehlerhaft.
(1) An diesen Tagen wurden entweder solche Impfstoffe weitergegeben,
auf die das Arzneimittelgesetz nach § 80 Nr. 1 AMG keine Anwendung findet,
oder bloß apothekenpflichtige Arzneimittel oder beides. Dieser Sachverhalt
wird entgegen der Auffassung des Landgerichts von der zugelassenen Anklage,
die von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausgeht, erfaßt. Gegenstand
der Urteilsfindung ist der in der Anklage bezeichnete, einheitliche geschichtliche
Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet,
also die Tat im prozessualen Sinn, und zwar so, wie sie sich nach
dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, § 264 StPO. Deshalb führen
Änderungen im Tatsächlichen, die nicht zu einer Auswechslung des durch Anklage
und Eröffnungsbeschluß konkretisierten geschichtlichen Sachverhaltes
durch einen neuen führen und die daher die Individualisierung des Sachverhalts
als ein bestimmtes, von anderen unterscheidbares historisches Ereignis
nicht betreffen, nicht dazu, daß dieser in der Hauptverhandlung festgestellte
Sachverhalt nicht mehr von der Anklage erfaßt würde. Die so konkretisierte Tat
unterliegt der Kognitionspflicht des Gerichtes in vollem Umfang (BGHSt 16,
200).
Um solche die Individualisierung des geschichtlichen Vorgangs nicht berührende
Änderungen handelte es sich bei dem Umstand, daß an genau bezeichneten
Tagen an Dr. N. anstatt verschreibungspflichtiger Arzneimittel
bloß apothekenpflichtige oder solche Tierimpfstoffe, die dem Arzneimittelgesetz
nach § 80 Nr. 1 AMG nicht unterfallen, weitergegeben wurden. Die Be-
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schreibung in der Anklage individualisiert einen bestimmten historischen Vorgang
- nämlich den Abgabevorgang aus der Hausapotheke des Angeklagten an bestimmten
Tagen an einen bestimmten Käufer - hinreichend und unterscheidet
ihn dadurch von ähnlichen vergleichbaren Handlungen des Angeklagten. Im
Hinblick auf diese Konkretisierungsmerkmale kommt es daher im gegebenen
Fall für die Individualisierung des angeklagten Lebenssachverhalts und seine
Unterscheidung von anderen vergleichbaren nicht auf die Art der abgegebenen
Medikamente an. Der Umstand, daß nicht die von der Anklage benannten Medikamente,
sondern andere Arzneimittel verkauft wurden, stellt sich hier lediglich
als Konkretisierung des bereits auf andere Weise individualisierten Geschehens
dar.
(2) Die vom Landgericht festgestellten und von der Anklage erfaßten
Sachverhalte können den Tatbestand von Ordnungswidrigkeiten erfüllen.
Soweit es um die Abgabe von bloß apothekenpflichtigen Arzneimitteln
geht, kann der Tatbestand des § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG je nach der Tatzeit sowohl
in der Fassung vom 19. Oktober 1994 als auch in der Fassung vom
11. September 1998 erfüllt sein. Dazu hat die Kammer bislang keine Feststellungen
getroffen.
Soweit es um die ausschließliche Abgabe von solchen Tierimpfstoffen
geht, auf die das Arzneimittelgesetz nach § 80 Nr. 1 AMG keine Anwendung
findet, macht die Staatsanwaltschaft zu Recht geltend, daß Ordnungswidrigkeiten
nach § 38 Abs. 2 Nr. 8a, § 31 Tierimpfstoffverordnung, § 76 Abs. 2 Nr. 2
Tierseuchengesetz in Frage kommen. Anders als § 47 AMG regelt § 31 Tier-
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impfstoffverordnung nämlich den Vertriebsweg lückenlos bis zum Endverbraucher.
Dabei bestimmt die Vorschrift für sämtliche Stationen des Vertriebsweges
- Pharmazeutischer Unternehmer, Großhändler, Tierarzt, Tierhalter - abschließend,
an wen der Impfstoff weitergegeben werden darf. Gleichzeitig verbietet
er Abgaben an andere Personengruppen. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 Tierimpfstoffverordnung
dürfen Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler Impfstoffe
an Tierärzte nur zur Anwendung der von ihnen behandelten Tiere und zur nach
§ 31 Abs. 3 Satz 2 Tierimpfstoffverordnung - nur für bestimmte Fälle - erlaubten
Weitergabe an Tierhalter abgeben. Daraus ergibt sich, daß die Abgabe durch
Tierärzte an andere Tierärzte verboten ist. Auch hier würden durch einen von
Tierärzten betriebenen Handel die spezifischen Nachweisvorschriften für
Großhändler und Pharmazeutische Unternehmer in § 31 Abs. 4 Satz 4 Tierimpfstoff-
Verordnung umgangen. Insbesondere unter diesem Gesichtspunkt
erweist sich das aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebende Verbot der Impfstoffweitergabe
von Tierarzt zu Tierarzt auch als durch den Zweck der Vorschrift
gedeckt, die die Verschleppung von Tierseuchen verhüten sowie einen
ordnungsgemäßen Umgang, eine sachgerechte Anwendung und die erforderliche
Qualität der Impfstoffe sichern soll, § 17d Abs. 6 Tierseuchengesetz. Wenn
danach die Abgabe von Tierarzt zu Tierarzt verboten ist und gegen die Vorschrift
über den Vertriebsweg verstößt, stellt dieser Verstoß eine Ordnungswidrigkeit
nach § 38 Abs. 2 Nr. 8a Tierimpfstoffverordnung dar.
Die Ordnungswidrigkeiten wären nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beträgt
drei Jahre, § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Die Durchsuchungsbeschlüsse vom
10. und 16. Januar 2001 (Strafakten Bd. 1a, Bl. 244 und 308) haben die Verjährung
hinsichtlich aller Taten wirksam unterbrochen. Bis zum Urteil erster
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Instanz am 24. April 2002 ist keine Verjährung eingetreten. Seitdem ruht sie, §
32 Abs. 2 OWiG. Freisprüche hätten daher nicht erfolgen dürfen.
2. Die Ablehnung der Anordnung eines Berufsverbotes ist nicht frei von
Rechtsfehlern.
Die Kammer hat in die Gesamtwürdigung von Tat und Täter zur Frage
der Wiederholungsgefahr nicht alle relevanten Gesichtspunkte eingestellt.
Zwar hat die Kammer gesehen, daß ein Berufsverbot auch bei erstmaliger Verurteilung
des Täters in Frage kommt (BGH NStZ 2002, 198), obwohl grundsätzlich
in solchen Fällen besonders strenge Anforderungen an die Annahme
weiterer Gefährlichkeit des Täters zu stellen sind (BGH, Urt. vom 6. April 2001
- 2 StR 356/00; BGH StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 6). Sie hat jedoch einerseits
unberücksichtigt gelassen, daß der Angeklagte die gezielt auf die Begehung
der Straftaten eingerichtete Organisation seiner Praxis auch nach der
Durchsuchung am 17. Januar 2001 nicht sofort geändert hat, so daß es am
23.1.2001 zu einem weiteren Verkauf an einen Tierhalter kommen konnte (II
9b). Außerdem hat sie eine berufsgerichtliche Vorahndung des Angeklagten
aus den Jahren 1998 wegen zweier Verstöße gegen seine Berufspflichten nicht
in ihre Erwägungen einbezogen. Es ist daher zu besorgen, daß die Kammer
dem Umstand, daß der Angeklagte noch nicht wegen einschlägiger Taten vorgeahndet
ist, im Hinblick auf die weiteren besonderen Umstände des Falles -
der Tatzeitraum erstreckt sich insbesondere über drei Jahre (Januar 1998 bis
Januar 2001) - zu großes Gewicht beimaß. Darüber hinaus hat die Kammer
nicht begründet, weswegen auch ein auf die selbständige Ausübung des Tierarztberufes
beschränktes Berufsverbot nicht verhältnismäßig wäre (UA 488).
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Über die Anordnung eines Berufsverbots wird daher erneut zu entscheiden
sein.
3. Die Verfallsanordnung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Die Anordnung war bereits deshalb aufzuheben, weil die Verurteilungen
unter II.3. nicht bestehen bleiben konnten und sich ein Teil der Freisprüche
als rechtsfehlerhaft erwies.
b) Darüber hinaus wendet sich die Staatsanwaltschaft zu Recht gegen
die Annahme, sowohl die zwingende Härteregelung nach § 73c Abs. 1 S. 1
StGB als auch die Regelung über die Ermessensentscheidung bei Entreicherung
in § 73c Abs. 1 S. 2 1. Alt. StGB ließen nur die Anordnung des Wertersatzverfalls
über 150.000 + (
aa) Das Landgericht stützt sich zur Begründung einer Härte nach § 73c
Abs. 1 S. 1 StGB im wesentlichen darauf, daß es ungerecht wäre, die Aufwendungen
des Angeklagten für die rechtswidrigen Arzneimittelgeschäfte nicht in
Abzug zu bringen. Dieser Gesichtspunkt vermag die Annahme einer unbilligen
Härte ebensowenig zu begründen wie die weiteren von der Kammer aufgeführten
Gesichtspunkte.
Zwar ist die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB in erster Linie
Sache des Tatrichters (BGH, Urt. vom 8. August 2001 - 1 StR 291/01). Die
Gewichtung der für das Vorliegen einer unbilligen Härte maßgeblichen Umstände
ist daher der revisionsrechtlichen Beanstandung nicht zugänglich. Mit
der Revision kann aber angegriffen werden, daß das Tatbestandsmerkmal „un-
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billige Härte“ selbst unzutreffend interpretiert wird, indem diese auf Umstände
gestützt wird, die in diesem Rahmen nicht zum Tragen kommen können (BGH,
Urt. v. 21. Oktober 1994 - 2 StR 328/94, insoweit in BGHSt 40, 287 nicht abgedruckt).
So liegt der Fall hier. Denn eine unbillige Härte i. S. von § 73c Abs. 1
Satz 1 StGB kann nicht auf die vom Gesetzgeber mit der Einführung des Bruttoprinzips
beabsichtigte Konsequenz gestützt werden, daß Aufwendungen für
ein rechtswidriges Geschäft - etwa der bezahlte Einkaufspreis, die aufgewendete
Mehrwertsteuer und die betrieblichen Aufwendungen wie Personalkosten -
in den Verfallsbetrag fallen, obwohl sie den Gewinn mindern.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine „unbillige Härte“ i. S. von
§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB vor, wenn die Härte „ungerecht“ wäre und das
„Übermaßverbot“ verletzen würde (BGH, Urt. v. 11. April 1995 - 1 StR 836/94;
BGH, Urt. v. 23. Februar 2000 - 3 StR 583/99). Das Übermaßverbot bezieht
sich dabei auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (BGH, Urt. vom
21. August 2002 - 1 StR 115/02). Es geht also darum, ob die Auswirkungen der
Maßnahme im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber
damit angestrebten Zweck stehen würden. Es müssen dabei besondere Umstände
vorliegen, aufgrund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb
des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die
dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht
zugemutet werden kann (W. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73c Rdn. 7). Die mit dem
Bruttoprinzip in jedem Fall verbundene Folge, daß Aufwendungen bei der Berechnung
des Verfallsbetrages gerade nicht berücksichtigt werden, führt hingegen
zu der mit der Maßnahme bezweckten Präventionswirkung. Sie stellt daher
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als solche grundsätzlich keine unbillige Härte i. S. v. § 73c Abs. 1 S. 1 StGB
dar. Anders kann es etwa liegen, wenn der Betroffene durch die Verfallserklärung
in seiner Existenz gefährdet würde (BGH aaO). Denn dabei handelt es
sich um eine außerhalb des Verfallszwecks liegende außergewöhnliche Folge,
die dem Betroffenen auch nicht zuzumuten ist.
Aus § 73c Abs. 1 S. 2 StGB folgt darüber hinaus, daß die Entreicherung
des Täters als solche keine Härte bildet, die zwingend zum Ausschluß der
Verfallsanordnung führen muß. Denn § 73c Abs. 1 S. 2 StGB räumt dem Gericht
für den Fall der Entreicherung ein Ermessen ein und erlaubt damit eine
Verfallsanordnung in Höhe des Wertes des Erlangten selbst dann, wenn dessen
Wert im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Dadurch
wollte der Gesetzgeber klarstellen, daß der Richter nicht allein deshalb unter
dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte vom Verfall absehen darf, weil dem
Täter kein Gewinn verblieben ist, da dieser sonst „gereizt würde, den Gewinn
alsbald nach der Erlangung auszugeben.“ (Prot. V/545, zitiert nach W.
Schmidt, aaO Rdn. 9). Auch aus der Regelung des § 73c Abs. 1 S. 2 StGB wird
daher hergeleitet, daß Aufwendungen und sonstige Rechnungsposten, die den
Gewinn zwar mindern, nach dem Bruttoprinzip aber nicht bei der Ermittlung des
für verfallen zu erklärenden Vermögensvorteils berücksichtigt werden dürfen,
keine besondere Härte i. S. § 73c Abs. 1 S. 1 StGB bilden, sondern in den Anwendungsbereich
der Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 S. 2 StGB fallen
(W. Schmidt, aaO Rdn. 5; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 73c Rdn. 2).
Die Berücksichtigung der Aufwendungen des Angeklagten ist hier auch
nicht ausnahmsweise deshalb erlaubt, weil er die von ihm erworbenen Medikamente,
wie das Landgericht meint, hätte erwerben dürfen und er die Aufwen-
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dungen damit nicht bewußt für rechtswidrige Geschäfte einsetzte. Denn dabei
läßt das Landgericht außer Acht, daß ein Tierarzt nur in dem Umfang Tierarzneimittel
kaufen darf, in dem er sie selbst zur Behandlung von Tieren benötigt.
Der Bezug darüber hinausgehender Mengen verschreibungspflichtiger Tierarzneimittel
ist nach § 95 Abs. 1 Nr. 5, 47 Abs. 2 AMG strafbar.
Soweit das Landgericht die Umstände heranzieht, daß der Angeklagte
bei einer Verurteilung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe sich ein Jahr in Untersuchungshaft
befand und seine Tierarztpraxis nicht weiterführen kann, handelt es
sich nicht um Folgen der Verfallserklärung.
bb) Auch die Ermessensausübung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB ist
nicht rechtsfehlerfrei begründet.
(1) Zwar geht die Kammer von einer Entreicherung aus.
Wie der Gesetzeswortlaut, der auf den „Wert des Erlangten“ abstellt,
zeigt, kommt es für die Frage der Entreicherung weder darauf an, daß das Erlangte
selbst sich noch im Vermögen des Täters befindet, noch darauf, ob das
durch die Tat Erlangte unmittelbar zum Erwerb noch vorhandener Vermögenswerte
führte. Vielmehr braucht das noch vorhandene Vermögen keinen konkreten
oder unmittelbaren Bezug zu den Straftaten haben, derentwegen der
Verfall angeordnet wird (BGH, Urt. v. 5. April 2000 - 2 StR 500/99, Urt. v. 8.
August 2001 - 1 StR 291/01). Von Fällen abgesehen, in denen zweifelsfrei
feststeht, daß ein Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit
den abgeurteilten Straftaten erworben wurde (BGH, Urt. v. 10. Oktober 2002
- 4 StR 233/02), ist für die Frage der Entreicherung entscheidend, ob ein Ver-
46 -
mögen vorhanden ist, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallbetrag
zurück bleibt. Dabei sind Vermögensgegenstände mit ihrem Nettowert,
also dem Verkehrswert abzüglich etwaiger Belastungen zu berücksichtigen
(BGH, Urt. v. 5. April 2000 - 2 StR 500/99).
Die Kammer hat auch eine Vermögensaufstellung des Angeklagten nach
Vermögenswerten und diese belastenden Verbindlichkeiten mitgeteilt (UA 9 -
15). Danach wären sämtliche vorhandenen Vermögensgegenstände mit
gleichwertigen Verbindlichkeiten belastet, so daß ein positiver Vermögenssaldo
fehlen würde.
(2) Dabei hat die Kammer jedoch maßgebliche Umstände nicht berücksichtigt.
In die Berechnung der Bereicherung und die Abwägung einzubeziehen
sind neben den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Verfallsbetroffenen
insbesondere die Gründe für den Wegfall der Bereicherung
(BGHSt 33, 37, 40; W. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73c Rdn. 12). Hier können daher
die Aufwendungen berücksichtigt werden, die mit dem Geschäft verbunden
waren und möglicherweise dazu führten, daß die Tat wirtschaftlich gesehen ein
Verlustgeschäft war (Lackner-Kühl, StGB 24. Aufl. § 73 Rdn. 4c, W. Schmidt,
aaO Rdn. 5). Berücksichtigt kann auch werden, ob der Verfallsbetroffene die
Mittel in einer Notlage für seinen Lebensunterhalt verbrauchte, was für eine
Anwendung der Ermessensvorschrift spräche, oder ob er die Mittel für Luxusartikel
oder zum Vergnügen verbrauchte (BGH NJW 1982, 774), was als Argument
gegen ihre Anwendung herangezogen werden kann. Das Eingreifen der
- 47 -
Härtevorschrift wird auch dann nicht in Frage kommen, wenn der Betroffene
Vermögenswerte bewußt an Dritte weiter gab, um sie dem Verfall zu entziehen.
Nach diesen Maßstäben durfte die Kammer unter dem Gesichtspunkt
der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten zwar berücksichtigen, daß
die Untersuchungshaft erhebliche finanzielle Nachteile für ihn mit sich brachte
und er seine Tierarztpraxis nicht weiter betreiben kann. Sie durfte grundsätzlich
auch berücksichtigen, daß ein Teil des Verkaufserlöses als Aufwendungen zur
Ermöglichung des Geschäfts verbraucht wurde. Dabei hätte sie jedoch die
Feststellung bedenken müssen, daß der Angeklagte von den Pharmafirmen
„erhebliche Naturalrabatte“ (UA S. 476) erhalten hatte und er daher trotz seiner
Preispolitik, bei der die tierärztlichen Leistungen im Arzneimittelpreis enthalten
waren, „Gewinne zu erzielen“ (UA S. 476) vermochte und eine persönliche
Entnahme von monatlich 5.000 DM (UA S. 352) für ihn möglich war. Nach dieser
Feststellung hat es sich bei den Verkäufen gerade nicht um Verlustgeschäfte
gehandelt, sondern das Vorgehen hat sich für den Angeklagten gelohnt.
Die Kammer hätte aber unter den hier gegebenen Umständen insbesondere
klären müssen, ob der Angeklagte bewußt Teile seines Vermögens im
Hinblick auf das Verfahren an Dritte weitergab und er sich damit bewußt entreicherte.
Nach den Feststellungen der Kammer wurde den Eltern des Angeklagten
am 24. Januar 2001, also sieben Tage nach der bei ihm stattgefundenen
Durchsuchung und kurz vor seiner Verhaftung, eine Grundschuld über
1.000.000 DM auf das Grundstück des Angeklagten in Straubing eingetragen,
das inzwischen seinen einzigen Vermögenswert darstellt. Welche Gegenleistung
der Angeklagte dafür erhielt, hat das Landgericht nicht festgestellt.
- 48 -
Ebenfalls am 24. Januar 2001 verkaufte der Angeklagte seinen verbliebenen
Miteigentumsanteil von 2/3 an dem Grundstück in Miltach, auf dem Dr. N.
die früher gemeinsam mit ihm betriebene Tierarztpraxis unterhielt, an seine
Mutter. Den Wert des Miteigentumanteils teilt das Landgericht nicht mit. Der
Verkaufspreis betrug 350.000 DM (UA S. 14). Für seinen ursprünglichen Anteil
von 1/3 an dem verkauften Grundstück hatte der Angeklagte nach den Feststellungen
der Kammer im Jahre 1996 von Dr. N. dagegen 900.000 DM
erhalten (UA S. 13). Das legt nahe, daß der Angeklagte den 2/3-Anteil an dem
Grundstück wesentlich unter Wert an seine Mutter veräußerte. Es drängt sich
daher auf, daß er wesentliche Teile seines Vermögens im Hinblick auf das
Verfahren auf seine Eltern übertrug. Dazu hätten Feststellungen getroffen werden
müssen.
Um die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten abschätzen zu
können, hätte auch geklärt werden müssen, warum der Pachtzins für die von
dem Angeklagten verpachtete Praxis über immerhin 7.158 ,
􀀀 .-/103245768 tpunkt
der Entscheidung gestundet war. Lag der Grund in wirtschaftlichen
Schwierigkeiten der Pächter und war davon auszugehen, daß sie nicht würden
behoben werden können, wäre die wirtschaftliche Situation des Angeklagten
dadurch erheblich beeinträchtigt worden. War dagegen zu erwarten, daß die
Zahlungen nach Ende der Stundungsvereinbarung wieder aufgenommen würden,
würde er über regelmäßige Einkünfte verfügen. Das könnte insbesondere
im Hinblick darauf, daß hinsichtlich des Verfallsbetrages Ratenzahlung gewährt
werden kann, § 73c Abs. 2 StGB, Bedeutung haben.
- 49 -
II. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Insbesondere weisen
weder die Beweiswürdigung der Kammer hinsichtlich der Freisprüche im Komplex
IX. 3 noch die Strafzumessung Rechtsfehler auf.
III. Die festgestellten Rechtsfehler haben folgende Konsequenzen:
1. Im Komplex Verkäufe an Dr. N. waren die Freisprüche im aus
der Urteilsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben. Eine abschließende Entscheidung
des Revisionsgerichts war nicht möglich. Für die neue Entscheidung
wird vorsorglich auf § 21 Abs. 1 OWiG hingewiesen.
Darauf, daß das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der
Verurteilungen im Komplex II. 3 auch zu Gunsten des Angeklagten wirkt (§ 301
StPO), kommt es nicht an, da der Schuldspruch schon auf die Revision des
Angeklagten aufzuheben war (BGH VRS 50, 369, Meyer-Goßner StPO
46. Aufl. § 301 Rdn. 3, Gollwitzer in LR § 301 Rdn. 9).
2. Aufgrund der Aufhebung eines Teils der Freisprüche war die Gesamtfreiheitsstrafe
aufzuheben.
- 50 -
3. Die Aussprüche über den Verfall des Wertersatzes und das Unterbleiben
der Anordnung eines Berufsverbots waren aufzuheben.
Nack Wahl Schluckebier
Kolz Frau Richterin am
Bundesgerichtshof Elf
ist infolge Urlaubs an der
Unterschrift gehindert
Nack



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