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BGH, Urteil vom 30. Juni 2005 - 5 StR 12/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 30.6.2005 - 5 StR 12/05
5 StR 12/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
30.6.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Juni
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Ministerialrat
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt N ,
Rechtsanwalt K
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 2004 im Schuldspruch
dahingehend geändert, daß die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung
in zwei Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung
in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt
ist.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft sowie
die Revision der Angeklagten werden verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der
Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen der Angeklagten.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
in zwei Fällen und wegen Beihilfe zur versuchten Steuerhinterziehung
in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung zu einer zur Bewährung
ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die vom
Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft führt lediglich
zur Abänderung des Schuldspruchs. Das Rechtsmittel der Angeklagten
ist unbegründet.
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I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war die als Steuerberaterin
tätige Angeklagte in ein aus mehreren Firmen bestehendes Umsatzsteuerhinterziehungssystem
eingebunden.
Im Jahre 1996 erwarben die Organisatoren dieses Steuerhinterziehungssystems
über die von ihnen beherrschte C GmbH Computerbauteile
von der niederländischen Firma I . Zum Zwecke der Vorsteuererschleichung
und Umsatzsteuerhinterziehung schalteten sie rechnungsmäßig
die F GmbH ein, eine selbst nicht wirtschaftlich tätige Scheinfirma, welche
den Bezug der Computerbauteile als innergemeinschaftliche Lieferung
umsatzsteuerfrei aus den Niederlanden vortäuschte. Die F GmbH verkaufte
die Bauteile sodann papiermäßig mit einem geringen Aufpreis, aber
nunmehr unter offenem Umsatzsteuerausweis an die ebenfalls von den Organisatoren
beherrschte M GmbH weiter. Auch die M
GmbH verfolgte keine eigenen Geschäftszwecke und war nur zur Verschleierung
der Waren- und Zahlungsströme zwischengeschaltet. Die M
GmbH veräußerte sodann die Bauteile rechnungsmäßig und wiederum unter
Ausweis der Umsatzsteuer an die C GmbH weiter. Diese verkaufte die
Bauteile tatsächlich in Deutschland, fingierte aber umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche
Lieferungen. Auf diese Weise konnten die beteiligten Unternehmen
M GmbH und C GmbH die in ihren Einkaufsrechnungen
jeweils ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen,
während die C GmbH mit Hilfe der nur vorgetäuschten innergemeinschaftlichen
Verkäufe keine Umsatzsteuer anmeldete.
Zur weiteren Verschleierung und umsatzsteuerrechtlichen „Glattstellung“
der F GmbH wurden verfälschte Blankorechnungen der A
GmbH, einer insolventen früheren Geschäftspartnerin der C GmbH,
erstellt, passend zu den Verkäufen der F GmbH als Einkaufsrechnungen
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mit Umsatzsteuerausweis ausgefüllt und zum Gegenstand der Umsatzsteuervoranmeldungen
gemacht.
Ihrem Tatplan entsprechend, gaben die Verantwortlichen der jeweils
beteiligten Firmen für den Voranmeldungszeitraum September 1996 (F
GmbH und M GmbH) bzw. für das dritte Quartal 1996 (C
GmbH) inhaltlich unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen ab, in denen
die aus den fingierten Einkäufen von den jeweils vorgeschalteten Firmen
ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend gemacht wurden.
Der mit einem Vorsteuerüberhang endenden Voranmeldung der F
GmbH stimmte das zuständige Finanzamt nicht zu; in ihr wurden zu Unrecht
angebliche Vorsteuern in Höhe von rund 1,5 Millionen DM aus Einkäufen bei
der A GmbH geltend gemacht. Die Erklärung der M GmbH wies
unter Verrechnung in Wahrheit nicht anrechenbarer Vorsteuern von rund
1,4 Millionen DM aus angeblichen Einkäufen bei der F GmbH einen Umsatzsteuerzahlbetrag
von rund 38.000 DM aus. Die C GmbH erklärte
schließlich unter Anrechnung angeblicher Vorsteuern in Höhe von rund
1,6 Millionen DM aus Einkäufen bei der M GmbH einen Vorsteuerüberhang
von rund 65.000 DM, dem das zuständige Finanzamt zustimmte.
Zur Einbindung der Angeklagten in das Umsatzsteuerhinterziehungssystem
hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen: Ab 1995 beriet
die Angeklagte die C GmbH steuerrechtlich, erledigte die Buchhaltung
und erstellte die Jahresabschlüsse sowie die Steuererklärungen. Sie
gründete als Vertreterin einer Luxemburger Firma zusammen mit einem anderweitig
verfolgten Partner 1996 die M GmbH, über deren Geschäftskonto
sie (mit)zeichnungsberechtigt war und die sie ebenfalls steuerrechtlich
beriet. Auch bei der M GmbH war die Angeklagte für die
Verbuchung der Ein- und Ausgangsrechnungen zuständig. Darüber hinaus
hatte die Angeklagte Einblick in die Kontobewegungen auf dem Geschäftskonto
der F GmbH. In die geplanten und durchgeführten Steuerhinterziehungen
war die Angeklagte frühzeitig, wenn auch nicht von Anfang
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an eingeweiht; ihre steuerrechtlichen Kenntnisse halfen bei der Planung und
Durchführung der Taten. Bei einer Umsatzsteuersonderprüfung der M
GmbH im März 1997, die in den Kanzleiräumen der Angeklagten stattfand,
versuchte sie das Tatgeschehen durch unrichtige Auskünfte zu den
Verhältnissen der beteiligten Firmen zu verschleiern. Zudem erstellte und
unterschrieb die Angeklagte die inhaltlich unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen
für die M GmbH und die C GmbH selbst. Hinsichtlich
der F GmbH beruhte die Verwendung der gefälschten Rechnungen
der A GmbH auf dem Vorschlag der Angeklagten; sie gab ferner die in
den Blankorechnungen einzutragenden Daten vor. Die Angeklagte hatte ein
starkes wirtschaftliches Interesse am Taterfolg. Sie bestritt mindestens ein
Viertel ihres Umsatzes aus Honoraren der C GmbH und der M
GmbH, deren wirtschaftliches Ergebnis aber namentlich von der erfolgreichen
steuerlichen Geltendmachung der fingierten Geschäfte abhing.
Ein täterschaftliches Handeln der Angeklagten hat das Landgericht
dennoch mit der Erwägung verneint, es habe sich nicht feststellen lassen,
daß die Angeklagte bereits von Anfang an vollumfänglich in das Tatgeschehen
eingeweiht gewesen sei. Ihre Mitwirkung bereits zu Beginn der Tatplanung
sei nicht beweisbar. Darüber hinaus sei der Angeklagten nicht nachzuweisen,
daß sie in demselben Umfang wie die übrigen Täter an der Tatbeute
beteiligt gewesen sei. Als einzig nachweisbarer Vorteil seien ihr die aus ihrer
Tätigkeit als Steuerberaterin erwachsenen Honorare verblieben.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat zum Schuldspruch Erfolg.
1. Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin, daß das Landgericht die Anforderungen
an die Feststellung einer mittäterschaftlichen Einbindung der
Angeklagten in das deliktische Geschehen überspannt hat. Auf der Grundla-
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ge der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hätte das Landgericht die
Angeklagte wegen mittäterschaftlichen Handelns verurteilen müssen.
Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen
Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, daß sein Beitrag als
Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung
seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis
zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung
umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte
können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang
der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur
Tatherrschaft sein (vgl. BGHSt 37, 289, 291 m.w.N.). In Grenzfällen hat der
Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß der
Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig
gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch
dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche
Beurteilung möglich gewesen wäre (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 71
m.w.N.).
Ein solcher Grenzfall liegt hier indes nicht vor. Das Landgericht übersieht,
daß Mittäterschaft nicht nur aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes
oder Tatentschlusses in Betracht kommt, dem eine ausdrückliche und zeitgleiche
Absprache der Beteiligten zu Grunde liegt. Es ist mit den in der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar, ein täterschaftliches
Handeln der Angeklagten schon deshalb abzulehnen, weil die Angeklagte
nicht von Anfang an, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, allerdings
schon weit vor den eigentlichen Tathandlungen, in den Tatplan einbezogen
wurde.
Angesichts der eine Verurteilung wegen täterschaftlicher Begehungsweise
zwanglos tragenden Feststellungen des Landgerichts besteht kein An-
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laß zu einer Aufhebung von Feststellungen. Der Senat hat den Schuldspruch
daher selbst - im Sinne der Anklage - umgestellt.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
Wie der Senat den von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Verfahrensdaten
und der - allerdings nur im Rahmen der Sachrüge erhobenen -
näher erläuterten Beanstandung der Angeklagten zur Verfahrensverzögerung
entnimmt, würde ein neues Tatgericht bei der Strafzumessung erhebliche,
nicht der Angeklagten zuzurechnende Verfahrensverzögerungen zu berücksichtigen
haben. Ein zu einer kompensatorischen Strafzumessung Anlaß
gebender Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot drängt sich auf. Die
vorrangige im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK gebotene Vermeidung weiterer
Verfahrensverzögerung veranlaßt den Senat daher, durch Aufrechterhaltung
der bisher verhängten Einzelstrafen, die auf der Grundlage zu Unrecht
verminderter Strafrahmen gebildet wurden, und der aus diesen Einzelstrafen
gebildeten Gesamtstrafe zum Rechtsfolgenausspruch durchzuentscheiden
und damit schnellstmöglich zu einer abschließenden Rechtsfolgenentscheidung
zu gelangen, mit welcher dem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot
Rechnung getragen wird (vgl. zu entsprechender Spruchpraxis der
Durchentscheidung bei Verstößen gegen Art. 6 Abs. 1 MRK zuletzt
BGH, Beschluß vom 14.06.2005 - 5 StR 168/05). Der Senat schließt aus,
daß ein neuer Tatrichter bei gehöriger Beachtung der vorzunehmenden
Kompensation zu höheren Straffolgen gelangen könnte.
III.
Die Revision der Angeklagten hat keinen Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
a) Die einen Hilfsbeweisantrag betreffende Verfahrensrüge bleibt
- ihre ausreichende Begründung (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) unterstellt - aus
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den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts in der Sache
erfolglos.
b) Die Rüge der Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO scheitert schon
daran, daß die Beschwerdeführerin mit der Umstellung des Schuldspruchs
durch den Senat wie angeklagt verurteilt ist.
2. Die auf Grund der Sachrüge veranlaßte Überprüfung des Urteils ergibt
- auch unter Berücksichtigung der näher ausgeführten Einzelbeanstandungen
- keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler.
Soweit die Angeklagte die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift,
erschöpft sich die Revision entweder in einer unzulässigen Ersetzung
der vom Landgericht vorgenommen Würdigung durch eigene Erwägungen
oder in sachlichrechtlich unbeachtlichem urteilsfremden Vorbringen.
Die steuerrechtlichen Erwägungen der Revision zum innergemeinschaftlichen
Reihengeschäft und zum System der Vorsteuererstattung nach
§ 15 UStG führen ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Beschwerdeführerin vernachlässigt,
daß sie hier an einem groß angelegten und gut organisierten
Steuerhinterziehungssystem mitgewirkt hat, dem überwiegend erfundene
Umsätze und verschleierte Zahlungswege zur Erschleichung von Vorsteuern
zu Grunde lagen.
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Dem von der Revision gerügten Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot
ist jedenfalls durch die getroffene Durchentscheidung zum Rechtsfolgenausspruch
auf die Revision der Staatsanwaltschaft hinreichend Rechnung
getragen.
Harms Basdorf Raum
Brause Schaal



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