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BGH, Urteil vom 31. Juli 2003 - 5 StR 251/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 31.7.2003 - 5 StR 251/03
5 StR 251/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 31. Juli 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum versuchten Totschlag
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
31. Juli 2003, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof .
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 4. Februar 2003 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte
F freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an das Amtsgericht Hamburg - Strafrichter -
zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Schwurgericht hat den Mitangeklagten S wegen unerlaubten
Führens einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe in Tateinheit mit (vorsätzlicher)
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Eine Verurteilung
wegen des Anklagevorwurfs, durch diese Tat (auch) einen versuchten
Mord begangen zu haben, unterblieb aus tatsächlichen Gründen. Der Angeklagte
F , dem mit der Anklage Beihilfe zum versuchten Totschlag
vorgeworfen worden war, wurde freigesprochen. Dagegen richtet sich die mit
der Sachrüge begründete, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision
der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Schwurgerichts
führte der Mitangeklagte S ohne Erlaubnis am 2. August 2002
auf öffentlichem Straßenland in Hamburg eine halbautomatische Selbstlade-
4 -
kurzwaffe, und zwar eine 16 cm lange Pistole Modell 70, Kaliber 7,65 mm
Browning, nebst zwei Magazinen mit scharfer Munition mit sich, die er zuvor
erworben, möglicherweise gefunden hatte. S traf den Angeklagten
F , zeigte ihm Waffe und Munition und erklärte F , er wolle
mit der Waffe vier Bekannte - u.a. den Nebenkläger - erschießen. F
, der die Drohung nicht ernst nahm, sondern sie zutreffend als Imponiergehabe
bewertete, erklärte dem unwissenden S „in groben Zügen“
die Bedienung der Waffe und lud sie vor dessen Augen mit scharfer Munition
durch. S gab daraufhin zwei Schüsse auf ein Haltestellenhäuschen ab;
der zweite streifte den wegen S s Ungeschicklichkeit empörten F
am Arm. Anschließend suchte S den Nebenkläger in seiner
Wohnung auf, drohte damit, ihn mit der Pistole zu erschießen, und gab einen
gezielten Schuß auf einen Phonoschrank ab; durch sein Verhalten verursachte
S bedingt vorsätzlich einen Schockzustand des Nebenklägers.
Daß er den Nebenkläger - entsprechend dem Vorwurf der Anklage - töten
wollte, vermochte das Schwurgericht nicht festzustellen. Der Angeklagte
F wußte von S s Verhalten in der Wohnung des Nebenklägers
nichts Genaues.
2. Mangels Kenntnis von der Haupttat schied damit eine Beihilfe des
Angeklagten F zu S s vorsätzlicher Körperverletzung aus.
Mit der Begründung, daß S die Waffe bereits vor der Begegnung
mit F geführt habe und zur Fortsetzung des Führens durch bedrohendes
Zeigen der Waffe im Bekanntenkreis und durch ihren eventuellen
Einsatz zu Warnschüssen fest entschlossen gewesen sei, sah das Schwurgericht
im Erklären der Waffenbedienung auch keine Beihilfe zu S s
Vergehen nach § 53 Abs. 1 Nr. 3a lit. b WaffG (a.F.).
3. Letzteres ist, wie die Staatsanwaltschaft zutreffend beanstandet, eine
zu enge Auslegung strafbarer Beihilfe.
- 5 -
Beihilfe zu einem Dauerdelikt kann auch nach dessen Beginn während
seiner Begehung noch so lange geleistet werden, wie der Haupttäter den
rechtswidrigen Dauerzustand nicht beendet hat (vgl. Roxin in LK 11. Aufl.
§ 27 Rdn. 39). Hier liegt auf der Hand, daß der Angeklagte F bewußt
und willentlich dem Mitangeklagten S das weitere Führen der
Waffe in der konkreten Ausgestaltung ihrer Verwendung auch zur Abgabe
von (Warn-)Schüssen so erst ermöglicht, auf diese Weise darüber hinaus
dessen Entschluß zur Fortsetzung des Dauerdelikts, auch wenn er vorher
bereits gefaßt gewesen sein mag, bestärkt und konkretisiert hat. Dies erfüllt
ohne weiteres die Voraussetzungen einer Beihilfe zum strafbaren unerlaubten
Führen der Waffe in der gegen den mitangeklagten Haupttäter ausgeurteilten
Form.
4. Dies zieht die Aufhebung des Freispruchs nach sich. Eine Durchentscheidung
zum Nachteil des Angeklagten F scheidet hingegen
ebenso aus wie die Aufrechterhaltung ihn betreffender Feststellungen, zumal
da der Angeklagte F die festgestellte, ihm als Beihilfe anzulastende
Bedienungsanleitung in der Hauptverhandlung bestritten hatte (vgl. BGHSt
48, 77, 99 m.w.N.).
Da in der neuen Verhandlung den Angeklagten F belastende
Tatfeststellungen, die über den Vorwurf der Beihilfe zu einem Waffendelikt
- 6 -
hinausgehen - wie sie auch bislang rechtsfehlerfrei nicht getroffen worden
sind -, nicht zu erwarten sind, erfolgt die Zurückverweisung gemäß § 354
Abs. 3 StPO an den nach §§ 24, 25 Nr. 2 GVG zuständigen Strafrichter.
Basdorf Häger Gerhardt
Raum Brause



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