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BGH, Urteil vom 5. Dezember 2001 - 2 StR 273/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 5.12.2001 - 2 StR 273/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 273/01
vom
5. Dezember 2001
in der Strafsache gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 5. Dezember 2001, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke als Vorsitzender und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, die Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Prof. Dr. Fischer, die Richterin am Bundesgerichtshof Elf als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. Februar 2001 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und Körperverletzung zu einer Einzelstrafe von drei Jahren und unter Einbeziehung einer zur Bewährung ausgesetzten Einzelstrafe von einem Jahr vier Monate aus einer Verurteilung des Landgerichts Köln vom 22. Februar 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es gegen ihn wegen eines weiteren erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Dagegen wendet sich die auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Nach den Urteilsfeststellungen brachte der Angeklagte - im zweiten Fall gemeinsam mit den Mitangeklagten - am 31. März 1999 und am 23. Juni 2000 das Tatopfer, einen eher zurückhaltenden und ängstlichen jungen Mann, jeweils über 12 Stunden in seine Gewalt, nötigte ihn zu Chauffeurdiensten und - um an das Geld des Tatopfers zu kommen - zwang diesen mit Drohungen und Schlägen, sein Bargeld herauszugeben und am Geldautomaten und vom Sparbuch Geld abzuheben (Fall II.1) bzw. die Abhebung durch die Täter zu dulden (Fall II.2). Im ersten Fall wurden 6.500, DM, im zweiten Fall 2.000, DM erlangt. Der Versuch, weitere 20.000, DM vom Konto des Tatopfers abzuheben, mißlang.
Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts, das für beide Taten einen minder schweren Fall des erpresserischen Menschenraubs (im Fall II.2 auch der schweren räuberischen Erpressung und der gefährlichen Körperverletzung) bejaht hat, lassen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
Zu erörtern ist lediglich folgendes:
Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, daß das Landgericht die ihn treffenden ausländerrechtlichen Folgen nicht erörtert hat, läßt er außer acht, daß nur die bestimmenden Strafzumessungsgründe im Urteil anzugeben sind und aus dem Schweigen der Urteilsgründe regelmäßig nicht gefolgert werden kann, daß für die Strafzumessung möglicherweise bedeutsame Umstände übersehen wurden. Ausländerrechtliche Folgen einer Tat sind in der Regel keine bestimmenden Strafzumessungsgründe. Nur besondere Umstände können im Einzelfall eine andere Beurteilung rechtfertigen (BGH NStZ-RR 2000, 297; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 5; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 37; BGH NStZ 1997, 77; 1996, 595). Dies gilt auch dann, wenn ein zwingender Ausweisungsgrund nach § 47 Abs. 1 AuslG in Betracht kommt. Ist die Ausweisung nicht zwingend geboten, ist ohnehin davon auszugehen, daß die Ausländerbehörden etwaige Härten im Rahmen ihres - gerichtlich überprüfbaren - Ermessens zu bedenken haben.
Die Urteilsgründe legen bereits nicht nahe, daß die Ausweisung hier als zwingende Rechtsfolge eingreift. Zwar ist der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden, so daß die Voraussetzungen nach § 47 Abs. 1 AuslG vorliegen. Bei dem Angeklagten, der als türkischer Staatsbürger schon im Säuglingsalter mit seiner Familie nach Deutschland kam und hier aufwuchs, ist aber grundsätzlich davon auszugehen, daß ihm der besondere Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Ziff. 2 AuslG zugute kommt. Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer, der eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt und als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist, nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Daß die Aufenthaltserlaubnis des Angeklagten - wie von der Revision vorgetragen - schon vor der Verurteilung auf drei Monate befristetet war und deshalb diese Voraussetzungen bei ihm nicht erfüllt sind, läßt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Da die Versagung oder Befristung einer Aufenthaltserlaubnis für Personen, die - wie der Angeklagte - nach § 26 Abs. 1 AuslG einen Anspruch auf die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis haben, zwar nach § 26 Abs. 3 Nr. 2 AuslG bei strafrechtlichen Verurteilungen möglich ist, aber im pflichtgemäßem Ermessen der Ausländerbehörde steht, mußte sich der Tatrichter mit dieser Möglichkeit trotz der Verurteilungen von einer Jugendstrafe von sechs Monaten und einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten - jeweils zur Bewährung ausgesetzt - ohne weitere Anhaltspunkte auch nicht auseinandersetzen.
Unter diesen Umständen kann auch die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge keinen Erfolg haben, weil sich die Aufklärung im Hinblick auf eine Befristung der Aufenthaltserlaubnis nicht aufdrängte.
2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts und der Revision begegnet es auch keinen durchgreifenden Bedenken, daß sich das Landgericht nicht ausdrücklich mit dem Gesamtstrafübel auseinandergesetzt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Nachteil auszugleichen, der sich für einen Angeklagten möglicherweise dadurch ergibt, daß wegen der Zäsurwirkung früherer Urteile die Bildung einer Gesamtstrafe nicht möglich ist und dadurch das Gesamtstrafübel dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten nicht mehr gerecht wird. Dies wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die durch die Zäsurwirkung erzwungene Bildung von mehreren Strafen statt einer Gesamtstrafe zu einer in ihrer Summe außergewöhnlich hohen Strafe oder zu einer voraussichtlichen Gesamtvollstreckungsdauer führt, die diejenige einer lebenslangen Freiheitsstrafe erreicht oder überschreitet (BGH NStZ 2000, 137 m.w.N.). Bei derartigen Fallgestaltungen hat der Tatrichter in den Urteilsgründen darzulegen, daß er sich seiner Verpflichtung bewußt ist, ein zu hohes Gesamtstrafübel ausgleichen zu müssen.
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
Eine besonders nachteilige Auswirkung der Zäsur, die vor allem dann eintreten kann, wenn die die Zäsur begründende Strafe nur ganz geringfügig ist, ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil die einbezogene Strafe von einem Jahr vier Monaten aus der Verurteilung des Landgerichts Köln - im Verhältnis zu den in dieser Sache verhängten Freiheitsstrafen - keineswegs geringfügig war und ihrerseits zu einer dem Angeklagten günstigen Gesamtstrafenbildung mit der für die erste Tat verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren führte. Daß die einbezogene Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt war, die durch die Einbeziehung entfiel, kann dabei außer acht bleiben, da es andernfalls aufgrund der neuen Straftat zu einem Bewährungswiderruf gekommen wäre. Zwar hinderte diese Gesamtstrafenbildung eine sonst mögliche andere Gesamtstrafenbildung für die in dieser Sache verhängten beiden Freiheitsstrafen. Selbst wenn dies zu einer dem Angeklagten noch günstigeren Gesamtstrafenbildung hätte führen können, begründete dies allein aber keinen auszugleichenden Nachteil. Dies wäre erst dann gegeben, wenn die Summe der tatsächlich verhängten Gesamtstrafe und der weiteren Freiheitsstrafe von fünf Jahren für die begangenen Taten nicht mehr als schuldangemessen angesehen werden könnte. Davon kann jedoch keine Rede sein. Dabei ist auch zu bedenken, daß der Angeklagte die zweite Tat trotz der die Zäsur bewirkenden Verurteilung begangen hat. Unter diesen Umständen bedurfte es aber auch keiner Erörterung der Schuldangemessenheit des Gesamtstrafübels in den Urteilsgründen.
Jähnke Otten Rothfuß Fischer Elf



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