BGH,
Urt. v. 6.2.2002 - 2 StR 507/01
2 StR 507/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 507/01
vom
6. Februar 2002
in der Strafsache gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 6.
Februar 2002, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode als Vorsitzender und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. h.c.
Detter, Rothfuß, Prof. Dr. Fischer, die Richterin am
Bundesgerichtshof Elf als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Bundesanwalt bei der
Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Trier vom 2. Juli 2001 mit den Feststellungen aufgehoben,
soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist; jedoch bleiben die
Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen
aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt
wurde. Vom Vorwurf der Vergewaltigung in zwei Fällen hat es
ihn freigesprochen. Die gegen den Freispruch gerichtete, auf die
Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft,
die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die - inzwischen
geschiedene - Ehe des Angeklagten durch dessen Eifersucht und
besitzergreifendes Verhalten gegenüber seiner Ehefrau
geprägt. Er bestand unter anderem auf einer jederzeitigen
Erfüllung seines Wunsches nach geschlechtlichem Verkehr.
Häufig kam es, wenn die Geschädigte sich seinen
Wünschen nicht fügte, zu verbalen und auch
tätlichen Attacken des Angeklagten. Die Geschädigte
hatte seinen tätlichen Übergriffen infolge ihrer
körperlichen Unterlegenheit wenig entgegenzusetzen und
fügte sich daher seinen Forderungen, wobei sie bis zum Jahr
1997 hierin möglicherweise auch eine schmeichelhafte
Bestätigung ihrer Attraktivität erblickte. Nachdem es
im Sommer 1998 zu erheblichen Streitigkeiten und gravierenden
Tätlichkeiten des Angeklagten gekommen war, zog dieser im
September 1998 auf Bitten der Geschädigten aus dem gemeinsam
bewohnten Haus aus.
Etwa zwei Wochen später beschloß der Angeklagte, mit
seiner Ehefrau geschlechtlich zu verkehren. Er drang deshalb nachts mit
Hilfe eines in seinem Besitz befindlichen Hausschlüssels in
das Haus ein, begab sich in das Schlafzimmer seiner Ehefrau und
erklärte dieser, er beabsichtige, mit ihr geschlechtlich zu
verkehren. Die Geschädigte erklärte, daß
sie sich weigere, und kauerte sich in den oberen Teil des Bettes, wo
sie sich am Bettgestell festhielt. Gegen ihren Willen zog der
Angeklagte sie gewaltsam nach unten, hielt ihre Hände fest,
entkleidete sie, legte sich auf sie und führte den
Geschlechtsverkehr aus. Die Geschädigte war aufgrund ihrer
körperlichen Unterlegenheit zu weitergehender Gegenwehr nicht
in der Lage.
Wenige Tage später drang der Angeklagte erneut in das
Schlafzimmer der schlafenden Geschädigten ein. Er entkleidete
sie gewaltsam, wobei er ihr eine Schürfwunde am Oberschenkel
zufügte. Als sie sich weigerte, mit ihm den Geschlechtsverkehr
auszuführen, und um sich trat, drückte er gewaltsam
die Beine der Geschädigten auseinander, legte sich auf sie und
führte den Geschlechtsverkehr durch. Er bemerkte dann: "So hat
es Dir wohl nicht gefallen"; anschließend
äußerte er: "Solange du in meinem Hause lebst, ficke
ich dich, ob du willst oder nicht", und verließ das Haus.
2. Das Landgericht hat den äußeren Sachverhalt als
durch die glaubhafte Aussage der Geschädigten und weiterer
Beweismittel erwiesen angesehen. Es hat jedoch nicht die
Überzeugung gewinnen können, daß der
Angeklagte vorsätzlich gehandelt habe, und hierzu in den
Urteilsgründen ausgeführt (UA S. 20), "daß
letztlich nicht ausgeschlossen werden kann, daß der
Angeklagte im Hinblick auf seine egozentrische Sicht und unter
Berücksichtigung der Tatsache, daß sich die Zeugin
... vor September 1998 immer seinen Wünschen gebeugt hat,
möglicherweise nicht erkannt hat, daß die Zeugin bei
den beiden Vorfällen Ende September 1998 tatsächlich
nicht mit ihm verkehren wollte. Er kann die Weigerung der Zeugin und
ihre Abwehrhandlungen als besonders reizvolles Spiel der Zeugin
gewertet haben."
3. Gegen diese Beweiswürdigung wendet sich die Revision zu
Recht: Die Anwendung des Zweifelssatzes durch das Landgericht beruht
auf einer unzureichenden Erörterung der festgestellten
Beweisanzeichen. Der Zweifelssatz, der keine Beweisregel ist, greift
erst nach abgeschlossener Beweiswürdigung ein (vgl. BGH NStZ
1999, 205). Spricht das Gericht den Angeklagten aus
tatsächlichen Gründen frei, so sind die der
Beweiswürdigung zugrunde liegenden wesentlichen
Erwägungen in einer für das Revisionsgericht
nachprüfbaren Weise in den Urteilsgründen darzulegen
(vgl. BGHSt 37, 21, 22; BGH NStZ 1990, 448; BGH wistra 1991, 63; BGHR
StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7; st. Rspr.; vgl. auch
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. Rdn. 33 zu
§ 267; Hürxthal in KK 4. Aufl. Rdn. 41 zu §
267, jew. m.w.N.). Die Anforderungen an eine umfassende
Würdigung der festgestellten Tatsachen sind beim
freisprechenden Urteil nicht geringer als im Fall der Verurteilung. Hat
der Tatrichter die zur Verurteilung erforderliche Überzeugung
vom Vorliegen eines äußeren oder inneren Tatmerkmals
nicht gewonnen, so müssen die Urteilsgründe in
überprüfbarer Weise belegen, daß er die
gegen die Schuld des Angeklagten sprechenden ebenso wie
entgegenstehende Beweisergebnisse in ihrer Bedeutung zutreffend
gewertet hat und daß die Anwendung des Zweifelssatzes auf der
Grundlage einer umfassenden Gesamtwürdigung dieser Ergebnisse
erfolgt ist. Diesen Anforderungen wird das Urteil des Landgerichts
nicht gerecht.
Einen Anhaltspunkt dafür, der Angeklagte könne
möglicherweise irrtümlich angenommen haben, die
Geschädigte sei mit den sexuellen Handlungen einverstanden,
sieht das Landgericht darin, daß sich die
Geschädigte früher seinen Wünschen gebeugt
hatte. Unberücksichtigt bleibt hierbei aber, daß
dieses frühere Verhalten der Geschädigten darauf
beruhte, daß sie den tätlichen Übergriffen
des Angeklagten infolge ihrer körperlichen Unterlegenheit
wenig entgegenzusetzen hatte (UA S. 10). Zu berücksichtigen
wäre hier überdies gewesen, daß zum
Zeitpunkt der Taten eine wesentliche Veränderung im
Verhältnis der Ehegatten eingetreten war, die gerade aufgrund
der häufigen Übergriffe des Angeklagten getrennt
lebten. Daß die Zeugin bei früheren Gelegenheiten
jemals ihre Weigerung als "besonders reizvolles Spiel" verstanden
hatte, was das Landgericht zugunsten des Angeklagten erwägt,
oder daß der Angeklagte dies angenommen habe, ergibt sich aus
den Feststellungen nicht. Vor diesem Hintergrund kam schon dem
äußeren Tatablauf - nächtliches Eindringen
in die Wohnung der Geschädigten, Anwendung nicht unerheblicher
Gewalt - eine Indizwirkung für den Vorsatz des Angeklagten zu,
die zu erörtern gewesen wäre.
Soweit das Landgericht die "egozentrische Sicht" des Angeklagten als
mögliche Ursache eines Irrtums erwägt, hat es
gewichtige Anhaltspunkte nicht bedacht, welche dieser Annahme
entgegenstehen. Der Angeklagte zeigte nach den Feststellungen ein
"besitzergreifendes Verhalten"; er gestand seiner Ehefrau kein Recht
zur Selbstbestimmung zu, wenn dies seinen Wünschen
entgegenstand (UA S. 10). Seine Bemerkungen unmittelbar im
Anschluß an die zweite Tat, es habe der
Nebenklägerin "wohl keinen Spaß gemacht", und er
vollziehe mit ihr den Geschlechtsverkehr, "ob sie wolle oder nicht",
sind gewichtige Beweisanzeichen dafür, daß der
Angeklagte den entgegenstehenden Willen der Geschädigten
kannte und daß seine Vorstellung nicht etwa dahin ging, die
Geschädigte sei mit den sexuellen Handlungen einverstanden.
Wem aus egoistischer, allein auf die Durchsetzung eigener
Wünsche gerichteter Gesinnung ein möglicherweise
entgegenstehender Wille des Opfers einer sexuellen Nötigung
von vornherein gleichgültig ist, handelt nicht im
vorsatzausschließenden Irrtum, sondern zumindest bedingt
vorsätzlich.
Mit den für ein vorsätzliches Handeln sprechenden
Umständen hat sich das Landgericht weder einzeln noch in ihrem
Gesamtgewicht auseinandergesetzt; zugleich fehlt es an der Darlegung
hinreichend konkreter Anhaltspunkte für die vom Landgericht
als möglich angesehene Irrtumslage. Dies führt zur
Aufhebung des Freispruchs.
Die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum äußeren
Tatgeschehen konnten aufrechterhalten werden.
Bode Detter Rothfuß
Ri´inBGH Elf ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert.
Fischer Bode
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