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BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - 3 StR 78/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 6.5.2004 - 3 StR 78/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 78/04
vom
6.05.2004
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6.05.2004,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Winkler
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin
wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 24. Oktober
2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten dieser Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil
wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge und mit versuchtem
Mord" zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richten
sich die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Schwester
des Tatopfers, die sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen
hat. Sämtliche Beschwerdeführer rügen die Verletzung materiellen Rechts.
Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin beanstanden, daß der Angeklagte nicht
wegen vollendeten Mordes verurteilt wurde, die Staatsanwaltschaft wendet sich
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darüber hinaus gegen die Strafzumessung. Der Angeklagte bemängelt die Beweiswürdigung.
Nur die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin
haben Erfolg.
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am Nachmittag des Tattages suchte der Angeklagte die 24jährige
Mandy E. , seine frühere Nachbarin, in deren neuer Wohnung auf. Mandy
E. ließ den Angeklagten in ihre Wohnung ein. "Spätestens jetzt" faßte dieser
den Entschluß, notfalls auch gegen ihren Willen mit ihr sexuell zu verkehren.
Er führte gegen ihren Widerstand den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß
durch. "Spätestens jetzt" begann der Angeklagte, sein Opfer mit den
Händen am Hals zu würgen, rutschte zunächst wegen dessen Gegenwehr jedoch
immer wieder ab, so daß er erneut zugreifen mußte. Das Tatopfer beschimpfte
den Angeklagten und bezeichnete ihn unter anderem als Schwein.
Der Angeklagte wollte diese Beschimpfungen nicht mehr ertragen und sein Opfer
zur Ruhe bringen. Er würgte es daher für mindestens zwei weitere Minuten,
wobei er bemerkte, daß sein Opfer nach Luft schnappte und vergeblich versuchte,
sich körperlich zur Wehr zu setzen. Mandy E. verlor nunmehr "zumindest"
das Bewußtsein. Als sie sich nicht mehr rührte, faßte der Angeklagte
den Entschluß, sie zu töten, um sie als Tatzeugin der Vergewaltigung zu beseitigen
und hierdurch seine Bestrafung zu verhindern. Er band ein Koaxialkabel
sowie ein Halstuch eng um den Hals der Mandy E. und verknotete beides,
um sein Opfer auf diese Weise zu erdrosseln. Ob Mandy E. aufgrund dieser
Drosselung verstarb oder bereits infolge des Würgens mit den Händen zu
Tode gekommen war, konnte nicht geklärt werden. Der Angeklagte verließ anschließend
zunächst die Wohnung. Er kehrte in der Nacht zurück, transportierte
die Leiche ab und vergrub sie in einem Maisfeld.
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Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, daß der
Angeklagte bereits bei dem ersten Würgen mit Tötungsvorsatz handelte. Da zu
seinen Gunsten aber davon ausgegangen werden müsse, daß Mandy E.
bereits hierdurch zu Tode kam, könne das nachfolgende Drosseln nur als versuchter
Mord gewertet werden.
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin führen
zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; denn die Feststellungen des Landgerichts
zur subjektiven Tatseite des als Todesursache in Betracht kommenden
Würgens sind lückenhaft und finden - soweit sie getroffen wurden - teilweise
keine Grundlage in der Beweiswürdigung des Landgerichts. Der Senat vermag
daher nicht zu prüfen, ob das Landgericht zu Recht von einer Verurteilung des
Angeklagten wegen eines vollendeten Tötungsdelikts abgesehen hat.
Den Urteilsgründen läßt sich schon nicht entnehmen, aus welchem
Grund der Angeklagte spätestens nach Abschluß des Geschlechtsverkehrs
begann, sein Opfer zu würgen, welches Ziel er damit verfolgte und welche Vorstellungen
er sich über die Folgen des Würgens machte. Die Beschimpfungen
durch Mandy E. und das Bestreben des Angeklagten, durch das Würgen die
Beschimpfungen zu beenden und sein Opfer zur Ruhe zu bringen, setzten
nach den Feststellungen erst ein, als der Angeklagte mit dem Würgen bereits
begonnen hatte. Darüber hinaus ist mit dieser - später einsetzenden - Motivation
allein das Handlungsziel des Angeklagten beschrieben, während offen
bleibt, ob er hinsichtlich eines Tötungserfolges vorsätzlich oder lediglich fahrlässig
handelte. Denn für das Vorliegen des - bedingten - Tötungsvorsatzes ist
es nicht von Belang, welchen außertatbestandlichen Zweck der Angeklagte mit
dem Würgen verfolgte. Entscheidend ist vielmehr, ob er die möglichen tödlichen
Folgen des Würgens voraussah und diese gegebenenfalls in Kauf nahm,
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um sein Ziel zu erreichen, die Beschimpfungen durch Mandy E. zu beenden.
Hierzu verhält sich das Urteil nicht. Es befaßt sich insbesondere nicht mit
dem Umstand, daß der Angeklagte während des mindestens zweiminütigen
- weiteren - Würgens das Ringen seines Opfers um Luft und dessen vergebliche
Abwehrversuche wahrnahm. Wenn er dennoch von seinem Opfer nicht
abließ, könnte dies ein deutlicher Hinweis darauf sein, daß er dessen Tod zumindest
billigend in Kauf nahm. Zwar führt das Landgericht im Rahmen der
rechtlichen Würdigung aus, ein Tötungsvorsatz des Angeklagten bereits in
dem Zeitpunkt, als er begann, sein Opfer zu würgen, sei nicht belegt. Insoweit
handelt es sich jedoch schon nicht um eine eigenständige ergänzende Darlegung
zur subjektiven Tatseite, sondern um eine - rechtsfehlerhafte - Subsumtion,
die auf lückenhaften Feststellungen beruht. Im übrigen erschöpft sie den
Sachverhalt nicht, da - wie dargelegt - der bedingte Tötungsvorsatz vom Angeklagten
auch noch während des Würgens gefaßt worden sein kann.
Hinzu kommt, daß die Überzeugung des Landgerichts, der Angeklagte
habe Mandy E. gewürgt, um deren Beschimpfungen zu beenden und sie zur
Ruhe zu bringen, keine Stütze im Beweisergebnis findet. Zwar hatte sich der
Angeklagte dahin eingelassen, das Tatopfer habe ihn, nachdem es zunächst
zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen und er zwischenzeitlich
beim Einkaufen gewesen sei, beschimpft und sei hysterisch geworden. Dies
hat das Landgericht aber als Schutzbehauptung erachtet, die durch das übrige
Beweisergebnis widerlegt sei. Damit handelt es sich aber bei der Feststellung,
das Opfer habe den Angeklagten beschimpft und dies sei der Grund für das
- weitere - Würgen gewesen, um eine reine Vermutung, auf die das Landgericht
sein Urteil nicht stützen durfte. Hiermit hat es sich gleichzeitig den Blick
darauf verstellt, daß nach den Umständen die Prüfung nahegelegen hätte, ob
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der Angeklagte das Tatopfer mit direktem Tötungsvorsatz würgte, um die vorangegangene
Vergewaltigung zu verdecken.
Die Frage, ob der Angeklagte Mandy E. bereits mit Tötungsvorsatz
würgte und daher wegen eines vollendeten Totschlags oder Mordes unabhängig
davon zu verurteilen ist, ob der Tod durch das Würgen oder durch das
Drosseln eintrat, bedarf nach alledem nochmaliger Prüfung.
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, daß auch die Strafzumessung
des Landgerichts rechtlichen Bedenken unterliegt. Der Angeklagte hat
subjektiv einen Verdeckungsmord begangen. Seine Verurteilung wegen vollendeten
Mordes scheiterte allein daran, daß er den Tod des Opfers möglicherweise
bereits durch eine vorangegangene gefährliche Körperverletzung fahrlässig
verursacht hatte. Bei einer solchen Fallgestaltung liegt es fern, den
Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB gemäß § 23 Abs. 2 i. V. m. § 49 Abs. 1
StGB zu mildern. Jedenfalls durfte das Landgericht diese Strafrahmenverschiebung
nicht allein darauf stützen, der Angeklagte habe die Ermittlungen
erleichtert, indem er die Polizei zum Versteck der Leiche führte, und sei bei der
Tat alkoholbedingt enthemmt gewesen, ohne daß die Voraussetzungen des
§ 21 StGB jedoch erfüllt gewesen wären. Vielmehr hätte es sich mit den wesentlichen
versuchsbezogenen Strafzumessungsgründen auseinandersetzen
müssen (vgl. dazu Tröndle/
Fischer, StGB 51. Aufl. § 23 Rdn. 4 m. w. N.), wozu maßgeblich zählte, daß der
Angeklagte aus seiner Sicht nicht nur einen beendeten Mordversuch, sondern
einen vollendeten Mord begangen hatte. Neben dem Umstand, daß sein Opfer
tatsächlich zu Tode gekommen war, durfte auch die vorangegangene Vergewaltigung
bei der Strafrahmenwahl nicht unberücksichtigt bleiben.
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III. Die Revision des Angeklagten ist aus den Gründen, die der Generalbundesanwalt
in seiner Zuschrift vom 17. März 2004 zutreffend dargelegt hat,
offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Winkler Miebach von Lienen
Becker Hubert



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