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BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 1 StR 24/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 6.11.2003 - 1 StR 24/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 24/03
vom
6.11.2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
4.11.2003 in der Sitzung am 6.11.2003, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten O. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K.
- jeweils in der Verhandlung vom 4.11.2003 -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten O.
- in der Sitzung am 6.11.2003 -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 30. August 2002
a) soweit es den Angeklagten O. betrifft, mit den Feststellungen
aufgehoben,
b) hinsichtlich des Angeklagten K. mit den Feststellungen
aufgehoben,
aa) soweit der Angeklagte wegen verbotener Insidergeschäfte
in sechs Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem
Erbringen von Finanzdienstleistungen, verurteilt worden
ist,
bb) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe, die Einziehung
und den Verfall.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an
eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
- 4 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen verbotener Insidergeschäfte
in neun Fällen, davon in sechs Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem
Erbringen von Finanzdienstleistungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von insgesamt
77.065,28 € in sein Vermögen angeordnet. Der Angeklagte K. wurde
wegen verbotener Insidergeschäfte in sechs Fällen, jeweils in Tateinheit mit
unerlaubtem Erbringen von Finanzdienstleistungen sowie Urkundenfälschung
ebenfalls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Auch bei
ihm hat das Landgericht die Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem
hat es die Forderung dieses Angeklagten gegen die ConSors-Direkt-Bank
N. aus seinem dortigen Konto in Höhe von 285.529,63 € eingezogen und den
Verfall des Wertersatzes in Höhe von 2.147,43 € angeordnet.
Der Angeklagte O. macht ein Verfahrenshindernis geltend und wendet
sich mit seiner näher ausgeführten Sachbeschwerde gegen die Verurteilung.
Der Angeklagte K. erstrebt mit der Sachbeschwerde den Wegfall der
Verurteilung wegen verbotener Insidergeschäfte, der Einziehungsanordnung
sowie des Verfalls. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
- 5 -
I.
Der Angeklagte O. war Redakteur der von dem Zeugen F. herausgegebenen
Fachzeitschrift „Der Aktionär“ und des Börsenbriefes „Neuer
Markt Inside“. Zudem trat O. in einschlägigen Fernsehsendungen auf und
gab dort Anlagetips. Im Hinblick auf seine „überzeugende Performance“ galt er
deshalb 1999 und 2000 sowohl bei interessierten Privatanlegern als auch bei
institutionellen Großanlegern als „der Anlagespezialist“ und „Meinungsmacher“
auf dem Gebiet des „Neuen Marktes“. Neben der Tätigkeit als Redakteur beriet
O. über die von F. gegründete „Gesellschaft für Börsenkommunikation
mbh“ (GFBK) mehrere Aktienfonds, unter anderem den „DAC-Kontrast-
Universal-Fonds“ (Anlagevolumen in der Spitze: 472 Millionen €; nachfolgend
DAC) und den „H & A Lux DAC Neuer-Markt-Fonds“ (Anlagevolumen in der
Spitze: 50 Millionen €; nachfolgend H & A). Insoweit bestanden Beratungsverträge
zwischen den Fonds und der GFBK einerseits und der GFBK und O.
andererseits, wonach O. die Beratung der Fonds zufiel. Beide Fonds investierten
vorwiegend in Unternehmen des „Neuen Marktes“. Wie O. wußte,
setzten die zuständigen Abteilungen der Fonds seine Anlageempfehlungen in
der Regel ohne Rückfragen und zeitnah an der Börse um. Anlageempfehlungen
gegenüber diesen Fonds, die sich auch auf die jeweils zu erwerbenden
Stückzahlen bezogen, werden den Angeklagten als „Empfehlungen“ im Sinne
des sogenannten „Scalping“ zur Last gelegt.
Der Mitangeklagte K. beschäftigte sich privat - mit mäßigem Erfolg
- ebenfalls mit der Börse. Seine Informationen bezog er vor allem aus der
Zeitschrift „Der Aktionär“. Im August 2000 verfiel er auf die Idee, einen Aktienfonds
zu gründen, um mit einer größeren Summe an der Börse zu spekulieren.
- 6 -
Er wandte sich deswegen an O. . Beide kamen überein, von K. eingeworbene
Gelder für private Aktiengeschäfte zu verwenden und sich dabei
den Einfluß O. s auf Anlageentscheidungen der von ihm beratenen Fonds
zunutze zu machen. O. wußte, daß große Orders der Fonds zu entsprechenden
Kursanstiegen bei den jeweiligen Aktienwerten führten. Um einen sicheren
Gewinn zu erzielen, sollte er sich vor den Empfehlungen an die Fonds mit den
jeweiligen Aktien eindecken und diese nach dem zu erwartenden Kursanstieg
wieder verkaufen. Die hierdurch erzielten Gewinne sollten zwischen den beiden
Angeklagten und den Geldgebern wie folgt aufgeteilt werden: O. 30 %;
K. 20 %; Geldgeber 50 %. In der Folgezeit warb K. mit der Behauptung,
die Geschäfte seien absolut sicher, weil der Angeklagte O. über
die Möglichkeit verfüge, die Kurse der gekauften Aktien zu "pushen", mehrere
Anleger, die teilweise aus seiner unmittelbaren Verwandtschaft stammten. Sie
zahlten insgesamt 243.426,06 € auf das Privatkonto K.   s bei der Con-
Sors-Direkt-Bank ein.
Mit diesem Geld erwarb O. entsprechend dem Tatplan innerhalb von
elf Tagen (12. Oktober 2000 bis 23. Oktober 2000; Fälle II 1 bis 6 der Urteilsgründe)
Aktien im Gesamtvolumen von 469.147,15 €, um diese anschließend
den von ihm betreuten Fonds zum Kauf zu empfehlen. Diese folgten den Empfehlungen
zeitlich praktisch unmittelbar. Nach den in jedem Fall eingetretenen
Kurssteigerungen verkaufte O. die Aktien zeitnah, teilweise noch am selben
Tag, wieder und erzielte im genannten Zeitraum hierdurch einen Gewinn in
Höhe von insgesamt 61.716,26 €, der dem Konto K.   s bei der ConSors-
Direkt-Bank gutgeschrieben und teils neben dem dort befindlichen Geld zum
Erwerb weiterer Aktien bereitgehalten wurde. Von den erzielten Gewinnen entnahmen
O. 23.519,43 € und K. 2.147,43 €.
- 7 -
Auf die gleiche Weise verfuhr O. allein innerhalb der beiden Wochen
vom 9. Oktober 2000 bis 23. Oktober 2000 auf eigene Rechnung (Fälle II 7 bis
9 der Urteilsgründe) und erzielte dabei mit einem Anlagevolumen von
377.273,95 € einen Gewinn von insgesamt 53.545,85 €.

Die Größenordnungen der Empfehlungen des Angeklagten O. an die
beratenen Fonds bewegten sich im Bereich von bis zu 100.000 Aktien (Fälle II
1, 2, 6, 8 und 9), die teilweise auch in diesem Umfang von den Fonds umgesetzt
wurden (Fälle II 6 und 9). Im Fall II 6 entsprach dies bei einem Kurs von
18,42 € für den DAC-Fonds einer Anlage in Höhe von 1.842.000 €. O.
selbst hatte am Tage vor der Empfehlung zwischen 18.46 Uhr und 19.33 Uhr in
mehreren Einzelakten insgesamt 7.029 Aktien desselben Unternehmens zu
Kursen von maximal 16,70 € erworben. Am nächsten Tag, sieben Minuten
nachdem er die Empfehlung an den DAC-Fonds ausgesprochen hatte, verkaufte
er - wie auch in allen anderen Fällen - sämtliche zuvor erworbenen Aktien
mit Gewinn (Verkaufskurs im Fall II 6: 18,50 €). Im Fall II 5 erfolgten Kauf
(11.42 Uhr), Empfehlung an den Fonds (11.43 Uhr), Aktienorder durch den
Fonds (12.07 Uhr) und Verkauf seitens des Angeklagten (12.53 Uhr) am selben
Tage innerhalb eines Zeitraums von nur wenig mehr als einer Stunde. Die Gewinnmargen
bewegten sich zwischen 3,7 % (Fall II 1) und 29,6 % (Fall II 2) des
eingesetzten Kapitals. In den meisten Fällen lag die Gewinnspanne bei ca. 10
%.
II.
- 8 -
1. Das vom Angeklagten O. geltend gemachte Verfahrenshindernis
liegt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts nicht vor. Die
Anklageschrift ist hinreichend bestimmt und erfüllt ihre Informationsfunktion.
2. Soweit sich der Angeklagte K. nicht gegen die Verurteilung wegen
Urkundenfälschung wendet, ist die Beschränkung seines Rechtsmittels
wirksam. Sie ist dagegen unwirksam, soweit die Revision die mit den verbotenen
Insidergeschäften in Tateinheit stehenden Verstöße gegen das Kreditwesengesetz
vom Angriff ausklammert (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 8).
III.
Die Verurteilungen der Angeklagten wegen verbotener Insidergeschäfte
und unerlaubtem Eigenhandel nach dem Kreditwesengesetz halten rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
1. Die von den Angeklagten nach ihrem Tatplan praktizierte Vorgehensweise,
Wertpapiere in der Absicht zu erwerben, diese anschließend zum Kauf
zu empfehlen, um sie dann bei steigendem Kurs - infolge der Empfehlung - mit
Gewinn wieder zu verkaufen, bezeichnet man als „Scalping“ (siehe Anhang
Abschnitt B zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments
und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmißbrauch)
2001/C 240 E/32 - ABl. EG v. 28.08.2001 C 240 E S.265). Der Begriff
stammt aus dem angelsächsichen Raum (vgl. S.E.C. v. Capital Gains Bureau,
375 U.S. 180 (1963); S.E.C. v. Tokyo Joe, 99 F. Supp. 2d 889; beiden Entscheidungen
US-amerikanischer Gerichte lagen typische „Scalping“-
Fallgestaltungen zugrunde). Hierzulande war die strafrechtliche Beurteilung
- 9 -
des „Scalping“ bislang streitig, insbesondere lag dazu keine höchstrichterliche
Entscheidung vor.
a) Nach bisher wohl herrschender Meinung, der sich das Landgericht
angeschlossen hat, wurde angenommen, „Scalping“ erfülle den Tatbestand
eines verbotenen Insidergeschäfts nach den §§ 13 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1 Nr. 1
WpHG (vgl. Schneider/Burgard ZIP 1999, 381; Cahn ZHR 162 (1998), 1, 20 f.;
Assmann/Cramer in Assmann/Schneider, WpHG 2. Aufl. § 14 Rdn. 34 unter
Aufgabe der noch in der Vorauflage vertretenen Ansicht; LG Frankfurt NJW
2000, 301; ausdrücklich offengelassen vom OLG Frankfurt NJW 2001, 982;
vgl. auch Hopt in FS Heinsius S. 289, 294 f.).
b) Die Vertreter der Gegenansicht verneinten eine Strafbarkeit unter
dem Gesichtspunkt des verbotenen Insiderhandels (vgl. Volk BB 1999, 66;
ders. ZIP 1999, 787; Petersen wistra 1999, 328; Weber NZG 2000, 113; ders.
NJW 2000, 562 zugl. Bespr. v. LG Frankfurt NJW 2000, 311; Lenenbach ZIP
2003, 243; Soesters, Die Insiderhandelsverbote des Wertpapierhandelsgesetzes
S. 176 ff., auch allgemein zum Streitstand). Sie sahen darin eine Marktmanipulation,
die den Tatbestand des Kursbetrugs gemäß § 88 BörsG aF erfüllen
konnte (Assmann/Cramer aaO Rdn. 34 a.E.; Ledermann in: Schäfer, Wertpapierhandelsgesetz/
Börsengesetz/Verkaufsprospektgesetz § 88 BörsG Rdn. 12;
Schwark, BörsG 2. Aufl. § 88 Rdn. 8; Weber aaO; Schneider/Burgard aaO; Lenenbach
aaO).
c) Nach Ansicht des Senats ist „Scalping“ als „sonstige Täuschung“ den
marktmanipulativen Handlungen im Sinne von § 88 Nr. 2 BörsG aF bzw. § 20a
- 10 -
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zuzuordnen; es ist kein Insidergeschäft im Sinne
der §§ 13, 14 WpHG.
aa) Die Auffassung, „Scalping“ sei ein Insidergeschäft, trifft nicht zu. Die
Annahme, beim „Scalping“ sei das Wissen des Täters, daß er die selbst erworbenen
Aktien anschließend empfehle, eine Insidertatsache, trägt dem europarechtlichen
Hintergrund der Insidervorschriften des WpHG nicht hinreichend
Rechnung.
Die mit dem 2. Finanzmarktförderungsgesetz eingeführten Regelungen
dienten der Umsetzung der EG-Insiderrichtlinie vom 13. November 1989 (ABl.
EG L 334 S. 30; vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung,
BTDrucks. 12/6679 S.34). Die Vorschriften über verbotene Insidergeschäfte
sind daher „richtlinienkonform“ auszulegen (vgl. Hopt in: Bankrechtshandbuch,
§ 197 Rdn. 3; Weber NJW 2000, 562, 563). Schon der Wortlaut der EGRichtlinie
spricht dagegen, selbst geschaffene „Tatsachen“, wie sie hier vorliegen,
als Insidertatsachen einzustufen. Die Richtline verwendet in der entsprechenden
Passage nicht das Wort „Tatsache“, sondern den Begriff der Insiderinformation,
der in Art. 1 der Richtline als „präzise Information“ definiert ist.
Danach reicht eine selbst geschaffene innere Tatsache - hier: Kauf und anschließende
Empfehlung von Aktien zum Zwecke der Kursmanipualtion - nicht
aus, weil eine „Information“ regelmäßig einen Drittbezug aufweist (vgl. Weber
NJW 2000, 562, 563). Eine Verwendung des Begriffs der Information in dem
Sinne, daß eine Person sich über einen von ihr selbst gefaßten Gedanken „informiert“,
ist dem Sprachgebrauch fremd. Die Gesetzesmaterialien bieten keinen
Anhalt dafür, daß der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtline
mit der Verwendung des Begriffs der Tatsache anstelle des Begriffs der
- 11 -
Information bewußt von der Richtline abweichen wollte und von einem anderen
Verständnis ausging.
Ein solcher Drittbezug liegt allerdings beim sogenannten „Frontrunning“
(Eigengeschäfte in Kenntnis von Kundenaufträgen - vgl. Erwägungsgrund Nr.
19 der EG-Richtline 2003/6/EG vom 28. Januar 2003 - ABl. EG Nr. L 096 vom
12. April 2003 S. 16 ff.), das in der Zielrichtung dem „Scalping“ ähnelt, regelmäßig
vor. Im Unterschied zum „Scalping“ erlangt der Täter dort aber typischerweise
tatsächlich Kenntnis von einer „präzisen Information“, nämlich einer
Kauf- oder Verkaufsorder, die er, bevor diese ausgeführt wird, zu eigenen Anoder
Verkäufen des betreffenden Wertpapiers ausnutzt. Demgegenüber wird
beim „Scalping“ die kursbeeinflussende Order durch die eigene Empfehlung
des Täters erst ausgelöst.
bb) Der europäische und der deutsche Gesetzgeber stufen deshalb
„Scalping“ nicht als Insidergeschäft, sondern als marktmanipulative Handlung
ein.
Im Vorschlag für eine neue EG-Richtlinie über Insider-Geschäfte und
Marktmanipulation (ABl. C 240 E vom 28. August 2001 S. 265 ff.) wurde ausdrücklich
zwischen Insider-Geschäften einerseits (Art. 1 Nr. 1) und Marktmanipulation
andererseits (Art. 1 Nr. 2; Art. 5) unterschieden. Dieser Richtlinienentwurf
ordnete das „Scalping“ den marktmanipulativen Handlungen zu (Anhang
Abschnitt B des Entwurfs). Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Richtlinienentwurf
durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I
S. 2010) in das Wertpapierhandelsgesetz eingearbeitet (siehe dazu Moosmayer
wistra 2002, 161). Dabei hat er die §§ 13, 14 WpHG unverändert gelassen
- 12 -
und § 20a WpHG (Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation) neu eingefügt.
Diese Änderung ist im Vorgriff auf die neue EG-Insiderrichtlinie am 1. Juli
2002 in Kraft getreten. § 20a WpHG löste den bis dahin geltenden § 88 BörsG
ab, wobei - trotz des teilweise abweichenden Wortlautes - der Kern des Anwendungsbereiches
erhalten bleiben sollte (BTDrucks. 14/8017 S. 89). Am 12.
April 2003 ist die Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation
(Marktmißbrauch; ABl. EG Nr. L vom 12. April 2003 S. 16) in Kraft getreten. Sie
ist zwar nicht vollständig identisch mit dem ursprünglichen Entwurf, ändert aber
an der rechtlichen Einordnung des „Scalping“ als marktmanipulative Handlung
nichts (vgl. Art. 2 der Richtlinie 2003/6/EG).
Im Hinblick auf die Vielzahl denkbarer, auch künftiger Marktmanipulationstechniken
ist in § 20a Abs. 2 WpHG dem Verordnungsgeber anheimgegeben,
mögliche Täuschungshandlungen nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG
für die Rechtsanwendungspraxis näher - aber nicht abschließend - zu umschreiben
(BTDrucks. 14/8017 S. 90). Auch insoweit hat sich der Gesetzgeber
an dem EG-Richtlinienentwurf orientiert (Art. 5 Abs. 2). Das ergibt sich auch
aus dem inzwischen vorliegenden Entwurf der „Verordnung zur Konkretisierung
des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV)“ (BRDrucks.
639/03) - nach Urteilsverkündung in Kraft getreten am 28.11.2003
(BGBl I, 2300) -. Nach diesem Entwurf gilt als sonstige Täuschungshandlung
im Sinne von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG „die Verbreitung von Gerüchten
oder Empfehlungen bei Bestehen eines möglichen Interessenkonflikts, ohne
daß dieser zugleich in adäquater Weise offenbart wird“ (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 Ku-
MaKV - Entwurf). Davon soll auch das „Scalping“ erfaßt werden. Eine sonstige
Markttäuschung liegt danach vor, wenn der Täter Anlageempfehlungen mit
- 13 -
dem Ziel abgibt, Marktteilnehmer zu entsprechenden Geschäften zu veranlassen,
die zu einer Preisbeeinflussung führen, wenn er selbst entsprechende Positionen
eingegangen ist und wirtschaftlichen Nutzen aus der erwarteten Preisbeeinflussung
ziehen möchte (vgl. Begründung zum Entwurf der Verordnung
zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation,
BRDrucks. 639/03 S. 13). In Anlehnung an die EG-Richtline vom 28. Januar
2003 (siehe die dort zu Art. 2 a) bis c) genannten Beispiele) stellt der Verordnungsentwurf
beim „Scalping“ wesentlich auf die bestehende Interessenkollision
zwischen dem Empfehlenden, der selbst Dispositionen in den entsprechenden
Wertpapieren getroffen hat, und dem Adressaten der Empfehlung als potentiellem
Anleger ab. Das entspricht dem das US-amerikanische Insiderrecht
prägenden Grundsatz des „disclose or abstain“ (vgl. Mennicke, Sanktionen gegen
Insiderhandel, 1996 S. 253). Der Empfehlende hat entweder die bestehende
Interessenkollision offenzulegen (disclose) oder sich Eigengeschäften hinsichtlich
des betreffenden Wertpapiers zu enthalten (abstain).
d) In der Abgabe von Empfehlungen mit dem Ziel ihrer kursbeeinflussenden
Wirkung durch den Angeklagten O. gegenüber den von ihm beratenen
Fonds lag eine (konkludente) sonstige Täuschung im Sinne von § 88 Nr. 2
BörsG bzw. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Die Kaufempfehlungen beinhalteten
die stillschweigende Erklärung, daß sie nicht mit dem sachfremden Ziel
der Kursbeeinflussung zu eigennützigen Zwecken bemakelt waren (vgl. BGHR
StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 21 - Verschweigen einer Preisabsprache). Darauf,
ob die Empfehlungen nach fachlichem Urteil aufgrund der Marktsituation
sachlich gerechtfertigt waren, kommt es bei dieser Sachlage - Täuschung
durch aktives Tun - nicht an, weil die Fonds über den eigentlichen Beweggrund
für die Empfehlung in die Irre geführt wurden. Auch nach der EG-Richtline
- 14 -
2003/6/EG soll sich eine Person, die Geschäfte abschließt oder Kauf- oder
Verkaufsaufträge ausführt, die den Tatbestand einer Marktmanipulation erfüllen,
nicht mit Erfolg darauf berufen können, sie habe legitime Gründe gehabt,
diese Geschäfte abzuschließen, wenn sich hinter den Geschäften tatsächlich
ein anderer rechtswidriger Grund verbirgt (s. Erwägungsgrund Nr. 20).
Das war hier der Fall. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
dienten die von dem Angeklagten O. ausgesprochenen Empfehlungen
nicht dem Zweck, den von ihm beratenen Fonds zu einer günstigen Anlageentscheidung
zu verhelfen. Seine Einlassung, er sei vom Potential der Wertpapiere
überzeugt gewesen, habe sie deshalb empfohlen und auch zu Eigengeschäften
genutzt, hat die Strafkammer zu Recht als unerheblich angesehen, da
es ihm darauf nicht ankam.
Nach den Feststellungen ging O. entsprechend dem gemeinsamen
Tatplan systematisch vor, indem er „jeweils beim privaten Erwerb der Aktien die
Absicht hatte, diese zeitnah den Fonds zu empfehlen, um hierdurch gegebenenfalls
eintretende Kurssteigerungen auszunutzen“ (UA S. 48). Dies geschah
„in dem sicheren Wissen, daß die Fonds seinen Kaufempfehlungen folgen und
somit mit Sicherheit Kurssteigerungen eintreten würden“ (UA S. 16). Auf diese
Weise sollten die Aktien „gepusht“, das heißt in die Höhe getrieben werden, um
durch den zeitnah anschließenden Verkauf einen sicheren Gewinn zu realisieren
(UA S. 13). Die aufgrund der Umsetzung auch hinsichtlich der von ihm vorgegebenen
Größenordnung der Anlageepfehlungen und des Anlagevolumens
der Fonds erwarteten Kurssteigerungen traten in allen Fällen ein (UA S. 16).
Die Strafkammer durfte aus den zeitnah nach den Empfehlungen erfolgten
Verkäufen die naheliegende Schlußfolgerung ziehen, daß die Empfehlungen
- 15 -
nur deshalb erfolgten, um durch die Fondsorders entstandene Kurssteigerungen
auszunutzen, zumal O. die Aktienpakete anschließend jeweils vollständig
wieder abstieß. Der Tatplan der Angeklagten beinhaltete gerade, daß O.
die erworbenen Aktien durch seinen Einfluß auf die Anlageentscheidungen der
Fonds „pushen“ sollte. Bei dieser Form der aktiven Täuschung und des zeitnahen
Verkaufs durch den Angeklagten spielte ein etwa tatsächlich vorhandenes
„Potential“ der Aktien für die Empfehlungen keine Rolle.
e) Der Senat kann insoweit nicht in der Sache entscheiden und den
Schuldspruch selbst umstellen. Zwar liegt Tatidentität vor, jedoch waren Verstöße
gegen den zur Tatzeit geltenden § 88 BörsG nicht Gegenstand der Anklage.
Auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht ist weder ein Hinweis
auf diese Vorschrift noch auf § 20a WpHG in Verbindung mit §§ 38, 39
WpHG erfolgt (§ 265 StPO). Der Senat sieht davon ab, Feststellungen bestehen
zu lassen. Die Strafkammer hat diese zwar - insbesondere für Zweck und
Motivation der Anlageberatung - rechtsfehlerfrei, aber unter dem Gesichtspunkt
verbotener Insidergeschäfte nach §§ 13, 14 WpHG getroffen.
f) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
aa) Der neue Tatrichter wird gemäß § 2 Abs. 3 StGB in konkreter Betrachtungsweise
(vgl. BGH NStZ-RR 2002, 201; Tröndle/Fischer, StGB 51.
Aufl. § 3 Rdn. 10 ff. m.w.Nachw.) prüfen müssen, ob die neue Gesetzeslage
milder ist. Die hier relevante Tatbestandsalternative des § 88 Nr. 2 BörsG aF
hat nach dem Willen des Gesetzgebers in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben
ihre Entsprechung in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG gefunden (vgl.
BTDrucks. 14/8017 S. 64, 83, 89). Die Strafbarkeit von Verstößen gegen diese
- 16 -
Vorschrift hängt nach § 38 Abs.1 Nr. 4 WpHG davon ab, daß - im Sinne eines
tatbestandlichen Erfolges - durch die Tathandlung eine Einwirkung auf den
Marktpreis eingetreten ist. Auf dieses zusätzliche Erfordernis kam es bei § 88
Nr. 2 BörsG aF nicht an. Dort reichte es aus, daß die Handlung „zur Einwirkung“
begangen wurde, was gegenüber dem neuen Recht eine Vorverlagerung
der Strafbarkeit bedeutete (Gefährdungsdelikt). Die Strafvorschrift des § 38
Abs.1 Nr. 4 WpHG ist damit in ihrem Anwendungsbereich einerseits enger und
damit milder als § 88 Nr. 2 BörsG aF, andererseits sieht sie eine höhere Strafdrohung
(fünf Jahre gegenüber drei Jahren Freiheitsstrafe) vor. Insofern wird
der neue Tatrichter gegebenenfalls die Sperrwirkung des milderen Rechts zu
beachten haben.
Läßt sich eine Einwirkung auf den Kurs nicht feststellen - was nach den
bisherigen Feststellungen eher fernliegt -, handelt es sich nach neuem Recht
nunmehr im Grundtatbestand nur noch um eine Ordnungswidrigkeit gemäß
§ 39 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (zur Verjährungsfrist: § 39 Abs. 4 WpHG i.V.m. § 31
Abs. 2 Nr. 1 OWiG - drei Jahre). Diese Vorschrift entspricht in ihren tatbestandlichen
Voraussetzungen § 88 Nr. 2 BörsG aF; § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG
ist damit eine Erfolgsqualifikation des § 39 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (vgl. zu alledem
im einzelnen BTDrucks. 14/8017 S. 89 und S. 98 f.; Moosmayer aaO S.163).
Die im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB erforderliche Unrechtskontinuität
ist gewahrt. Die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges
im Sinne von § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG war auch nach altem Recht strafbar, weil
der Tatbestand des Gefährdungsdeliktes (§ 88 Nr. 2 BörsG aF) erst recht dann
erfüllt ist, wenn das geschützte Rechtsgut nicht nur gefährdet, sondern verletzt
worden ist. Es liegt keine zeitliche Strafbarkeitslücke vor, auch wenn die ge-
17 -
plante Rechtsverordnung zu § 20a WpHG, die Varianten „sonstiger Täuschungshandlungen“
im Sinne von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG näher umschreiben
soll, noch nicht erlassen worden ist. Diese Rechtsverordnung wirkt
nicht strafbarkeitsbegründend. Die Strafbarkeit als solche ergibt sich bereits
unmittelbar aus § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Der Gesetzgeber hat dem
Verordnungsgeber gem. § 20a Abs. 2 WpHG lediglich freigestellt („kann“), nähere,
nicht abschließende Typisierungen von sonstigen Täuschungshandlungen
zu umschreiben (vgl. BTDrucks. 14/8017 S. 90). Die geplante Verordnung
soll dem Normadressaten eine Orientierungshilfe an die Hand geben, die
gleichzeitig flexibel genug ist, um auf Veränderungen des Marktes und auf
neue Mißbrauchstechniken angemessen zu reagieren (vgl. die Begründung
zum Entwurf der KuMaKV: BRDrucks. 639/03 S. 10; BTDrucks. 14/8017 S.
90).
Der Tatbestand des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ist auch hinreichend
bestimmt. Zunächst stellt die Vorschrift durch das Merkmal der „sonstigen“
Täuschungshandlungen einen Bezug zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG
her, der einzelne Täuschungshandlungen näher konkretisiert und damit Hinweise
für die Auslegung des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG bietet. Zudem ist
der Begriff der Täuschungshandlung ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal
des § 263 Abs. 1 StGB, das aus den dort im Tatbestand beschriebenen Tatmodalitäten
(Vorspiegelung, Entstellung, Unterdrückung von Tatsachen) abgeleitet
wird. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG geht von keinem anderen Verständnis
des Begriffs der Täuschung aus (vgl. § 3 Abs. 1 1. Halbsatz des Entwurfs
der KuMaKV), den der Gesetzgeber auch an anderer Stelle verwendet
(vgl. §§ 109a, 152a, 267, 270, 276, 283 StGB). Die Rechtsprechung hat klare
Kriterien dafür entwickelt, wann eine Täuschung vorliegt. Hiernach ist Täu-
18 -
schung jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und
damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt (vgl. nur BGHSt 47, 1, 3; BGH
wistra 2001, 386).
bb) Für die Beurteilung der Frage, ob durch die marktmanipulative
Handlung tatsächlich eine Einwirkung auf den Kurs eingetreten ist, dürfen angesichts
der Vielzahl der - neben Tathandlung - regelmäßig an der Preisbildung
mitwirkenden Faktoren keine überspannten Anforderungen gestellt werden,
weil der Tatbestand des § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG ansonsten weitgehend
leerliefe. Vergleiche von bisherigem Kursverlauf und Umsatz, die Kurs- und
Umsatzentwicklung des betreffenden Papiers am konkreten Tag sowie die Ordergröße
können eine Kurseinwirkung hinreichend belegen. Eine Befragung
der Marktteilnehmer ist dazu nicht veranlaßt.
2. Auch die Verurteilungen wegen unerlaubten Eigenhandels nach dem
Kreditwesengesetz haben keinen Bestand.
a) Das Landgericht hat - soweit die An- und Verkäufe der Aktien für die
Geldgeber erfolgten - (Fälle 1 bis 6) jeweils Eigenhandel im Sinne von § 1 Abs.
1a Satz 2 Nr. 4 KWG angenommen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
aa) Eigenhandel nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG setzt voraus, daß
der Erwerb und die Veräußerung des Finanzinstruments für einen anderen erfolgt.
Der Handel für einen anderen ist in drei Varianten denkbar: Im Wege offener
Stellvertretung (im fremden Namen für fremde Rechnung - Abschlußvermittlung
§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG), im Wege verdeckter Stellvertretung
(im eigenen Namen für fremde Rechnung - Kommissionsgeschäft § 1 Abs. 1
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Satz 2 Nr. 4 KWG) und im Wege des Eigenhandels für einen anderen (im eigenen
Namen für eigene Rechnung - § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG). Von den
beiden erstgenannten Alternativen unterscheidet sich der Eigenhandel dadurch,
daß regelmäßig zwei Kaufverträge vorliegen: Der Finanzdienstleister
erwirbt ein Wertpapier im eigenen Namen und verkauft es anschließend an den
Kunden weiter. Voraussetzung des Eigenhandels ist daher, daß vor dem Kauf
ein konkreter Kundenauftrag zum Erwerb eines bestimmten Wertpapiers - in
der Regel zu einem vereinbarten Festpreis - erteilt wurde (vgl. Kokemoor in
Beck/Samm KWG Stand: 99. Ergänzungslieferung [September 2003] § 1
Rdnrn. 270-272; Reischauer/Kleinhans KWG Stand: 4. Ergänzungslieferung
2003 [August 2003] § 1 Anm. 193-196; Oelkers WM 2001, 340, 344 f.).
bb) Eine solche Vorgehensweise hat die Strafkammer nicht festgestellt.
Danach war es den Geldgebern gleichgültig, welche Wertpapiere die Angeklagten
mit den von ihnen zur gewinnbringenden Anlage bereitgestellten Gelder
erwarben. In keinem der Fälle kam es zum Abschluß der den Eigenhandel
prägenden Kaufverträge über die von den Angeklagten zu erwerbenden Wertpapiere.
Vielmehr hatten die Angeklagten insoweit „freie Hand“. Die Rolle der
Anleger erschöpfte sich demgegenüber in der Bereitstellung des Spekulationskapitals
und ihrer Beteiligung an dem erwirtschafteten Gewinn.
b) Es wird aber zu prüfen sein, ob eine erlaubnispflichtige Finanzportfolioverwaltung
im Sinne von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG vorliegt. Für diese
ist ein Entscheidungsspielraum des Verwalters kennzeichnend, wie ihn der Angeklagte
O. besaß, da er die bereitgestellten Gelder im Interesse der Anleger
nach seinem freien Ermessen zu gewinnbringenden Spekulationen mit
Wertpapieren verwenden sollte. Unschädlich ist dabei, daß ihm bereits die
- 20 -
Erstanlageentscheidung oblag. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG erfordert nicht,
daß bereits ein Wertpapierpaket vorhanden ist und dieses dem Verwalter
überlassen wird (vgl. Reischauer/Kleinhans aaO Anm. 187). Die nunmehr zur
Entscheidung berufene Strafkammer wird auch zu erwägen haben, ob die Angeklagten
einen sogenannten „Investmentclub“ betrieben, eine Tatvariante, die
ebenfalls von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG erfaßt sein kann (vgl. dazu Kokemoor
in Beck/Samm aaO § 1 Rdnrn. 269 ac; Reischauer/Kleinhans aaO § 1
Anm. 189 ff.). Um dies abschließend bewerten zu können, werden ergänzende
Feststellungen zu den mit den Geldgebern vereinbarten Modalitäten und der
(Wertpapier-) kontenmäßigen Abwicklung durch O. notwendig sein.
c) Sofern hinsichtlich des Vorwurfs von Verstößen gegen das Kreditwesengesetz
nicht nach § 154a Abs. 2 StPO verfahren werden kann, wird zu
prüfen sein, ob der in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellte
Tatvorwurf des unerlaubten Betreibens von Einlagengeschäften nach
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG wieder aufzunehmen ist. Die von den Anlegern
zur Verfügung gestellten und damit „fremden“ Gelder waren nach dem Tatplan
(mit Gewinnanteil) zurückzuzahlen und somit rechtlich als Darlehen einzustufen.
Auch die weiteren Voraussetzungen eines Einlagengeschäfts dürften hier
vorgelegen haben (gleichartige, typisierte Verträge mit den Geldgebern, fehlende
bankübliche Besicherung; vgl. BGHR KWG § 1 Einlage 1).
Nack Boetticher Schluckebier
Hebenstreit Elf
Nachschlagewerk: ja
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BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
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WpHG §§ 13 Abs.1 Nr. 3 , 14 Abs. 1 Nr. 1, 20 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 38
Abs. 1 Nr. 4, 39 Abs. 1 Nr. 2
BörsG aF § 88 Nr. 2
GG Art. 103 Abs. 2
StGB § 1
1. Der Erwerb von Insiderpapieren in der Absicht, sie anschließend einem anderen
zum Erwerb zu empfehlen, um sie dann bei steigendem Kurs - infolge
der Empfehlung - wieder zu verkaufen (sog. Scalping), ist kein Insidergeschäft,
sondern eine Kurs- und Marktpreismanipulation im Sinne von § 20a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG.
2. Eine solchermaßen motivierte Empfehlung ist auch dann eine verbotene
Kurs- und Marktpreismanipulation, wenn die Empfehlung nach fachmännischem
Urteil sachlich gerechtfertigt wäre.
3. Zwischen den Vorschriften des § 88 Nr. 2 BörsG aF und den § 39 Abs. 1
Nr. 2, § 38 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG besteht
Unrechtskontinuität.
BGH, Urteil vom 6.11.2003 - 1 StR 24/03 - Landgericht Stuttgart
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