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BGH, Urteil vom 6. September 2005 - 5 StR 284/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 6.9.2005 - 5 StR 284/05
5 StR 284/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
6.09.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. September
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Sch
als Verteidiger,
Rechtsanwalt K
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Hamburg vom 3.02.2005, soweit
es den Angeklagten C betrifft,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte
des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung schuldig ist, und
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren
verurteilt. Die Staatsanwaltschaft greift mit ihrer zuungunsten des Angeklagten
eingelegten Revision den Schuldspruch an und beanstandet zudem die
Strafzumessung. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der
Staatsanwaltschaft hat insoweit mit der Sachrüge Erfolg.
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2. Nach den vom Tatrichter getroffenen Feststellungen lockten der
Angeklagte und sein Mittäter den Geschädigten zu einer abgelegenen Stelle,
um ihn auszurauben. Der Angeklagte griff dort als erster an, indem er ein
mitgeführtes Gas, möglicherweise CS-Gas, gegen den Geschädigten einsetzte
und diesen schubste. Weil es dem Geschädigten nicht gelang, vor
dem Angeklagten und seinem Mittäter davonzulaufen, leistete er Widerstand.
Bei der anschließenden Rangelei kamen der Angeklagte und der Geschädigte
so zu Fall, dass der Angeklagte auf dem Rücken und der Geschädigte
bäuchlings auf ihm lag. Nunmehr trat und schlug der Mittäter auf den Geschädigten
ein und versetzte ihm zwei Messerstiche in Gesäß und Oberschenkel
und neun weitere in den Rücken. Als die Gegenwehr des Geschädigten
schließlich nachließ, durchsuchten ihn der Angeklagte und sein Mittäter
nach mitnehmenswerten Gegenständen und entwendeten unter anderem
Bargeld, ein Handy, die Armbanduhr und eine Halskette.
Das Landgericht hat beim Angeklagten die Voraussetzungen eines
gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
(§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 249 Abs. 1, § 52 StGB) als
erfüllt angesehen. Hinsichtlich des Messereinsatzes hat die Strafkammer
beim Angeklagten sowohl das Vorliegen eines schweren Raubes nach § 250
Abs. 1 Nr. 1a und Abs. 2 Nr. 1 StGB als auch einer gefährlichen Körperverletzung
nach § 224 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 StGB verneint, weil der Mittäter in
einem dem Angeklagten nicht zurechenbaren Exzess gehandelt habe. Hinsichtlich
des Gaseinsatzes hat sie einen schweren Raub nach § 250 Abs. 1
Nr. 1a und Abs. 2 Nr. 1 StGB verneint, weil das eingesetzte Gas nach seiner
objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im konkreten Fall
nicht nachweisbar geeignet gewesen sei, erhebliche Verletzungen bei dem
Geschädigten herbeizuführen.
3. Die Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Zu deren Überprüfung
ist das Revisionsgericht nur eingeschränkt berufen und in der Lage. Das
Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen, ist Sache des
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Tatrichters. Das Revisionsgericht hat dessen Entscheidung grundsätzlich
hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe
Rechtsfehler (vgl. § 337 StPO) enthalten. Diese sind namentlich dann gegeben,
wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich, unklar
ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Dabei brauchen
die Schlussfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend zu sein, es genügt,
dass sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass
die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren
Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung
nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist
(st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 18, 20; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung
2; Überzeugungsbildung 26).
Einen Rechtsfehler in diesem Sinne enthält das Urteil zu Gunsten des
Angeklagten nicht. Die Strafkammer hat ausreichend dargelegt, weshalb sie
hinsichtlich des Messereinsatzes einen Exzess des Mittäters bejaht hat. Die
weitere Annahme des Tatrichters, dass der Angeklagte auch bis zur Tatbeendigung
keine Kenntnis von den Messerstichen hatte, sondern erst „bei der
nächsten Laterne - etwa 15 Meter entfernt - bemerkte, dass seine Kleidung
blutverschmiert war“, ist nicht völlig lebensfremd und vom Revisionsgericht
noch hinzunehmen. Die Strafkammer hat ihre Überzeugung auch darauf gestützt,
dass die am Tatort befindliche Straßenlaterne ausgefallen und es dort
dunkel war, der Angeklagte unter dem Geschädigten lag und die diesem zugefügten
Messerstiche als Schläge deutete, das Messer in den Händen des
Mittäters nicht bemerkte und ihm die Blutflecke an seiner Kleidung nicht
schon bei der anschließenden Durchsuchung des Geschädigten am Tatort,
sondern erst an der nächsten Laterne auffielen und er dort dem Mittäter eine
Ohrfeige versetzte, weil er den Messereinsatz nicht billigte.
4. Im Hinblick auf die vom Tatrichter rechtsfehlerfrei angenommene
objektive Ungefährlichkeit des verwendeten Gases ist es nicht zu beanstanden,
dass die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB
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verneint worden sind. Das Landgericht hat jedoch übersehen, dass in diesem
Fall § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StGB anwendbar ist. Das vom Angeklagten
eingesetzte Gas ist als Werkzeug oder Mittel im Sinne dieser Vorschrift,
bei der es sich um einen Auffangtatbestand handelt (vgl. BGHR StGB § 250
Abs. 1 Nr. 1a Waffe 2), zu bewerten. Der Angeklagte hat das Werkzeug oder
Mittel nicht nur - was ausreichen würde - in der Absicht mitgeführt, dieses
Tatmittel zur Verhinderung oder Überwindung des Widerstandes des Geschädigten
durch Gewaltanwendung oder Drohung damit einzusetzen, sondern
sogar verwendet. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend.
§ 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich ersichtlich
nicht anders hätte verteidigen können.
5. Die Nachprüfung des Urteils hat im Übrigen keinen den Angeklagten
begünstigenden oder beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Die Änderung
des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Sache
bedarf demnach neuer Strafzumessung. Dazu ist eine allgemeine Strafkammer
berufen, weil sich das weitere Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen
richtet (vgl. BGHSt 35, 267).
Harms Häger Raum
Brause Schaal



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