BGH,
Urt. v. 9.8.2000 - 3 StR 139/00
StGB § 306 b Abs. 2 Nr. 2
Andere Straftat i.S. des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist auch
die Straftat einer anderen Person.
BGH, Urt. vom 9. August 2000 - 3 StR 139/00 - LG Osnabrück
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 139/00
vom
9. August 2000
in der Strafsache gegen
wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9.
August 2000, an der teilgenommen haben: Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan als Vorsitzende, die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung, Bundesanwalt bei der
Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt
als Verteidiger, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Osnabrück vom 4. Januar 2000 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur besonders
schweren Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von fünf
Jahren verurteilt. Der Beschwerdeführer erhebt eine
Aufklärungsrüge und macht mit der Sachrüge
geltend, daß es sich bei der in § 306 b Abs. 2 Nr. 2
StGB genannten Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen,
um ein persönliches Merkmal handle, das nur beim
Angestifteten, nicht aber beim Angeklagten vorgelegen habe. Das
Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte den Zeugen R. , den
Pächter einer Bar, der ihm von seinen erheblichen finanziellen
Problemen berichtet hatte, dazu angestiftet, das gepachtete Lokal
"abzufackeln", um aus der Versicherungssumme seine finanziellen
Probleme zu lösen. Der Zeuge R. hat das Gebäude, in
dem sich auch Wohnungen befinden, in Brand gesetzt und weitgehend
zerstört. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung
zur besonders schweren Brandstiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2
i.V. mit § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt, weil der Zeuge
R. "in der Absicht handeln sollte, eine andere Straftat,
nämlich einen Versicherungsbetrug, zu begehen".
I. Die Aufklärungsrüge erweist sich als nicht
begründet. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Haupttäter R. hat in dem gegen ihn gerichteten
Ermittlungsverfahren in einer Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter am
22. Dezember 1998 in Anwesenheit von Oberstaatsanwalt M.
erklärt, daß der Angeklagte ihn nicht nur zur Tat
bestimmt, sondern ihm auch den verwendeten Brandbeschleuniger
übergeben habe. In der gegen ihn durchgeführten
Hauptverhandlung hat R. dagegen nach einem von Oberstaatsanwalt M. als
Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gefertigten Aktenvermerk
bestritten, daß er den Brandbeschleuniger von dem Angeklagten
erhalten hatte und in einem Nachsatz hinzugefügt: "... meine
Erinnerungen verschwimmen ...". In der Hauptverhandlung gegen den
Angeklagten, bei der Oberstaatsanwalt M. wieder Sitzungsvertreter der
Staatsanwaltschaft war, hat er nach den Urteilsfeststellungen - in
Übereinstimmung mit seiner ersten Darstellung vor dem
Ermittlungsrichter am 22. Dezember 1998 - nunmehr als Zeuge
bestätigt, den Brandbeschleuniger vom Angeklagten bekommen zu
haben.
Der Beschwerdeführer macht mit der
Aufklärungsrüge geltend, daß
Oberstaatsanwalt M. über das Aussageverhalten hätte
vernommen oder wenigstens der von ihm über die Angaben des R.
in der gegen diesen gerichteten Hauptverhandlung gefertigte
Aktenvermerk verlesen werden müssen, da die Strafkammer bei
der Beweiswürdigung davon ausgegangen ist, daß sich
die Aussage des Zeugen mit seinen früheren Angaben decken
würde.
Das Landgericht mußte sich zu der vermißten
Beweiserhebung nicht gedrängt sehen. Entgegen der Auffassung
des Revisionsführers kann nicht ausgeschlossen werden,
daß der aufgezeigte Widerspruch in der Hauptverhandlung eine
das Gericht und die Verfahrensbeteiligten befriedigende
Erklärung gefunden haben kann. Dabei ist zu
berücksichtigen, daß Oberstaatsanwalt M. , der
bereits bei der ermittlungsrichterlichen Vernehmung vom 22. Dezember
1998 anwesend gewesen war, in der Hauptverhandlung gegen den
Angeklagten wiederum als Sitzungsvertreter fungierte und somit in
persönlicher Kenntnis der früheren Aussagen des
Zeugen seine erneuten Angaben verfolgen konnte. Bei dieser Sachlage
erscheint es bereits in hohem Maße unwahrscheinlich,
daß weder er, noch ein anderer Beteiligter den Widerspruch
aufgegriffen und einer Erörterung zugeführt haben
soll; jedenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, daß
entweder der Zeuge R. für seine abweichenden Angaben in seiner
eigenen Hauptverhandlung eine Erklärung gegeben hat, die die
Glaubhaftigkeit seiner sonstigen Angaben nicht in Frage gestellt hat,
oder daß Oberstaatsanwalt M. bei Erörterung der
Diskrepanz seinen nachträglich und aus dem Gedächtnis
gefertigten Vermerk ("die Notizen geben die Aussage weder
vollständig noch wörtlich wieder") insoweit
abschwächen mußte.
Im übrigen könnte auch ausgeschlossen werden,
daß das Urteil auf der unterlassenen Aufklärung
beruht. Die Aussage des Zeugen R. war in ihrem wesentlichen Kern,
nämlich zu der Anstiftungshandlung selbst, durchgehend
konstant und wurde insoweit durch den Zeugen K. bestätigt.
II. Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg. Der Angeklagte hat
nach den getroffenen Feststellungen den Zeugen R. angestiftet, ein
Gebäude, das
- auch - der Wohnung von Menschen dient, in Brand zu setzen und hat
dabei in der Absicht gehandelt, daß dieser einen
Versicherungsbetrug und damit eine andere Straftat begehen
könne. Darin hat die Strafkammer im Ergebnis zu Recht eine
Anstiftung zu einer besonders schweren Brandstiftung nach §
306 b Abs. 2 Nr. 2 i.V. mit § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB gesehen.
a) Daß das Gebäude, in dem die von dem Zeugen R.
gepachtete Bar untergebracht war, nur zum Teil Wohnzwecken diente,
steht der Anwendung des § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB auch nach
neuem Recht nicht entgegen (BGH NStZ 2000, 197, 198; vgl. zum
bisherigen Recht BGHSt 34, 115, 117 f.; BGH NStZ 1985, 455).
b) Das Ermöglichen einer anderen Straftat i.S. des §
306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist auch dann erfüllt, wenn die
schwere Brandstiftung zum Zweck eines Betrugs zum Nachteil der
Versicherung begangen wird (BGH NJW 2000, 226 ff., zur
Veröffentlichung in BGHSt unter 45, 211 bestimmt). Der 4.
Strafsenat hat in dieser Entscheidung eingehend dargelegt,
daß der gegenüber § 307 Nr. 2 StGB a.F.
geänderte Wortlaut, die Reduzierung des Strafrahmens und die
Gesetzgebungsgeschichte zur Neufassung des § 306 b StGB eine
dem Wortlaut widersprechende Einschränkung, wonach die
Ausnutzung der brandbedingten Gemeingefahr erforderlich sei, nicht mehr
rechtfertigen kann. Der Senat hat sich dieser Auffassung
zwischenzeitlich angeschlossen (BGH NStZ 2000, 197, 198; Beschl. vom
15. März 2000 - 3 StR 597/99).
c) Unter "andere Straftat" i.S. des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB
ist nicht nur eine andere Straftat des Täters, sondern auch
eine andere Straftat einer anderen Person zu verstehen. Dies ist
für den Anwendungsbereich der insoweit gleichlautenden
Vorschrift des § 211 Abs. 2 StGB anerkannt (BGHSt 9, 180, 182
m.w.Nachw.; Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 9; Horn
in SK-StGB 50. Lfg. § 211 Rdn. 55; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 211 Rdn.
32; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 211 Rdn. 12). Zur
Begründung wird angeführt, daß weder der
Wortlaut noch der Sinn des Gesetzes eine einschränkende
Auslegung des Anwendungsbereichs zulassen (BGH aaO S. 182).
Für den Anwendungsbereich des § 306 b Abs. 2 Nr. 2
StGB, der vom Wortlaut mit der entsprechenden Mordqualifikation des
§ 211 Abs. 2 StGB und mit § 315 Abs. 3 Nr. 1 b StGB
(= § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB a.F.) völlig
übereinstimmt, kann nichts anderes gelten. Für die
Auslegung der Merkmale der Ermöglichungs- und
Verdeckungsabsicht gelten nach bisheriger Auffassung dieselben
Grundsätze (vgl. Horn in SK-StGB 49. Lfg. § 315 Rdn.
13 i.V. mit § 211 Rdn. 55; Tröndle/Fischer, StGB 49.
Aufl. § 315 Rdn. 22 i.V. mit § 211 Rdn. 9;
Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 315 Rdn. 8 i.V. mit
§ 211 Rdn. 13). Wie sich aus der Begründung des
Entwurfs des 6. StrRG vom 25. September 1997 ergibt, wurde bei der
Qualifikation "eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu
verdecken" an die entsprechende Vorschrift des § 315 Abs. 3
Nr. 2 StGB a.F. angeknüpft, ohne daß den
Gesetzgebungsmaterialien irgendein Anhaltspunkt zu entnehmen ist,
daß dieses wortgleich übernommene
Qualifikationsmerkmal bei § 306 b StGB einen anderen
Anwendungsbereich als bei § 315 Abs. 3 Nr. 1 b oder §
211 Abs. 2 StGB haben solle (BTDrucks.13/8587 S. 49; vgl. zum
Rückgriff auf die Auslegung zu diesen Vorschriften auch BGH
NJW 2000, 226, 228).
Der besondere Unwert der schweren Brandstiftung, "um eine andere
Straftat zu ermöglichen", liegt darin, daß sie der
Begehung kriminellen Unrechts dienen soll, wobei sich die
erhöhte Verwerflichkeit aus der Bereitschaft, zur Durchsetzung
krimineller Ziele ein abstrakt (§ 306 a Abs. 1 StGB) oder
konkret (§ 306 a Abs. 2 StGB) gefährliches
Brandstiftungsdelikt zu begehen, mithin aus der Verknüpfung
von Unrecht mit weiterem Unrecht durch den Täter ergibt (BGH
NJW 2000, 226, 228). Unter diesen Gesichtspunkten rechtfertigt sich -
ebenso wie bei § 211 Abs. 2 und § 315 Abs. 3 Nr. 1 b
StGB - keine unterschiedliche Behandlung, gleich ob der Täter
weiteres eigenes oder fremdes kriminelles Unrecht ermöglichen
will. Auch die hohe Mindeststrafe des § 306 b Abs. 2 StGB mit
fünf Jahren Freiheitsstrafe, für deren
Anwendungsbereich zur Zeit ein minder schwerer Fall nicht zur
Verfügung steht, gebietet eine unterschiedliche Auslegung
nicht. Wie sich aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt, wurde die
Herabsetzung der Untergrenze des Strafrahmens von zehn (§ 307
StGB a.F.) auf fünf Jahre (§ 306 b Abs. 2 StGB n.F.)
damit begründet, daß die Qualifikationsmerkmale
gegenüber der alten Fassung erweitert worden sind
(BTDrucks.13/8587 S. 49; vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte BGH NJW 2000,
226, 228).
d) Der Angeklagte hatte bei seiner Anstiftungshandlung auch die
Absicht, den Haupttäter R. dazu zu bestimmen, daß
dieser eine Brandstiftung begeht, um dadurch den Versicherungsbetrug zu
ermöglichen. Allerdings hat die Strafkammer bei der
rechtlichen Würdigung lediglich darauf abgestellt,
daß nach dem Willen des Angeklagten R. in der Absicht handeln
sollte, eine andere Straftat zu begehen. Damit hat sie einen falschen
rechtlichen Maßstab zugrundegelegt, weil die in §
306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB geforderte Absicht ein täterbezogenes
besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28
Abs. 2 StGB ist, das für jeden Beteiligten vorliegen
muß, gegen den die Strafschärfungsvorschrift
angewandt werden soll (BGH NStZ 2000, 197, 198). Die
Urteilsfeststellungen ergeben jedoch, daß diese Absicht auch
beim Angeklagten selbst vorgelegen hat. So ergibt sich aus UA S. 5,
daß der Angeklagte dem Zeugen R. deswegen den Vorschlag
machte, die angepachtete Bar "abzufackeln", damit er die Versicherung
in Anspruch nehmen könne, denn "wenn es brennen
würde, würde die Versicherung bezahlen, dann seien
alle Probleme für ihn erledigt". Auf UA S. 10 hat die
Strafkammer bei der rechtlichen Würdigung trotz des rechtlich
fehlerhaften Ausgangspunktes deutlich gemacht, daß nach dem
Willen des Angeklagten der Zeuge R. den Brand nur deswegen legen
sollte, damit er einen Versicherungsbetrug begehen könne.
Absicht bedeutet dabei nur zielgerichtetes Handeln, das heißt
der Handlungswille des Täters muß gerade auf den vom
Gesetz bezeichneten Handlungserfolg gerichtet sein (Cramer in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 15 Rdn.
66; vgl. auch Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 15 Rdn.
20), der hier in der Begehung der anderen Straftat, nämlich
des Versicherungsbetrugs liegt. Da sich die Absicht nur auf die
Ermöglichung der Begehung einer anderen Straftat, nicht aber
auf die Erzielung der Früchte aus dieser Straftat beziehen
muß, kommt es auch nicht darauf an, ob und auf welche Weise
der Angeklagte durch die Anstiftungshandlung an der letztlich durch R.
zu erzielenden Versicherungssumme finanziell partizipieren wollte oder
aber ein sonstiges Eigeninteresse an dieser Tat hatte, da die
Tatbestandsverwirklichung nur das Ziel, auf dessen Erreichung es dem
Täter ankommt, nicht aber das Endziel, d.h. das Motiv sein
muß (Lackner/Kühl a.a.O.).
Auch im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Rissing-van Saan Miebach Winkler Pfister von Lienen |