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Eine Darstellung der BGH-Rechtsprechung in Strafsachen



 
§ 265 StPO
Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2. das Gericht von einer in
der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3. der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
 
Strafprozessordnung, Stand 05.09.2017

Leitsätze zu § 265 StPO

 
StPO §§ 257c, 265

 
Die mit dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2353) eingeführte Vorschrift des § 257c StPO und die sich aus einer danach getroffenen Verständigung ergebenden Bindungen des Gerichts haben nicht die Kraft, die Hinweispflichten des § 265 StPO zu relativeren oder gar zu verdrängen.

BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - 2 StR 590/10 - LG Frankfurt am Main
 
 
StGB § 211 Abs. 2;
StPO § 265 Abs. 1, 4

Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert einen gerichtlichen Hinweis.

BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10 - Landgericht München II

NJW 2011, 1301
 

1. StPO § 200, § 265 Abs. 1 und 4
Auch bei einer durch die Natur der Sache bedingt im Tatsächlichen ungenauen Fassung der Anklageschrift (vgl. BGHSt 40, 44) ist ein Hinweis entsprechend § 265 StPO grundsätzlich nicht vorgeschrieben, wenn sich im Laufe der Hauptverhandlung nähere Konkretisierungen von Einzelfällen durch genauere Beschreibungen von Tatmodalitäten oder Begleitumständen ergeben (Abgrenzung zu BGHSt 44, 153). Ein Hinweis kann nur ausnahmsweise geboten sein, etwa um das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör oder den Schutz vor Überraschungsentscheidungen zu gewährleisten.

2. StPO § 59, § 61 Nr. 2
Wird ein Zeuge in einem späteren Abschnitt einer Hauptverhandlung noch einmal vernommen, bedarf es einer neuen Entscheidung über die Vereidigung. Diese umfaßt grundsätzlich die gesamte bisherige Aussage des Zeugen.

3. StPO § 247
War der Angeklagte, der für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen nach § 247 StPO ausgeschlossen war, bei der Verhandlung und Entscheidung über dessen Vereidigung verfahrensfehlerhaft nicht anwesend, so wird der Verfahrensfehler regelmäßig geheilt, wenn die Verhandlung und Entscheidung über die Vereidigung desselben Zeugen nach einer erneuten Vernehmung in Anwesenheit des Angeklagten stattfindet.

BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 - 3 StR 222/02 - LG Mönchengladbach

BGHSt 48, 221 - NJW 2003, 2107

                                  

StPO § 265 Abs. 3

§ 265 Abs. 3 StPO räumt dem Gericht kein Ermessen ein, die Hauptverhandlung lediglich zu unterbrechen; bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist die Verhandlung auszusetzen.

BGH, Urteil vom 24. Januar 2003 - 2 StR 215/02 - LG Bad Kreuznach

BGHSt 48, 183 - NJW 2003, 1748




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