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Eine Darstellung der BGH-Rechtsprechung in Strafsachen



 
§ 200 StPO
Inhalt der Anklageschrift

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben, wobei es jedoch der Angabe der vollständigen Anschrift nicht bedarf. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.
 
(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.
  
Strafprozessordnung, Stand 05.09.2017

Leitsätze zu § 200 StPO

 
StPO §§ 200, 264

Die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift gebietet auch bei Bandentaten oder "uneigentlichen Organisationsdelikten" nicht, dass für die Bestimmtheit des Anklagevorwurfs i.S.d. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO mehr an Substanz verlangt wird als materiell-rechtlich für einen Schuldspruch erforderlich ist.
 
BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - 1 StR 412/11 - LG Karlsruhe
 
 
StPO § 200 Abs. 1

Zu den Anforderungen an die Fassung des Anklagesatzes bei einer Vielzahl gleichartiger Einzelakte, die zu gleichartiger Tateinheit und damit auch prozessual zu einer Tat verbunden sind.

BGH, Urteil vom 2. März 2011 - 2 StR 524/10 - LG Frankfurt/Main
 
 
StPO § 243 Abs. 3 Satz 1, § 200 Abs. 1 Satz 1
 
In Strafverfahren wegen einer Vielzahl gleichförmiger Taten oder Tateinzelakte, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, ist dem Erfordernis der Verlesung des Anklagesatzes i.S.d. § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO Genüge getan, wenn dieser insoweit wörtlich vorgelesen wird, als in ihm die gleichartige Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, beschrieben und die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie bei Vermögensdelikten der Gesamtschaden bestimmt sind. Einer Verlesung der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder der Einzelakte bedarf es in diesem Fall nicht.
 
BGH (Großer Senat für Strafsachen), Beschluss vom 12. Januar 2011 – GSSt 1/10 – Landgericht Mannheim

NJW 2011, 1687
 
 
StPO § 200 Abs. 1 Satz 1

Zur Frage, inwieweit zur Beurteilung der Umgrenzungsfunktion der Anklage auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zur Prüfung der Frage zurückgegriffen werden kann, gegen welchen von mehreren Angeklagten sich ein bestimmter Vorwurf richtet.

BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09 - LG Münster

NStZ 2010, 159
 
 
StPO § 200

Bei einer Vielzahl gleichartiger Wirtschaftsstraftaten genügt der Anklagesatz regelmäßig dann sowohl der Umgrenzungs- als auch der Informationsfunktion, wenn über die Angabe der Zahl der Taten, des Gesamtschadens und des gesamten Tatzeitraums hinaus die gleichartigen Taten gruppiert bezeichnet werden und wenn die Einzelheiten im wesentlichen Ermittlungsergebnis detailliert (etwa tabellarisch) aufgelistet werden.

BGH, Beschluss vom 19. Februar 2008 - 1 StR 596/07 - LG Mannheim

wistra 2008, 221
                                  

1. StPO § 200, § 265 Abs. 1 und 4
Auch bei einer durch die Natur der Sache bedingt im Tatsächlichen ungenauen Fassung der Anklageschrift (vgl. BGHSt 40, 44) ist ein Hinweis entsprechend § 265 StPO grundsätzlich nicht vorgeschrieben, wenn sich im Laufe der Hauptverhandlung nähere Konkretisierungen von Einzelfällen durch genauere Beschreibungen von Tatmodalitäten oder Begleitumständen ergeben (Abgrenzung zu BGHSt 44, 153). Ein Hinweis kann nur ausnahmsweise geboten sein, etwa um das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör oder den Schutz vor Überraschungsentscheidungen zu gewährleisten.

2. StPO § 59, § 61 Nr. 2
Wird ein Zeuge in einem späteren Abschnitt einer Hauptverhandlung noch einmal vernommen, bedarf es einer neuen Entscheidung über die Vereidigung. Diese umfaßt grundsätzlich die gesamte bisherige Aussage des Zeugen.

3. StPO § 247
War der Angeklagte, der für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen nach § 247 StPO ausgeschlossen war, bei der Verhandlung und Entscheidung über dessen Vereidigung verfahrensfehlerhaft nicht anwesend, so wird der Verfahrensfehler regelmäßig geheilt, wenn die Verhandlung und Entscheidung über die Vereidigung desselben Zeugen nach einer erneuten Vernehmung in Anwesenheit des Angeklagten stattfindet.

BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 - 3 StR 222/02 - LG Mönchengladbach

BGHSt 48, 221 - NJW 2003, 2107




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