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Eine Darstellung der BGH-Rechtsprechung in Strafsachen



 
§ 55 StPO
Auskunftsverweigerungsrecht

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
 
(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
 
Strafprozessordnung, Stand 05.09.2017

Leitsätze zu § 55 StPO


StPO § 55 Abs. 1, § 238 Abs. 2

1. Liegt einer sachleitenden Anordnung des Vorsitzenden eine strafprozessuale Regelung zugrunde, die ihm einen Beurteilungsspielraum oder Ermessen eröffnet, so kann ein Verfahrensbeteiligter die Revisionsrüge, die Maßnahme habe die Grenzen des Beurteilungsspielraums bzw. Ermessens überschritten, grundsätzlich nur dann zulässig erheben, wenn er in der Hauptverhandlung von dem Rechtsbehelf nach § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht hat.

2. Hat der Vorsitzende einem Zeugen unter Verletzung seines Beurteilungsspielraums zu Unrecht ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugebilligt, so kann ein Verfahrensbeteiligter eine Verfahrensrüge hierauf demgemäß im Allgemeinen nur dann stützen, wenn er in der Hauptverhandlung die Entscheidung als unzulässig beanstandet hat.

BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06 - Hanseatisches OLG Hamburg

BGHSt 51, 144 - StV 2007, 59


StPO § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1, § 241 Abs. 2 ZSHG §§ 2, 3, 10

1. § 55 Abs. 1 StPO findet keine Anwendung, wenn sich der Zeuge erst durch die Beantwortung der an ihn gerichteten Frage strafbar machen kann.

2. Fragen, durch deren Beantwortung ein in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommener Zeuge ihm bekannt gewordene Erkenntnisse über Zeugenschutzmaßnahmen offenbaren müsste, sind nicht von vornherein ungeeignet oder nicht zur Sache gehörend im Sinne des § 241 Abs. 2 StPO. Derartige Fragen können jedoch zurückgewiesen werden, wenn ihre Beantwortung zur Überzeugung des Tatrichters für den Schuldspruch und den Rechtsfolgenausspruch ohne Bedeutung und daher nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht nicht geboten ist.

3. Ein Zeuge erwirbt nicht allein deswegen die Stellung einer anderen Person des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 54 Abs. 1 StPO, weil er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen und hierbei förmlich zur Verschwiegenheit über ihm bekannt gewordene Erkenntnisse zu Zeugenschutzmaßnahmen verpflichtet wird. Dieser Umstand begründet demgemäß nicht die Notwendigkeit, eine Aussagegenehmigung einzuholen, wenn an den Zeugen im Strafprozess Fragen gerichtet werden sollen, durch deren Beantwortung Tatsachen des Zeugenschutzes unmittelbar oder mittelbar bekannt werden können.

BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 281/04 - LG Wuppertal

NStZ-RR 2006, 308
 
 
StPO § 55 Abs. 1
 
Zum Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts eines Zeugen, wenn gegen ihn wegen des Lebensvorgangs, zu dem er befragt werden soll, ein bereits rechtskräftiger Schuldspruch vorliegt, der Straf- bzw. sonstige Rechtsfolgenausspruch jedoch noch nicht rechtskräftig geworden ist.
 
BGH, Beschluss vom 2. Juni 2005 - StB 8/05 - OLG Naumburg

NStZ 2005, 524
 

StPO § 55 Abs. 1; § 338 Nr. 1; GVG § 192 Abs. 2 und Abs. 3

1. Auf Besetzungsmängel in der Person eines später durch einen Ergänzungsrichter abgelösten Richters ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 StPO nicht anwendbar.

2. Die Feststellung der Verhinderung eines Schöffen durch den Strafkammervorsitzenden mit der Folge des Eintritts des Ergänzungsschöffen ist vom Revisionsgericht nicht nur auf Willkür zu überprüfen (Ergänzung von BGHSt 35, 366).

3. Hat ein Zeuge, dem nach § 55 StPO ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt wird, berechtigterweise die Beantwortung von Fragen der Verteidigung verweigert, bleiben seine übrigen Angaben
bei gebotener kritischer Würdigung seines Aussageverhaltens verwertbar.

BGH, Urteil vom 23. Januar 2002 - 5 StR 130/01 - LG Berlin

BGHSt 47, 220 - NStZ 2002, 608
                                  




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