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Eine Darstellung der BGH-Rechtsprechung in Strafsachen



 
§ 86 StGB
Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen

(1) Wer Propagandamittel
1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist,
2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
3. einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder
4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen,
im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.

(4) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.
 
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017

Leitsätze zu § 86 StGB


StGB § 86 a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 und 2, § 86 Abs. 1 Nr. 2 und 4

1. Der in eine andere Sprache übersetzte Leitspruch einer ehemaligen national-sozialistischen Organisation ist kein Kennzeichen, das der Originalparole im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB zum Verwechseln ähnlich ist.

2. Der Name einer Vereinigung oder Organisation nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB ist als solcher kein Kennzeichen im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 1 StGB.

BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 228/09 - LG Gera

BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163


StGB § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2, § 86 Abs. 1 Nr. 2

Der objektive Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist grundsätzlich erfüllt, wenn das von der verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) als Symbol benutzte stilisierte Keltenkreuz oder diesem zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen (§ 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB) öffentlich verwendet werden. Eines zusätzlichen Hinweises auf die Organisation bedarf es nicht. Ein tatbestandliches Handeln scheidet aber dann aus, wenn sich aus den Gesamtumständen der Verwendung des Kennzeichens eindeutig ergibt, dass diese dem Schutzzweck des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zuwider läuft.

BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 3 StR 164/08 - OLG Nürnberg

BGHSt 52, 364 - NStZ 2009, 384


StGB § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4

Für die Beurteilung, ob ein Kennzeichen "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB ist, kommt es nicht darauf an, daß das Original einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat.

BGH, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 3 StR 495/01 - KG Berlin

BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186


StGB §§ 130 Abs. 3, 5; 86 Abs. 3

Wer als Strafverteidiger in einem Verfahren wegen Volksverhetzung in einem Beweisantrag den unter der Herrschaft des Nationalsozialismus an den Juden begangenen Völkermord leugnet, macht sich damit grundsätzlich seinerseits nach § 130 Abs. 3 StGB strafbar. Eine derartige Erklärung ist regelmäßig als verteidigungsfremdes Verhalten zu bewerten, für das die Tatbestandsausschlußklausel des § 86 Abs. 3 StGB (i.V.m. § 130 Abs. 5 StGB) nicht gilt.
(Im Anschluß an BGHSt 46, 36)

BGH, Urteil vom 10. April 2002 - 5 StR 485/01 - LG Hamburg

BGHSt 47, 278 - StV 2002, 485


StGB § 130 Abs. 3, 5; § 86 Abs. 3

Der Tatbestand der Volksverhetzung in der Handlungsalternative des Verharmlosens des Holocaust (§ 130 Abs. 3 StGB) ist grundsätzlich auf Verteidigerhandeln nicht anzuwenden, wenn dem verteidigten Mandanten seinerseits Volksverhetzung i.S.d. Tatbestandes zur Last liegt. Insoweit greift die Tatbestandsausschlußklausel des § 86 Abs. 3 StGB (i.V.m. § 130 Abs. 5 StGB).

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Erklärung des Verteidigers ohne jeden Bezug zur Verteidigung ist oder sich als verteidigungsfremdes Verhalten erweist, das sich lediglich den äußeren Anschein der Verteidigung gibt, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beizutragen vermag.

BGH, Urteil vom 6. April 2000 - 1 StR 502/99 - LG Mannheim

BGHSt 46, 36 - NJW 2000, 2217





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