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Eine Darstellung der BGH-Rechtsprechung in Strafsachen



 
§ 40 StGB
Verhängung in Tagessätzen

(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.
 
(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.
 
(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.
 
(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.
 
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017


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§ 40 Abs. 2 StGB
    Tagessatzhöhe
       Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Tagessatzhöhe
       Berücksichtigung von Regreßansprüchen
       Verfahren bei Kompensationsentscheidungen
§ 40 Abs. 3 StGB
    Schätzung
Prozessuales
    Rechtsmittel
       Durchentscheidungen des Revisionsgerichts





§ 40 Abs. 2 StGB




Tagessatzhöhe

35
Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt sich unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters (§ 40 Abs. 2 Satz 1 StGB). Dabei ist grundsätzlich vom Nettoeinkommen auszugehen, das der Täter an einem Tag hat oder haben könnte (§ 40 Abs. 2 Satz 2 StGB). Jedoch erschöpft sich die Festlegung der Tagessatzhöhe nicht in einem mechanischen Rechenakt, sondern es handelt sich um einen wertenden Akt richterlicher Strafzumessung, der dem Tatrichter Ermessensspielräume hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Faktoren belässt (MüKo-StGB/Radtke, 3. Aufl., § 40 Rn. 56; ebenso Fischer, StGB, 64. Aufl., § 40 Rn. 6a). Zudem ist das Einkommen ein rein strafrechtlicher und nicht steuerrechtlicher Begriff, welcher alle Einkünfte aus selbständiger und nicht selbständiger Arbeit sowie aus sonstigen Einkunftsarten umfasst (Fischer, aaO Rn. 7), wobei es auch nicht erforderlich ist, dass es sich um Einnahmen in Form von Geldleistungen handelt (MüKo-StGB/Radtke, 3. Aufl., § 40 Rn. 60), auch Unterhalts- und Sachbezüge oder sonstige Naturalleistungen zählen hierzu (BGH, Beschl. v. 25.4.2017 - 1 StR 147/17 Rn. 7).

Grundsätzlich kann auch das Einkommen des Ehepartners berücksichtigt werden, wenn dem Täter hieraus tatsächlich Vorteile zufließen, wobei aber das Strafgericht den Entschluss eines Ehepartners, nicht berufstätig zu werden, zu respektieren hat (Fischer, StGB, 64. Aufl., § 40 Rn. 9). Im Ergebnis kommt es in solchen Fällen darauf an, inwieweit der nicht berufstätige Ehepartner am Familieneinkommen teilhat, indem ihm tatsächlich Naturalunterhalt, gegebenenfalls auch ein Taschengeld, gewährt wird (
BGH, Beschl. v. 25.4.2017 - 1 StR 147/17 Rn. 8).

Von den anzurechnenden Einkünften abzuziehen sind damit zusammenhängende Ausgaben, wie beispielsweise Werbungskosten und Betriebsausgaben, auch Sozialversicherungsbeiträge; ebenfalls sind in der Regel außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, Unterhaltsverpflichtungen des Täters demgegenüber nur in angemessenem Umfang (
BGH, Beschl. v. 25.4.2017 - 1 StR 147/17 Rn. 9; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 40 Rn. 13 ff.; MüKo-StGB/Radtke, 3. Aufl., § 40 Rn. 65 ff.; vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 121).

Verhängt das Tatgericht eine Geldstrafe, muss auch die Bestimmung der Höhe des Tagessatzes auf der Grundlage der festgestellten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters nachvollziehbar sein, § 40 Abs. 2 StGB (BGH, Beschl. v. 24.1.2013 - 3 StR 398/12).

Bei der Bestimmung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters im Sinne von § 40 Abs. 2 StGB sind Unterhaltsverpflichtungen angemessen, gegebenenfalls unter Ansatz eines pauschalen prozentualen Abschlags, zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2007 - 2 StR 290/07 - wistra 2008, 19; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 40 Rdn. 14 m.w.N.). Die Höhe des Tagessatzes kann vom Revisionsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO herabgesetzt werden, wenn das Tatgericht bei der Berechnung der Tagessatzhöhe rechtsfehlerhaft die Unterhaltsverpflichtung der Angeklagten unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.2011 - 5 StR 443/10).

Der Mietwert einer dem Täter gehörenden eigengenutzten Immobilie ist in die Berechnung als Einkommen einzustellen; Aufwendungen für die Finanzierung sowie angemessene Vorsorgeaufwendungen sind abzuziehen. Aus der bloßen Bezeichnung als "Nettoeinkommen" ergibt sich nicht, ob das Landgericht eine zutreffende Bewertung vorgenommen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2007 - 2 StR 290/07 - wistra 2008, 19).

  
Der Bestimmung der Tagessatzhöhe bedarf es auch dann, wenn aus der Einzelgeldstrafe und  Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird (BGH, Beschl. v. 14.5.1981 - 4 StR 599/80 - BGHSt 30, 93, 96; BGHR StGB § 54 Abs. 3 Tagessatzhöhe 1; BGH, Beschl. v. 20.4.1988 - 3 StR 138/88 - BGHR StGB § 54 Abs. 3 Tagessatzhöhe 2; BGH, Beschl. v. 18.6.2003 - 1 StR 214/03BGH, Beschl. v. 26.10.2004 - 4 StR 216/04BGH, Beschl. v. 3.6.2008 - 3 StR 163/08BGH, Beschl. v. 14.1.2009 - 4 StR 429/08BGH, Beschl. v. 5.1.2010 - 4 StR 478/09 - NStZ 2010, 276; BGH, Urt. v. 27.8.2010 - 2 StR 111/09 - BGHSt 55, 266 - NJW 2010, 3458; BGH, Beschl. v. 25.1.2011 - 4 StR 690/10; BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11; BGH, Beschl. v. 20.12.2011 - 4 StR 582/11; BGH, Beschl. v. 27.3.2012 - 3 StR 64/12; BGH, Beschl. v. 22.5.2013 - 1 StR 71/13).

Die nach § 40 StGB gesetzlich niedrigste Geldstrafe beträgt fünf Tagessätze zu je einem Euro (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 8.11.2011 - 3 StR 244/11).

Hat das Tatgericht die Höhe des Tagessatzes auf fünf Euro festgesetzt, die Höhe jedoch ausweislich der Urteilsgründe angesichts des geringen Einkommens des Angeklagten auf das Mindestmaß beschränken wollen, kann das Revisionsgericht die Tagessatzhöhe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO auf den gemäß § 40 Abs. 2 Satz 3 StGB niedrigsten in Betracht kommenden Betrag von einem Euro festsetzen (vgl. BGH, Beschl. v. 4.12.2012 - 4 StR 435/12).

vgl. zur Korrektur der Tagessatzhöhe durch das Revisionsgericht BayObLG, Beschl. v. 12.1.1988 - RReg 2 St 468/87 - StV 1988, 389; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.10.2013 – 3 StR 167/13 Rn. 41 - BGHSt 59, 34
      




[ Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Tagessatzhöhe
]

35.5
Für die Höhe der Tagessätze sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten bei Erlass des Urteils maßgebend (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.1988 - 2 StR 596/88 - BGHR StGB § 40 Abs. 2 Satz 1 Einkommen 2: BGH, Beschl. v. 23.8.2012 - 4 StR 207/12).

Beispiel: In den Fällen II. 1 und II. 6 der Urteilsgründe hat das Tatgericht jeweils Einzelgeldstrafen in Höhe von 90 bzw. 60 Tagessätzen verhängt; dabei hat es die Höhe des Tagessatzes im Fall II. 1 der Urteilsgründe auf 70 €, im Fall II. 6 der Urteilsgründe auf 5 € festgesetzt, ohne dies näher zu begründen. Nach den Feststellungen zur Person des Angeklagten erzielte dieser von 2004 bis 2007/2008 aus einer selbständigen Tätigkeit ein monatliches Einkommen von 2.000 bis 2.500 €. Das Tatgericht hat die Höhe des Tagessatzes für die im August 2007 begangene Tat unter II. 1 der Urteilsgründe offenbar wegen des damals erzielten Einkommens auf 70 € bestimmt, während es die Tagessatzhöhe für die im Mai 2011 begangene Tat unter II. 6 der Urteilsgründe auf 5 € festgesetzt hat. Dies ist rechtsfehlerhaft. Der Bundesgerichtshof hat korrigierend die Höhe des Tagessatzes der im Fall II. 1 der Urteilsgründe verhängten Geldstrafe von 90 Tagessätzen auf 5 € festgesetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 23.8.2012 - 4 StR 207/12).  




[ Berücksichtigung von Regreßansprüchen ]

35.10
Es bedarf etwa auch der Feststellung, wie sich der durch den Vorfall entstandene Sachschaden (ca. 250.000 DM) auf die Angeklagten ausgewirkt hat, insbesondere inwieweit die von ihnen betriebene Gesellschaft oder sie persönlich unmittelbar geschädigt oder Regreßansprüchen der Eigentümer oder von Versicherungen ausgesetzt sind. Solche Umstände können zum einen das Einkommen der Angeklagten aus der Gesellschaft gemindert haben, zum anderen sind derartige Schulden gegebenenfalls bei der Bemessung der Tagessatzzahl, Tagessatzhöhe und der Prüfung von Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2002 - 3 StR 340/01; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 40 Rdn. 20 m. w. N.). 




[ Verfahren bei Kompensationsentscheidungen ]

35.20
Bei Verhängung einer Geldstrafe ist diese bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht um einen bezifferten Abschlag zu ermäßigen, sondern die schuldangemessene Geldstrafe in der Urteilsformel auszusprechen und zugleich festzusetzen, dass ein bezifferter Teil der zugemessenen Tagessätze als bereits vollstreckt gilt (vgl. BGH, Beschl. v. 17.1.2008 - GSSt 1/07 - BGHSt 52, 124; BGH, Urt. v. 4.9.2014 - 4 StR 473/13). 



§ 40 Abs. 3 StGB




Schätzung

65
Dem Tatrichter steht gemäß § 40 Abs. 3 StGB eine Schätzungsbefugnis zu, sofern entweder der Angeklagte keine oder unrichtige Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht oder deren Ermittlung zu einer unangemessenen Verzögerung des Verfahrens führen würde bzw. der erforderliche Aufwand nicht im Verhältnis zur Höhe der Geldstrafe stehen würde (BGH, Beschl. v. 25.4.2017 - 1 StR 147/17 Rn. 10; OLG  Düsseldorf, Beschl. v. 19.1.1995 – 5 Ss 437/94; MüKo-StGB/  Radtke, 3. Aufl., § 40 Rn. 119).

Die Urteilsgründe müssen eine Ermessungsüberprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen, indem sie die konkreten tatsächlichen Grundlagen der Schätzung ausreichend darlegen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.11.2009 - 1 StR 283/09 - wistra 2010, 148; BGH NJW 1976, 634, 635; Beschl. v. 15.9.1987 - 1 StR 442/87; NJW 1993, 408, 409; BGH, Urt. v. 14.3.2003 - 2 StR 239/02 - NStZ 2003, 657; OLG Frankfurt StV 1984, 157; OLG Celle NJW 1984, 185, 186; OLG Düsseldorf StV 1997, 460 und NStZ 1998, 464; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.3.2002 - 3 StR 340/01).




Prozessuales




Rechtsmittel

Z.7




[ Durchentscheidungen des Revisionsgerichts ]

Z.7.1
Einer Festsetzung der Tagessatzhöhe bedarf es auch dann, wenn die Einzelgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB in eine Gesamt(freiheits)strafe einbezogen wird (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschl. v. 14.5.1981 - 4 StR 599/80 - BGHSt 30, 93, 96; BGH, Beschl. v. 8.4.2014 - 1 StR 126/14 - NStZ-RR 2014, 208, 209; BGH, Beschl. v. 31.8.2016 - 4 StR 197/16 Rn. 12; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 40 Rn. 4 aE ). Dies zieht zwar regelmäßig die Zurückverweisung zum Zwecke der Nachholung der Bestimmung der Tagessatzhöhe nach sich (BGH, Beschl. v. 14.5.1981 - 4 StR 599/80 - BGHSt 30, 93, 97). Allerdings ist dem Revisionsgericht in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Möglichkeit eröffnet, in geeigneten Fällen die Festsetzung selbst vorzunehmen (BGH, Beschl. v. 8.4.2014 - 1 StR 126/14 - NStZ-RR 2014, 208, 209 mwN) und etwa die Tagessatzhöhe auf das gesetzliche Mindestmaß festzusetzen (BGH aaO; BGH, Urt. v. 27.8.2010 - 2 StR 111/09 - WM 2010, 1957, 1964; BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14).

Bedarf der Strafausspruch insoweit der Ergänzung, als das Tatgericht eine Einzelstrafe festzusetzen versäumt hat, wird im Falle der Durchentscheidung nach § 354 Abs. 1 StPO vom Revisionsgericht nach vorheriger Beantragung durch den Generalbundesanwalt regelmäßig die Mindeststrafe verhängt, also bei Geldstrafe eine solche in Höhe von fünf Tagessätzen (§ 40 Abs. 1 Satz 2 StGB) zu je einem Euro (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB) (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 1 Einzelstrafe, fehlende 2; BGH, Beschl. v. 2.12.1999 - 4 StR 545/99; BGH, Beschl. v. 18.6.2003 - 1 StR 214/03BGH, Beschl. v. 16.10.2003 - 4 StR 414/03BGH, Beschl. v. 11.1.2006 - 2 StR 571/05BGH, Beschl. v. 3.6.2008 - 3 StR 163/08BGH, Beschl. v. 7.1.2009 - 3 StR 564/08BGH, Beschl. v. 14.1.2009 - 4 StR 429/08BGH, Beschl. v. 5.1.2010 - 4 StR 478/09 - NStZ 2010, 276; BGH, Beschl. v. 27.4.2010 - 1 StR 122/10; BGH, Urt. v. 27.8.2010 - 2 StR 111/09 - BGHSt 55, 266 - NJW 2010, 3458).

    
 
Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 1. Titel (Strafen)
 
 




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