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Eine Darstellung der BGH-Rechtsprechung in Strafsachen



 
§ 86 StGB
Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen

(1) Wer Propagandamittel
1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist,
2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
3. einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder
4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen,
im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.

(4) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.
 
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017


Überblick zur Darstellung
 § 86 Abs. 1 StGB
    Propagandamittel
    Kennzeichen einer ehemaligen Organisation
 § 86 Abs. 2 StGB
    Zielrichtung
§ 86 Abs. 3 StGB
    Tatbestandsausschluss
       Verteidigungsfremdes Verhalten
Konkurrenzen
    Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung
Strafzumessung
    Strafrahmen
Urteil
    Urteilsgründe
      Verbotsirrtum
Prozessuales
    Verfahrenshindernisse
       Verfolgungsverjährung
    Ermittlungsmaßnahmen
       Überwachung der Telekommunikation
       Erhebung von Verbindungsdaten der Telekommunikation
       Einsatz technischer Mittel
          Einsatz weiterer technischer Mittel
       Ermittlung von Molbilfunkendgeräten
    Verlust von Beamtenrechten
    Einziehung
    Zuständigkeit site sponsoring
       Gericht
          Zuständigkeitsprüfung von Amts wegen
       Staatsanwaltschaft
    Gesetze
       Verweisungen





§ 86 Abs. 1 StGB
   
(1) Wer Propagandamittel
1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist,
2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
3. einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder
4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen,
im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. ... 




Propagandamittel

5
Hierunter fallen nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB), deren Inhalte gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen (§ 86 Abs. 2 StGB) und die aufgrund dessen eine aktiv kämpferische, aggressive Tendenz in diese Richtung erkennen lassen (BGH, Urt. v. 23.7.1969 - 3 StR 326/68 - BGHSt 23, 64, 72; BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - NJW 2010, 163, 165; BGH, Beschl. v. 14.4.2015 - 3 StR 602/14).

Kritik, Ablehnung und politisches Wunschdenken reichen ebenso wenig wie wissenschaftliche Abhandlungen, Dokumentationen oder belletristische Darstellungen, wenn und soweit ihnen der werbende, aufwieglerische Charakter fehlt, welcher der Propaganda eignet. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung muss in der Schrift selbst verkörpert sein, wobei auf den verständigen Durchschnittsleser(-hörer) abzustellen ist (BGH, Urt. v. 23.7.1969 - 3 StR 326/68 - BGHSt 23, 64, 73; BGH, Beschl. v. 14.4.2015 - 3 StR 602/14; MüKoStGB/Steinmetz, 2. Aufl., § 86 Rn. 13).

Beispiel: Die in den Urteilsgründen dargestellten Textfragmente erschöpfen sich in der Wiedergabe von Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen ("Sieg Heil", "Blut und Ehre" (insoweit § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB)). Deren Verwendung alleine hebt eine Schrift noch nicht zum Propagandamittel und macht nähere Ausführungen zu dem propagandistischen Zusammenhang nicht entbehrlich (vgl. BGH, Beschl. v. 14.4.2015 - 3 StR 602/14; 
BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - NJW 2010, 163, 165).




Kennzeichen einer ehemaligen Organisation

10
Nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB i. V. mit § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist es verboten, Kennzeichen einer ehemaligen Organisation zu verwenden. Damit sind nur Kennzeichen erfasst, die diese Organisation selbst verwendet hat. Nach § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB stehen diesen Kennzeichen auch solche gleich, die "ihnen" zum Verwechseln ähnlich sind. Damit ist klargestellt, dass eine Ähnlichkeit mit den von der Organisation verwendeten Kennzeichen bestehen muss (vgl. BGH, Urt. v. 28.7.2005 - 3 StR 60/05 - NJW 2005, 3223; so auch Steinmetz NStZ 2002, 118 f.; ders. in MünchKomm § 86 a Rdn. 13).

 
siehe auch: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, § 86a StGB



§ 86 Abs. 2 StGB
   
... (2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. ... 




Zielrichtung

35
Nach § 86 Abs. 2 StGB erfüllen nur solche Propagandamittel den Tatbestand, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. Damit muss das Propagandamittel eine "aktiv kämpferische, aggressive Tendenz" gegen die freiheitliche Grundordnung aufweisen und auf die Fortsetzung der Bestrebungen der ehemaligen nationalsozialistischen Organisation gerichtet sein (BGHSt 23, 64, 72, 76; 29, 73, 78; BGH, Urt. v. 28.7.2005 - 3 StR 60/05 - NJW 2005, 3223).  



§ 86 Abs. 3 StGB
 
... (3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient. ...   




Tatbestandsausschluss

55




[ Verteidigungsfremdes Verhalten ]

55.1
Der Tatbestand der Volksverhetzung in der Handlungsalternative des Verharmlosens des Holocaust (§ 130 Abs. 3 StGB) ist grundsätzlich auf Verteidigerhandeln nicht anzuwenden, wenn dem verteidigten Mandanten seinerseits Volksverhetzung i.S.d. Tatbestandes zur Last liegt. Insoweit greift die Tatbestandsausschlußklausel des § 86 Abs. 3 StGB (i.V.m. § 130 Abs. 5 StGB).
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Erklärung des Verteidigers ohne jeden Bezug zur Verteidigung ist oder sich als verteidigungsfremdes Verhalten erweist, das sich lediglich den äußeren Anschein der Verteidigung gibt, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beizutragen vermag (BGH, Urt. v. 6.4.2000 - 1 StR 502/99 - BGHSt 46, 36 - NJW 2000, 2217).

Leitsatz  Wer als Strafverteidiger in einem Verfahren wegen Volksverhetzung in einem Beweisantrag den unter der Herrschaft des Nationalsozialismus an den Juden begangenen Völkermord leugnet, macht sich damit grundsätzlich seinerseits nach § 
130 Abs. 3 StGB strafbar. Eine derartige Erklärung ist regelmäßig als verteidigungsfremdes Verhalten zu bewerten, für das die Tatbestandsausschlußklausel des § 86 Abs. 3 StGB (i.V.m. § 130 Abs. 5 StGB) nicht gilt. (Im Anschluß an BGH, Urt. v. 6.4.2000 - 1 StR 502/99 - BGHSt 46, 36 - NJW 2000, 2217) (BGH, Urt. v. 10.4.2002 - 5 StR 485/01 - Ls. - BGHSt 47, 278 - StV 2002, 485).

Allerdings gilt nach diesen Vorschriften eine Äußerung, die sonst die Voraussetzungen des § 
130 Abs. 3 StGB erfüllt, dann nicht als tatbestandlich, wenn sie der Strafverteidigung dient; diese steht den in § 86 Abs. 3 StGB ausdrücklich benannten Zwecken (u.a. Wissenschaft, Forschung, [zeit]geschichtliche Berichterstattung) gleich (BGH, Urt. v. 6.4.2000 - 1 StR 502/99 - BGHSt 46, 36, 43 - NJW 2000, 2217). Bei der Bestimmung der Reichweite dieser Norm gebietet die Achtung der rechtsstaatlich geforderten Gewährleistung einer effektiven Strafverteidigung - auch im Blick auf Art 12 GG - erhebliche Zurückhaltung bei gerichtlicher Inhaltskontrolle von Verteidigerhandeln; dies muß auch für die Abgrenzung von erlaubtem und unerlaubtem Verteidigerverhalten gelten (vgl. BGH, Urt. v. 6.4.2000 - 1 StR 502/99 - BGHSt 46, 36, 43 ff. - NJW 2000, 2217 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Im Rahmen einer solchen vom Tatrichter (ersichtlich im Anschluß an BGH aaO S. 46) als "Gradwanderung" bezeichneten Abgrenzung sind daher auch der Verwertung des Indizes der objektiven Aussichtslosigkeit einer Prozeßhandlung, deren Strafbarkeit oder Rechtfertigung durch Verfolgung erlaubter Verteidigungsziele in Frage steht, gewisse Grenzen gesetzt (vgl. nur - insoweit überaus weitgehend - BGHSt 31, 16, 20 ff.; BGH, Urt. v. 10.4.2002 - 5 StR 485/01 - BGHSt 47, 278 - StV 2002, 485).

Der Tatbestandsausschluß kommt indes nicht zum Tragen, wenn die Prozeßerklärung des Verteidigers ohne jeden Bezug zur Verteidigung ist oder sich als verteidigungsfremdes Verhalten erweist, das sich nur den äußeren Anschein der Verteidigung gibt, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beizutragen vermag (
BGH, Urt. v. 6.4.2000 - 1 StR 502/99 - BGHSt 46, 36, 45 - NJW 2000, 2217 m. w. N., BGH, Urt. v. 10.4.2002 - 5 StR 485/01 - BGHSt 47, 278 - StV 2002, 485: betr. Beweisanträge, die auf eine Beweiserhebung darüber zielten, daß in den Konzentrationslagern Auschwitz und Auschwitz-Birkenau keine Massenvernichtung von Juden in Gaskammern stattgefunden hätte).

 
siehe auch: Volksverhetzung, § 130 StGB --> Rdn. 90



Konkurrenzen




Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung

K.1
Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen kann in Tateinheit mit Volksverhetzung und mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen stehen (vgl. BGH, Beschl. v. 1.12.2009 - 3 StR 432/09).

 
siehe auch: § 130 StGB, Volksverhetzung; § 86a StGB, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen



Strafzumessung




Strafrahmen

S.1
§ 86 Abs. 1 StGB: 1 Monat bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen
 
ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB:
1 Monat bis 2 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen
 
ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung):
1 Monat bis 1 Jahr 8 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen
 
ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung):
1 Monat bis 1 Jahr 3 Monate 5 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen
 
ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 2 StGB:
1 Monat bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen
 



Urteil




Urteilsgründe

U.1




[ Verbotsirrtum ]

U.1.15
siehe hierzu: BGH, Urt. v. 4.4.2013 - 3 StR 521/12 und § 17 StGB, Verbotsirrtum - Rdn. 35.1 - Vertrauen auf Rechtsauskünfte



Prozessuales




Verfahrenshindernisse

Z.1




[ Verfolgungsverjährung ]
   

Z.1.1
Die Verjährungsfrist für § 86 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB).




Ermittlungsmaßnahmen

Z.2




[ Überwachung der Telekommunikation ]

Z.2.1
Das Vergehen nach § 86 StGB stellt eine Katalogtat nach § 100a Abs. 2 Nr. 1 StPO dar, bei der unter den weiteren Voraussetzungen der Vorschrift auch ohne Wissen der Betroffenen die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden darf.

 
siehe auch: Überwachung der Telekommunikation, § 100a StPO     




[ Erhebung von Verbindungsdaten der Telekommunikation ]

Z.2.2
Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer
1. eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 
100a Abs. 2 StPO bezeichnete Straftat, begangen hat, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat oder durch eine Straftat vorbereitet hat (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO) oder
2. eine Straftat mittels Telekommunikation begangen hat (§ 
100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO),
so dürfen nach § 
100g Abs. 1 StPO auch ohne Wissen des Betroffenen Verkehrsdaten (§ 96 Abs. 1 TKG, § 113a TKG) erhoben werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist. Im Falle des (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO) ist die Maßnahme nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos wäre und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. Die Erhebung von Standortdaten in Echtzeit ist nur im Falle des (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO) zulässig.

 
siehe auch: § 100g StPO, Auskunft über Verbindungsdaten der Telekommunikation          




[ Einsatz technischer Mittel ]

Z.2.3
Nach § 100f Abs. 1 StPO darf auch ohne Wissen der Betroffenen außerhalb von Wohnungen das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100a Abs. 2 StPO bezeichnete, auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

Dabei darf sich gemäß § 
100f Abs. 2 StPO die Maßnahme nur gegen einen Beschuldigten richten. Gegen andere Personen darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
Die Maßnahme darf nach § 
100f Abs. 3 StPO auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

Für das Verfahren gelten nach § 
100f Abs. 4 StPO die §§ 100b Abs. 1, 4 Satz 1; 100d Abs. 2 StPO  entsprechend.

 
siehe auch: § 100f StPO, Einsatz technischer Mittel     




- Einsatz weiterer technischer Mittel

Z.2.3.1
Den Einsatz weiterer technischer Mittel (Herstellung von Bildaufnahmen, Einsatz technischer Observationsmittel) sieht die Strafprozessordnung in § 100h StPO unter den dort genannten Voraussetzungen vor.

 
siehe auch: § 100h StPO, Einsatz weiterer technischer Mittel     




[ Ermittlung von Mobilfunkendgeräten ]

Z.2.4
Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a Abs. 2 StPO bezeichnete Straftat, begangen hat, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat oder durch eine Straftat vorbereitet hat, so dürfen durch technische Mittel
1. die Gerätenummer eines Mobilfunkendgerätes und die Kartennummer der darin
verwendeten Karte sowie
2. der Standort eines Mobilfunkendgerätes
ermittelt werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist (§ 100i Abs. 1 StPO).

 
siehe auch: § 100i StPO, Ermittlung von Mobilfunkendgeräten  




Verlust von Beamtenrechten

Z.4
Die Beendigung des Beamtenverhältnisses tritt ferner ein, wenn der Beamte wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten rechtskräftig verurteilt wird. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 2 BeamtStG; § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 2 BBG).

 
siehe auch: § 46 StGB, Grundsätze der Strafzumessung - Rdn. 25.5.3 - Verlust von Beamtenrechten  




Einziehung

Z.5
Ist eine Straftat nach § 86 StGB begangen worden, so können Gegenstände, die durch die Tat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, eingezogen werden (§ 92b Satz 1 Nr. 1 StGB). § 74a StGB ist anzuwenden (§ 92b Satz 2 StGB).

 
siehe auch: § 74 StGB, Einziehung von Gegenständen; § 74a StGB, Erweiterte Voraussetzungen der Einziehung   




Zuständigkeit

Z.6




[ Gericht ]

Z.6.1
Für Straftaten des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen ist grundsätzlich die Staatsschutzkammer (erstinstanzlich) zuständig (§ 74a Abs. 1 Nr. 2 GVG). Jedoch entfällt deren Zuständigkeit und wechselt zu der des Oberlandesgerichts, wenn der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles vor der Eröffnung des Hauptverfahrens die Verfolgung übernimmt (§§ 74a Abs. 2 Halbs. 1, 120 Abs. 2 Nr. 1 GVG). Ein solcher Zuständigkeitswechsel scheidet aus, wenn durch Abgabe nach § 142a Abs. 4 GVG oder durch Verweisung nach § 120 Abs. 2 Satz 2 GVG die Zuständigkeit des Landgerichts begründet wird (§ 74a Abs. 2 Halbs. 2 GVG).

Staatsschutzkammern sind bei den Landgerichten eingerichtet, in deren Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat. Sie sind für den gesamten Bezirk des Oberlandesgerichts örtlich zuständig (§ 
74a Abs. 1, 5 GVG).

Im Falle der Übernahme der Verfolgung durch den Generalbundesanwalt sind gemäß § 
120 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GVG erstinstanzlich die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung.

 
siehe auch: Erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, § 120 GVG      




- Zuständigkeitsprüfung von Amts wegen

Z.6.1.1
Die Zuständigkeit prüft die Staatsschutzkammer als besondere Strafkammer nach § 74a GVG bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 6a Satz 1 StPO von Amts wegen. Danach darf sie ihre Unzuständigkeit nur auf Einwand des Angeklagten beachten. Der Angeklagte kann den Einwand nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung geltend machen (§ 6a Satz 2 und 3 StPO).

 
siehe auch: Zuständigkeit besonderer Strafkammern, § 6a StPO; Zuständigkeit der Staatsschutzkammer und der Kammer für § 100c StPO, § 74a GVG        




[ Staatsanwaltschaft ]

Z.6.2
Der gerichtlichen Zuständigkeit für das Hauptverfahren folgt die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft nach § 143 Abs. 1 GVG auch in den Fällen der Zuständigkeit der Staatsschutzkammern (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 143 GVG Rdnr. 1). 




Gesetze

Z.8




[ Verweisungen ]

Z.8.1
In § 86 StGB wird verwiesen auf:

§ 11 StGB   siehe auch: Personen- und Sachbegriffe, § 11 StGB

Auf § 86 StGB wird verwiesen in:

§ 46b StGB (über § 100a Abs. 2 StPO) 
  siehe auch: Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten, § 46b StGB
§ 86a StGB 
  siehe auch: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, § 86a StGB
§ 89 StGB 
  siehe auch: Verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane, § 89 StGB
§ 92b StGB 
  siehe auch: § 92b StGB, Einziehung
§ 129 StGB 
  siehe auch: Bildung krimineller Vereinigungen § 129 StGB

§ 100a StPO 
  siehe auch: Überwachung der Telekommunikation, § 100a StPO

§ 74a GVG 
  siehe auch: Zuständigkeit der Staatsschutzkammer und der Kammer für § 100c StPO, § 74a GVG
 
 




Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 1. Abschnitt (Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates)  3. Titel (Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates)
   
 




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