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Eine Darstellung der BGH-Rechtsprechung in Strafsachen



 
§ 258 StGB
Strafvereitelung

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.
 
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017


Überblick zur Darstellung
 § 258 Abs. 1 StGB
    Strafverfolgungsvereitelung
      Erhebliche Verzögerung der Strafverfolgung
    Verteidigerhandeln
    Maßnahmevereitelung
       Vereitelung strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen
    Absicht und Wissentlichkeit
    Täterschaft und Teilnahme
    Versuch und Rücktritt
 § 258 Abs. 2 StGB
    Maßnahmevollstreckungsvereitelung
 § 258 Abs. 5 StGB
    Selbstbegünstigung
    Irrige Annahme der Vortatbeteiligung
 Strafzumessung
    Strafrahmen site sponsoring
 Prozessuales
    Verfahrenshindernisse
       Verfolgungsverjährung
    Gesetze
       Verweisungen





§ 258 Abs. 1 StGB




Strafverfolgungsvereitelung

5




[ Erhebliche Verzögerung der Strafverfolgung ]

5.5
Ausreichend für die Tatbestandsverwirklichung ist es, wenn das Handeln zu einer erheblichen Verzögerung der Strafverfolgung führte (vgl. BGHSt 15, 18, 22 und 45, 97, 100; BGHR StGB § 258 Abs. 1 Vollendung 1; BGH, Urt. v. 21.3.2002 - 5 StR 566/01).

Eine Verurteilung wegen vollendeter Strafvereitelung gemäß § 258 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter die Bestrafung des Vortäters ganz oder zum Teil vereitelt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Strafverfolgung oder die Anordnung einer Maßnahme völlig und endgültig unmöglich gemacht wird; es genügt, dass der Vortäter zumindest geraume Zeit der Bestrafung oder der Anordnung einer Maßnahme entzogen wird (vgl. BGH, Beschl. v. 24.6.2016 - 4 StR 205/16 Rn.  12; BGH, Urt. v. 21.12.1994 – 2 StR 455/94 - wistra 1995, 143; BGH, Urt. v. 4.8.1983 – 4 StR 378/83 - NJW 1984, 135; BGH, Urt. v. 29.9.1982 – 2 StR 214/82). Für diesen Vereitelungserfolg muss die Tathandlung ursächlich gewesen sein. Dazu bedarf es des Nachweises, dass ohne das Eingreifen des Täters eine frühere Bestrafung des Vortäters mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfolgt wäre (BGH, Beschl. v. 24.6.2016 - 4 StR 205/16 Rn. 12; Stree in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 258 Rn. 18; NK-StGB/Altenhain, 3. Aufl., § 258 Rn. 53; Ferber, Strafvereitelung, 1997, S. 35, 54). Soweit dabei hypothetische Verläufe in die Betrachtung einbezogen werden, muss sich der Tatrichter auch mit alternativen Geschehensabläufen auseinandersetzen, sofern sich diese nach dem Beweisergebnis aufdrängen (vgl. BGH, Beschl. v. 24.6.2016 - 4 StR 205/16 Rn. 12; BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – 3 StR 564/09 - NStZ-RR 2010, 183, 184).




Verteidigerhandeln

10
Soweit ein Strafverteidiger prozessual zulässig handelt, ist sein Verhalten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 258 StGB und nicht erst rechtfertigend (so auch KG NStZ 1988, 178; OLG Düsseldorf StV 1994, 472; StV 1998, 552; Ruß in LK 11. Aufl. § 258 Rdn. 19; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 258 Rdn. 7; Laufhütte in KK 4. Aufl. vor § 137 Rdn. 4; Scheffler StV 1993, 470). § 258 StGB verweist auf die Regelungen des Prozeßrechts. Bei dessen Auslegung kann auch das Standesrecht von Bedeutung sein. Standesrechtlich zulässiges Verhalten wird in der Regel prozessual nicht zu beanstanden sein. Standesrechtlich unzulässiges Verhalten führt nicht ohne weiteres zur Strafbarkeit (vgl. BGHSt 2, 375, 377; 10, 393, 395; BGH, Beschl. v. 9.5.2000 - 1 StR 106/00 - BGHSt 46, 53 - NJW 2000, 2433).

Der Verteidiger darf grundsätzlich alles tun, was in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise seinem Mandanten nützt (BGHSt 38, 345, 347). Er hat die Aufgabe, zum Finden einer sachgerechten Entscheidung beizutragen und dabei das Gericht vor Fehlentscheidungen zu Lasten seines Mandanten zu bewahren (BVerfG - Kammer - NStZ 1997, 35). Zu seinen besonderen Aufgaben gehört es auch, auf die Einhaltung der Verfahrensgarantien zu achten (BGHSt 2, 375, 378). Allerdings muß er sich bei seinem Vorgehen auf verfahrensrechtlich erlaubte Mittel beschränken und er muß sich jeder bewußten Verdunkelung des Sachverhalts und jeder sachwidrigen Erschwerung der Strafverfolgung enthalten (BGHSt 2, 375, 377). Ihm ist es insbesondere untersagt, durch aktive Verdunkelung und Verzerrung des Sachverhalts die Wahrheitserforschung zu erschweren, insbesondere Beweisquellen zu verfälschen (BGHSt 9, 20, 22; 38, 345, 348; BGH NStZ 1999, 188; BGH, Urt. v. 8.1.1957 - 5 StR 360/56; BGH, Urt. v. 27.3.2009 - 2 StR 302/08 - BGHSt 53, 257 - NStZ 2009, 517). Auf der anderen Seite darf der Verteidiger solche Tatsachen und Beweismittel einführen, die einen von ihm lediglich für möglich gehaltenen Sachverhalt belegen können. Das ist ihm nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v. 16.9.1981 - 3 StR 234/81) nicht nur gestattet; es kann sogar geboten sein (BGH, Beschl. v. 9.5.2000 - 1 StR 106/00 - BGHSt 46, 53 - NJW 2000, 2433).

Soweit es um Zeugenaussagen geht, darf der Verteidiger zwar nicht wissentlich falsche Tatsachen behaupten und hierfür Zeugen benennen (BGHSt 29, 99, 107; BGH NStZ 1983, 503). In den von der Rechtsprechung aufgestellten Grenzen (BGH, Beschl. v. 16.9.1981 - 3 StR 234/81) ist er verpflichtet, darauf zu achten, daß er nicht Zeugen benennt, von denen er erkennt, daß sie eine Falschaussage machen werden. Auch darf er einen Zeugen nicht absichtlich in einer vorsätzlichen Falschaussage bestärken (BGHSt 29, 99, 107; BGH NStZ 1983, 503). Er kann eigene Ermittlungen führen und insbesondere Zeugen auch außerhalb der Hauptverhandlung befragen (BGH NJW 2000, 1277). Hat er lediglich Zweifel an der Richtigkeit einer Zeugenaussage, die seinen Mandanten entlasten könnte, so ist es ihm nicht verwehrt, den Zeugen zu benennen; er wird dazu regelmäßig sogar verpflichtet sein. Andernfalls würde er in Kauf nehmen, ein möglicherweise zuverlässiges, entlastendes Beweismittel zu unterdrücken (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.1957 - 5 StR 360/56; BGH, Beschl. v. 9.5.2000 - 1 StR 106/00 - BGHSt 46, 53 - NJW 2000, 2433; zur entsprechenden Problematik bei der Urkundenvorlegung vgl. BGHSt 38, 345, 350).

Grundsätzlich ist es auch legitim, wenn ein Strafverteidiger mit dem Geschädigten, der zugleich Hauptbelastungszeuge ist, eine zivilrechtliche Schadensregulierung vereinbart. Dies entspricht auch der neueren Entwicklung der Gesetzgebung, im Interesse des Rechtsfriedens einen Ausgleich zwischen Täter und Opfer zu fördern (vgl. § 46a StGB, § 155a StPO; 
BGH, Beschl. v. 9.5.2000 - 1 StR 106/00 - BGHSt 46, 53 - NJW 2000, 2433).

Eine "Trübung der Beweisquelle" wird durch das Versprechen eines Honorars für eine "erfolgreiche" Aussage fast immer bewirkt (zu Zuwendungen an Zeugen vgl. Dahs/Dahs, Handbuch des Strafverteidigers 6. Aufl. Rdn. 180; siehe auch Thesen zur Strafverteidigung vorgelegt vom Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer, insbesondere These 28 Abs. 2, Schriftenreihe der Bundesrechtsanwaltskammer Band 8). So ist ein Verteidigerhandeln dann nicht mehr zulässig, wenn der Verteidiger darauf hinwirkt, daß einem Zeugen für ein bestimmtes Aussageverhalten die Zahlung eines Geldbetrages versprochen wird, ohne daß dafür sonst eine Anspruchsgrundlage gegeben ist. Aber auch dann, wenn für das Zahlungsversprechen eine unabhängig von der Vereinbarung bestehende Anspruchsgrundlage besteht (etwa Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche), können die Grenzen zulässigen Verteidigerhandelns überschritten sein. Das gilt namentlich dann, wenn das Zahlungsversprechen durch den "Erfolg" der Aussage bedingt ist oder wenn es sich aufdrängt, daß die versprochene Aussage falsch sein muß (
BGH, Beschl. v. 9.5.2000 - 1 StR 106/00 - BGHSt 46, 53 - NJW 2000, 2433).

Die Stellung als Verteidiger in einem Strafprozess und das damit verbundene Spannungsverhältnis zwischen Organstellung und Beistandsfunktion macht eine besondere Abgrenzung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten in Bezug auf den Straftatbestand der Strafvereitelung, § 
258 StGB, erforderlich (vgl. BGHSt 38, 345, 347 ff.). Hierbei wird im Zweifel davon auszugehen sein, dass es sich um wirksame Verteidigung handelt (vgl. BGHSt 46, 36, 46). Die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens ergeben sich dabei nicht unmittelbar aus § 258 StGB selbst, vielmehr verweist die Vorschrift auf die Regelungen des Prozessrechts. Danach darf der Verteidiger grundsätzlich alles tun, was in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise seinem Mandanten nützt. Die Achtung der rechtsstaatlich notwendigen effektiven Strafverteidigung - auch im Blick auf Art 12 GG - gebietet erhebliche Zurückhaltung bei gerichtlicher Inhaltskontrolle von Verteidigerverhalten; dies muss gerade auch für die Abgrenzung von erlaubtem und unerlaubtem Verteidigerverhalten gelten (vgl. BGHSt 47, 278, 282; BGH, Beschl. v. 24.5.2006 - 2 ARs 199/06).

Die Prozessstellung als Strafverteidiger ist von einem Spannungsverhältnis als unabhängiges, der Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtetes Organ der Rechtspflege und seiner Beistandsfunktion und Treuepflicht gegenüber dem Beschuldigten gekennzeichnet und zu berücksichtigen. Ein Strafverteidiger ist verpflichtet, seinen Mandanten im Rahmen der Gesetze bestmöglich zu verteidigen (vgl. BGHSt 38, 345, 350). Er ist nicht verpflichtet, an der Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs mitzuwirken (Fischer StGB, 56. Aufl., § 258 Rdn. 17). Er hat nicht für die Richtigkeit von Zeugenaussagen einzustehen und ist insbesondere nicht verpflichtet, eine Falschaussage zu verhindern (BGHSt 4, 327; 46, 53, 60 f.; BGH, Urt. v. 27.3.2009 - 2 StR 302/08 - BGHSt 53, 257 - NStZ 2009, 517; vgl. auch Beulke, Die Strafbarkeit des Verteidigers, Heidelberg 1989, Rdn. 94).

Die Grenze zulässigen Verteidigungshandelns ist jedoch überschritten, wenn der Verteidiger den Sachverhalt aktiv verdunkelt oder verzerrt, insbesondere wenn er Beweisquellen verfälscht (vgl. BGHSt 38, 345, 350 f.; 46, 53, 61). Bei von ihm sicher als unwahr erkannten (vgl. dagegen bei lediglich erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit oder Zuverlässigkeit der Aussage 
BGH, Beschl. v. 9.5.2000 - 1 StR 106/00 - BGHSt 46, 53, 61 - NJW 2000, 2433) Zeugenaussagen ist eine aktive Verdunkelung anzunehmen, wenn der Verteidiger Einfluss auf das Zustandekommen der Aussage genommen hat (vgl. BGHSt 4, 327;  BGH, Beschl. v. 9.5.2000 - 1 StR 106/00 - BGHSt 46, 53, 61 - NJW 2000, 2433). Dies kann etwa der Fall sein, wenn er den Zeugen zu einer Falschaussage veranlasst (vgl. BGH NStZ 1983, 503), wenn er ihn in seinem Entschluss bestärkt (BGHSt 29, 99, 107; BGH JR 1984, 299; RGSt 70, 390 ff.), wenn er einen zur Falschaussage entschlossenen Zeugen als Beweismittel benennt (BGH JR 1984, 299) oder wenn er den Inhalt der Falschaussage mit ihm abstimmt (vgl. BGH, Urt. v. 27.3.2009 - 2 StR 302/08 - BGHSt 53, 257 - NStZ 2009, 517).

Ein Fall effektiver Strafverteidigung liegt nicht vor, wenn die zu beurteilenden Handlungen eines Verteidigers sich als verteidigungsfremdes Verhalten erweisen, die sich nur den äußeren Anschein der Verteidigung geben, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beizutragen vermögen (vgl. BGHSt 46, 36, 45). Liegt zum Beispiel ein Leugnen des gesamten Holocaust vor, drängt sich die Annahme verteidigungsfremden Verhaltens bei Äußerungen auch im Rahmen von Beweisanträgen oder sonstigen Prozesserklärungen auf, da diese zur Sachaufklärung oder rechtlichen Beurteilung im konkreten Verfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt etwas beizutragen vermögen (vgl. BGHSt 47, 278, 283; BGH, Beschl. v. 24.5.2006 - 2 ARs 199/06).




Maßnahmevereitelung

13
Nach § 258 Abs. 1 Alt. 2, § 11 Abs. 1 Nr. 8, §§ 73 ff. StGB ist strafbar, wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat einer Maßnahme unterworfen wird; dies kann nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB auch der Verfall nach §§ 73 ff. StGB sein (BGH, Beschl. v. 17.6.2010 - 5 StR 114/10). Erfasst wird auch eine Verzögerung der Verfallsanordnung für geraume Zeit, die ebenfalls eine Vollendungsstrafbarkeit tragen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 17.6.2010 - 5 StR 114/10; Fischer, StGB 57. Aufl. § 258 Rdn. 8).




[ Vereitelung strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen
]

13.1
Auch die Vereitelung einer strafprozessualen Sicherungsmaßnahme kann als Begehungsform der Maßnahmevereitelung nach § 258 Abs. 1 Alt. 2 StGB in Betracht kommen, wenn der Täter jedenfalls bedingt vorsätzlich die spätere Verfallsanordnung im Urteil verhindert hat. Namentlich gilt dies, sofern von einer Verfallsanordnung im Urteil gegen den Vortäter wegen zwischenzeitlich eingetretener Vermögenslosigkeit abgesehen worden ist (vgl. § 73c Abs. 1 StGB), obgleich bei Ausbleiben der Vereitelungshandlung durch eine vorläufige Sicherungsmaßnahme (§§ 111b ff. StPO) Vermögen gesichert worden wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 17.6.2010 - 5 StR 114/10).
 
Die lediglich vollstreckungssichernden Maßnahmen der Strafprozessordnung selbst sind keine Maßnahmen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB; allein ihre Vereitelung kann den Tatbestand des § 
258 Abs. 1 StGB nicht erfüllen (vgl. auch Jahn aaO Rdn. 12). § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB erfasst als Maßnahmen nur Maßregeln der Besserung und Sicherung, den Verfall, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung. Diese Auslegung entspricht dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB; dessen Aufzählung ist abschließend und enthält ausschließlich Rechtsfolgen der Tat, die ebenso wie die Haupt- und Nebenstrafen gemäß § 258 Abs. 1 Alt. 1 StGB in der Urteilsformel anzuordnen und – insbesondere mit Blick auf § 258 Abs. 2 StGB – der Rechtskraft fähig sind. Es fehlt ein ausdrücklicher Bezug auf Verfahrensvorschriften, denen jedenfalls teilweise auch vollstreckungssichernde Wirkung zukommt (vgl. §§ 111a ff. StPO); sie können schon deshalb nicht im Wege der Auslegung in den Maßnahmebegriff einbezogen werden (BGH, Beschl. v. 17.6.2010 - 5 StR 114/10; vgl. zur gebotenen restriktiven Auslegung Hilgendorf in LK 12. Aufl. § 11 Rdn. 98; MünchKomm-Radtke StGB 2008 § 11 Rdn. 100).

   siehe zur Maßnahmevollstreckungsvereitelung unten Rdn. 60; zu Maßnahmen iSv § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB: Rdn. 60




Absicht und Wissentlichkeit

15
Hinsichtlich Tathandlung und Vereitelungserfolg verlangt das Gesetz Absicht oder Wissentlichkeit, während für die Kenntnis der Vortat bedingter Vorsatz genügt (BGHR StGB § 258 Abs. 1 Vorsatz 1). Absicht setzt zielgerichtetes Handeln voraus (BGH NStZ 1997, 236; vgl. auch BGHR StGB § 257 Abs. 1 Absicht 1), wobei allerdings die Vorstellung von der Strafvereitelung nicht der einzige Beweggrund des Täters sein muß (BGHSt 4, 107). Erforderlich ist aber ein zielgerichtetes Wollen; es muß dem Täter darauf ankommen, die Verhängung einer Strafe mindestens zum Teil zu vereiteln (Ruß in LK 11. Aufl. § 258 Rdn. 21). Wissentlichkeit besagt, daß der Täter die Tatbestandsverwirklichung als sichere Folge seines Tuns erkennt oder voraussieht. Dies bedeutet, daß der direkte Vorsatz sowohl die Tathandlung als auch den sich aus ihr ergebenden Erfolg zum Inhalt haben muß. Die billigende Inkaufnahme des tatbestandlichen Erfolgs reicht nicht aus (BGH NJW 1984, 135; BGH, Beschl. v. 9.5.2000 - 1 StR 106/00 - BGHSt 46, 53 - NJW 2000, 2433; Ruß in LK 11. Aufl. § 258 Rdn. 21).

Zwar reicht es für das Wissenselement der Absicht grundsätzlich aus, daß der Täter den Erfolg für möglich hält. Beim Verteidigerhandeln sind aber an das voluntative Element der Vereitelungsabsicht - erst recht - diejenigen strengen Beweisanforderungen zu stellen, die der Bundesgerichtshof (BGHSt 38, 345) für die Beweiswürdigung zum Nachweis des bedingten Vorsatzes bei verteidigungsspezifischem Handeln im Hinblick auf Straftaten nach den §§ 153 ff., 267 ff. StGB verlangt (
BGH, Beschl. v. 9.5.2000 - 1 StR 106/00 - BGHSt 46, 53 - NJW 2000, 2433).




Täterschaft und Teilnahme

17
Auch für die Strafvereitelung gemäß § 258 StGB sind Täterschaft und Teilnahme grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln abzugrenzen (vgl. BGH, Urt. v. 10.9.2015 - 4 StR 151/15; Walter in:  LK-StGB, 12. Aufl., § 258 Rn. 159 mwN). Eine versuchte Strafvereitelung kann – unbeschadet der weiteren Voraussetzungen – in Betracht kommen, wenn der Angeklagte die Vorstellung hatte, den Vereitelungserfolg als Täter herbeizuführen und es ihm nicht lediglich darum ging, den Vortäter bei Selbstschutzmaßnahmen zu unterstützen (vgl. BGH, Urt. v. 4.8.1983 – 4 StR 378/83 - NJW 1984, 135; Walter in: LK-StGB, 12. Aufl., § 258 Rn. 162 mwN). In Fällen, in denen der Täter dem Vortäter erstmals Kenntnis von einem gegen ihn anhängigen oder anhängig werdenden Ermittlungsverfahren vermittelt, liegt eine täterschaftliche Begehungsweise nahe (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1990  – 2 StR 38/90 Rn. 16; BGH, Urt. v. 10.9.2015 - 4 StR 151/15).




Versuch und Rücktritt

20
Der Tatbestand eines versuchten Delikts verlangt in subjektiver Hinsicht (Tatentschluss) das Vorliegen einer vorsatzgleichen Vorstellung, die sich auf alle Umstände des äußeren Tatbestandes bezieht. Bei der Strafvereitelung nach § 258 Abs. 1 StGB ist dabei in Bezug auf die Tathandlung und den Vereitelungserfolg direkter Vorsatz („absichtlich oder wissentlich“) erforderlich, während für die Kenntnis der Vortat bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 10.9.2015 - 4 StR 151/15; BGH, Urt. v. 19.5.1999 – 2 StR 86/99 - BGHSt 45, 97, 100; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 258 Rn. 33; Walter in: LK-StGB, 12. Aufl., § 258 Rn. 112 f. mwN). Eine genaue Vorstellung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht ist dabei nicht erforderlich (vgl. Jahn in: SSW-StGB, 2. Aufl., § 258 Rn. 29). Die subjektiven Voraussetzungen für die Annahme einer versuchten Strafvereitelung liegen daher vor, wenn der Täter es – ungeachtet fortbestehender Zweifel – nur für möglich gehalten hat, dass eine Straftat begangen worden ist und die von ihm daraufhin ins Auge gefasste Handlung darauf abzielt, für den Fall, dass tatsächlich eine Straftat vorliegt, eine Bestrafung des Vortäters zumindest für geraume Zeit zu verhindern (vgl. BGH, Urt. v. 10.9.2015 - 4 StR 151/15; RG, Urt. v. 19.11.1920 – II 1176/20 - RGSt 55, 126 zu § 257 StGB aF).

Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchter Strafvereitelung kann selbst dann in Betracht kommen, wenn er die Begehung einer Vortat nur irrtümlich für möglich gehalten hat. In diesem Fall läge lediglich ein untauglicher Versuch vor (vgl. BGH, Urt. v. 10.9.2015 - 4 StR 151/15; BGH, Urt. v. 11.11.1960  – 4 StR 402/60 - BGHSt 15, 210 zur Begünstigung im Amt gemäß § 346 StGB aF; Walter in: LK-StGB, 12. Aufl., § 258 Rn. 143 f.; Jahn in: SSW-StGB, 2. Aufl., § 258 Rn. 30; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 258 Rn. 37 mwN).

Der Schuldspruch wegen zweifacher versuchter Strafvereitelung kann nicht bestehen bleiben, wenn hierbei nicht bedacht worden ist, dass die Angeklagte ihre bisherigen Aussagen geändert und nunmehr den wahren Sachverhalt angegeben hat, wobei sie ihre den Täter entlastenden Angaben rückgängig gemacht hat. Insoweit ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom (jeweiligen) Strafvereitelungsversuch vorgelegen haben (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.2002 - 2 StR 66/02).

Wegen der Strafbarkeit wegen des Aussagedelikts bei der weiteren Vernehmung siehe Aussagenotstand  

Für die Strafvereitelung ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass ein unmittelbares Ansetzen mit Beginn der Handlung gegeben ist, die den Vereitelungserfolg unmittelbar bewirken soll (vgl. BGHSt 31, 10, 12; BGHR StGB § 258 Abs. 4 Versuchsbeginn 1, 2; BGH, Beschl. v. 17.6.2010 - 5 StR 114/10; vgl. Ruß in LK 11. Aufl. § 258 Rdn. 28 m.w.N.).

Zur versuchten Strafvereitelung durch "Verfahrenssabotage" eines Verteidigers sowie zur konkurrenzrechtlichen Bewertung, wenn die Handlungen an mehrere Hauptverhandlungstage erfolgten vgl. BGH, Beschl. v. 2.12.2008 - 3 StR 203/08 - NStZ 2009, 692

Zum Rücktritt vom unbeendeten Versuch der Strafvereitelung im Zusammenhang mit Anraten eines Verteidigers zur Flucht des Mandanten vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2000 - 5 StR 300/00 - StV 2001, 108 

 
siehe auch: Rücktritt, § 24 StGB



§ 258 Abs. 2 StGB
 
... (2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt. ... 




Maßnahmevollstreckungsvereitelung

60
Eine Maßnahmevollstreckungsvereitelung nach § 258 Abs. 2 Alt. 2 StGB kann dann gegeben sein, wenn im Urteil gegen den Vortäter zwar der Verfall angeordnet wurde, dieser allerdings anschließend nicht durchsetzbar ist, weil eine vormals noch aussichtsreiche einstweilige Sicherung durch den Täter jedenfalls bedingt vorsätzlich auch mit Blick auf die dadurch gefährdete Durchsetzbarkeit des im Urteil zu titulierenden Anspruchs verhindert wurde und weiteres Vermögen in nennenswertem Umfang nicht (mehr) vorliegt (BGH, Beschl. v. 17.6.2010 - 5 StR 114/10; vgl. Jahn in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB 2009 § 258 Rdn. 36; vgl. auch Altenhain, Das Anschlussdelikt 2002 S. 366; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche 1995 S. 17; Arzt JZ 1993, 913, 914 Fn. 10, 915).
 
   siehe zur Maßnahmevereitelung oben Rdn. 13 f.



§ 258 Abs. 5 StGB
 
... (5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird. ... 




Selbstbegünstigung

125
Nach § 258 Abs. 5 StGB wird nicht wegen Strafvereitelung bestraft, wer durch die Tat ganz oder zum Teil vereiteln will, dass er selbst bestraft wird. Dabei ist entscheidend, wie der Täter seine Situation selbst einschätzt. Die Selbstbegünstigung ist daher auch dann straflos, wenn die Befürchtung eigener Strafverfolgung unbegründet ist (BGH, Beschl. v. 24.6.2016 - 4 StR 205/16 Rn. 8; BGH, Urt. v. 23.3.2016 – 2 StR 223/15 Rn. 7; BGH, Beschl. v. 3.4.2002 – 2 StR 66/02 - NStZ-RR 2002, 215; BGH, Urt. v. 20.5.1952 – 1 StR 748/51 - BGHSt 2, 375, 378; Stree in: Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 258 Rn. 37 mwN).

Dass der Angeklagte an den strafbaren Handlungen tatsächlich in keiner Weise beteiligt war, steht der Anwendung des § 
258 Abs. 5 StGB nicht entgegen. Entscheidend ist, wie der Angeklagte die Situation einschätzte. Die Selbstbegünstigung ist auch dann straflos, wenn die Befürchtung eigener Strafverfolgung unbegründet ist (BGHSt 2, 375; BGH, Beschl. v. 3.4.2002 – 2 StR 66/02).

Hat sich der Angeklagte bei einer ersten richterlichen Vernehmung bereits der falschen uneidlichen Aussage in Tateinheit mit vollendeter (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 258 Rdn. 5) Strafvereitelung strafbar gemacht und wäre diese Strafbarkeit im Fall wahrheitsgemäßer Angaben bei der zweiten richterlichen Vernehmung aufgedeckt worden, kann insoweit zugunsten des Angeklagten die Vorschrift des § 
258 Abs. 5 StGB eingreifen, wonach wegen Strafvereitelung nicht bestraft wird, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, dass er selbst bestraft wird (vgl. BGH, Beschl. v. 11.10.2006 - 4 StR 340/06 - wistra 2007, 64). 




Irrige Annahme der Vortatbeteiligung

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Der Strafausschließungsgrund greift auch ein, wenn der Täter lediglich irrig annimmt, er sei Beteiligter der Vortat, und daher die Befürchtung eigener Strafverfolgung unbegründet ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.2016 - 2 StR 223/15 Rn. 7; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 258 Rn. 34 m. N. zur Rspr.).

Beispiel: Aus Sicht des Angeklagten könnte die Befürchtung entstanden sein, Angriffe des Mitangeklagten würden ihm zugerechnet oder er sei sonst strafrechtlich (mit-)verantwortlich. Selbst wenn der Angeklagte entsprechend seiner Einlassung von einem nicht strafbaren Verhalten des Mitangeklagten ausgegangen sein sollte, könnte er angenommen haben, dass die Beweislage ungünstig ist und deshalb ein – aus seiner Sicht ungerechtfertigter – Verdacht auch im Hinblick auf eine eigene Betei- ligung an dem Tatgeschehen, entsteht oder verstärkt wird, dem er durch die Entsorgung des Messers entgegenwirken wollte (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.2016 - 2 StR 223/15 Rn. 8).



Strafzumessung




Strafrahmen

S.1
Strafrahmen § 258 Abs. 1 u. 2 StGB: 1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen

ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB
1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen
 
ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung)
1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen
      
                                                                                  
ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung) 
1 Monat bis 2 Jahre 1 Monat 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 2 StGB
1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen

Nach Abs. 3 darf die Strafe nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe!
    



Prozessuales




Verfahrenshindernisse

Z.1




[ Verfolgungsverjährung ]

Z.1.1
Die Verjährungsfrist für Strafvereitelung § 258 Abs. 1 und 2 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). § 258 Abs. 4 StGB, der die Versuchsstrafbarkeit zum Gegenstand hat, kann insoweit nur über die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (§ 49 StGB) zu einer Änderung des Ausgangsstrafrahmens führen und ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich (§ 78 Abs. 4 StGB).




Gesetze

Z.8




[ Verweisungen ]

Z.8.1
In § 258 StGB wird verwiesen auf:

§ 11 StGB   siehe auch: Personen- und Sachbegriffe, § 11 StGB

Auf § 
258 StGB wird verwiesen in:

§ 258a StGB 
  siehe auch: Strafvereitelung im Amt, § 258a StGB

   




Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 21. Abschnitt (Begünstigung und Hehlerei)

 




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