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Eine Darstellung der BGH-Rechtsprechung in Strafsachen



 
§ 73d StGB
Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.
 
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017


Überblick zur Darstellung zu § 73d StGB aF
Allgemeines
    Instrument der Gewinnabschöpfung
       Erweiterung ggü. § 73 StGB
    Unterschied zu §§ 73, 73a StGB
       Vorrangigkeit des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz
§ 73d Abs. 1 StGB
    Anwendbarkeit von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB auf den erweiterten Verfall
    Einordnung als Verfallsgegenstände
       Surrogate
       Nachweis der deliktischen Herkunft
          Alleinaktionärsstellung des Angeklagten
    Rückwirkungsverbot
§ 73d Abs. 2 StGB site sponsoring
    Unmöglich gewordene Verfallsanordnung
Prozessuales
    Beschränkung der Verfolgung gemäß § 430 i.V.m. § 442 StPO
    Sicherstellung durch Beschlagnahme
    Verzicht des Angeklagten auf die Herausgabe
    Gesetze
       Verweisungen
       Änderungen § 73d StGB





Allgemeines




Instrument der Gewinnabschöpfung

5
§ 73d StGB ist ein Instrument der Gewinnabschöpfung ohne Strafcharakter. Da der erweiterte Verfall nur einen unrechtmäßig erlangten Vermögenszuwachs abschöpfen will, ist die mit ihm verbundene Vermögenseinbuße kein Strafmilderungsgrund (vgl. BGHR StGB § 73 d Strafzumessung 1; BGH NStZ 2000, 137; BGH, Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 541/00 - NStZ 2001, 531).

Der erweiterte Verfall (§ 73d StGB) verfolgt nicht repressiv-vergeltende, sondern präventiv-ordnende Ziele und ist daher keine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme. § 73d StGB verletzt die Unschuldsvermutung nicht. Die Annahme der deliktischen Herkunft eines Gegenstands im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB ist gerechtfertigt, wenn sich der Tatrichter durch Ausschöpfung der vorhandenen Beweismittel von ihr überzeugt hat (BVerfG, Beschl. v. 14.1.2004 - 2 BvR 564/95 - Leitsätze).

§ 73d StGB ist nur auf solche rechtswidrige Taten anwendbar, die nach einem Gesetz begangen werden, das auf die Möglichkeit der erweiterten Verfallsanordnung nach § 73d StGB verweist (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.2001 - 3 StR 132/01 - wistra 2001, 297).




[ Erweiterung ggü. § 73 StGB ]

5.1
§ 73d StGB erweitert die Zugriffsmöglichkeit über das aus verfahrensgegenständlichen Taten Erlangte hinaus auf sonstige Vermögenswerte deliktischer Herkunft. Die betreffenden Taten müssen dabei weder Gegenstand der Anklage noch bewiesen sein; es genügt, wenn das Gericht von der Herkunft des Erlangten aus (irgendwelchen) rechtswidrigen Taten überzeugt ist (BGH, Beschl. v. 22.11.1994 - 4 StR 516/94 - BGHSt 40, 371 - NJW 1995, 470; BGH, Urt. v. 3.9.2009 - 5 StR 207/09; BGH, Urt. v. 4.8.2010 - 5 StR 184/10 - NStZ 2010, 385).

Beispiel: Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung davon verschafft, dass das beim Angeklagten sichergestellte Geld (39.385,00 €) aus nicht verfahrensgegenständlichen Verkäufen von Betäubungsmitteln oder sonstigen Teilnahmehandlungen zu solchen Geschäften stammte. Entsprechend war hinsichtlich dieses Geldes – vom Landgericht ersichtlich gemeint – nicht auf erweiterten Verfall von Wertersatz, sondern auf erweiterten Verfall zu erkennen (§ 73d Abs. 1 StGB; vgl. BGH, Beschl. v. 26.3.2013 - 4 StR 556/12).

Beispiel: Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte den bei ihm sichergestellten und für verfallen erklärten Betrag von 5.330 € "aus den von ihm in der Vergangenheit getätigten Betäubungsmittelgeschäften" erlangt. Damit sind die Voraussetzungen des erweiterten Verfalls (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73d Abs. 1 StGB) nicht hinreichend belegt; denn es wird nicht deutlich, dass die Geldsumme aus anderen, nicht hinreichend konkretisierbaren Taten des Angeklagten stammte als den abgeurteilten oder das Landgericht nicht festzustellen vermochte, ob das Geld aus den abgeurteilten oder anderen, nicht ausreichend konkretisierbaren Taten des Angeklagten herrührte, aber die Überzeugung gewonnen hatte, dass entweder das eine oder das andere der Fall war (vgl. BGH, Beschl. v. 25.3.2014 - 3 StR 2/14: insoweit aber Entscheidung nach § 73a Satz 1 StGB; vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 7.7.2011 - 3 StR 144/11 - BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 3).

Bei der Anordnung des erweiterten Verfalls müssen die Vermögensgegenstände nicht aus den konkret abgeurteilten Taten stammen. Es reicht vielmehr aus, wenn die festgestellten Umstände die Annahme rechtfertigen, daß die Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind, und daß der Tatrichter die Überzeugung von ihrer deliktischen Herkunft gewinnen kann, ohne daß diese Herkunft im einzelnen festgestellt werden müßte (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.2001 - 3 StR 132/01 - wistra 2001, 297; BGH, Urt. v. 3.9.2009 - 5 StR 207/09 betr. Benutzung hochwertiger Fahrzeuge trotz Arbeitslosigkeit der Angeklagten; Fischer, StGB 57. Aufl. § 73d Rdn. 5 m.w.N.; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 73 d Rdn. 3 m.w.Nachw.). Dass die Anknüpfungstat vor der abgeurteilten Tat begangen worden ist, steht einer Anordnung nach § 73d StGB nicht entgegen (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 384; BGH, Urt. v. 4.8.2010 - 5 StR 184/10 - NStZ 2010, 385; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 73d Rdn. 14 m.w.N.).


Gewichtige Anhaltspunkte können etwa sein, dass das Geld teilweise versteckt war und zusammen mit Betäubungsmitteln aufgefunden wurde. Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten, insbesondere seine Einkommensverhältnisse, sind eher bescheiden. Zwischen seiner Vermögenslage und seiner legalen Einkunftsquelle besteht eine deutliche Diskrepanz (vgl. BGH, Urt. v. 4.8.2010 - 5 StR 184/10 - NStZ 2010, 385).

§ 73d StGB erweitert den Anwendungsbereich des Verfalls (§ 73 StGB) zum einen auf Vermögensgegenstände, die nicht aus dem abgeurteilten Delikt, sondern aus anderen rechtswidrigen Taten stammen; einen Nachweis der konkreten Umstände dieser Taten verlangt die Vorschrift ebenso wenig wie die schuldhafte Begehung und die strafrechtliche Verfolgbarkeit. Zum anderen erfasst sie auch solche Vermögenswerte, die der Täter oder Teilnehmer wegen eines Verstoßes gegen strafrechtliche Vorschriften zivilrechtlich nicht wirksam erwerben konnte (Nichtigkeit auch des Verfügungsgeschäfts gemäß § 134 BGB, vgl. die Begründung des Entwurfs vom 9.3.1990, BTDrucks 11/6623, S. 7/8). Zivilrechtliche Ersatzansprüche des durch die rechtswidrige Tat Verletzten hindern die Anordnung des erweiterten Verfalls ebenfalls nicht (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 7; BVerfG, Beschl. v. 14.1.2004 - 2 BvR 564/95).

Liegen die Voraussetzungen einer Rückverweisungsklausel (etwa § 33 Abs. 1 BtMG) vor, so ist die Verfallsanordnung grundsätzlich obligatorisch (
BGH, Urt. v. 3.9.2009 - 5 StR 207/09).      




Unterschied zu §§ 73, 73a StGB

10
Bei § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein, das heißt, das Gericht muss zur Überzeugung gelangen, dass der Täter für oder aus der/den ausgeurteilten Tat(en) etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. § 73d StGB regelt demgegenüber den Fall, dass der Täter über Vermögensgegenstände verfügt, die nach Überzeugung des Gerichts (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 22.11.1994 - 4 StR 516/94 - BGHSt 40, 371 - NJW 1995, 470) für oder aus anderen rechtswidrigen Taten erlangt worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2008 - 4 StR 386/08; BGH, Beschl. v. 20.4.2010 - 4 StR 119/10). 




[ Vorrangigkeit des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ]

10.1
§ 73d StGB ist im Verhältnis zur Verfallsanordnung nach §§ 73, 73a StGB subsidiär. Vor einer Anwendung des § 73d StGB muss unter Ausschöpfung der zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden können, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind (BGH, Beschl. v. 7.4.2016 - 1 StR 632/15 Rn. 6; BGH, Urt. v. 11.12.2008 - 4 StR 386/08 mwN; BGH, Beschl. v. 8.8.2013 – 3 StR 226/13 - NStZ 2014, 82, 83; BGH, Beschl. v. 2.10.2002 – 2 StR 294/02 - NStZ-RR 2003, 75 mwN; BGH, Beschl. v. 20.4.2010 - 4 StR 119/10 - NStZ-RR 2010, 255).

Der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geprägte Satz, die Frage des erweiterten Verfalls werde erst relevant, wenn unter Ausschöpfung aller prozessual zulässigen Mittel ausgeschlossen sei, dass die Voraussetzungen der §§ 
73, 73a StGB erfüllt seien (BGH, Beschl. v. 2.10.2002 – 2 StR 294/02 - NStZ-RR 2003, 75, 76; BGH, Beschl. v. 7.1.2003 - 3 StR 421/02 - NStZ 2003, 422, 423; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 73d Rn. 9 mwN; siehe hierzu nachstehend "Aus der früheren Rechtsprechung"), steht der Anordnung des erweiterten Verfalls (von Wertersatz) nicht (mehr) entgegen, wenn nach Ausschöpfung aller Beweismittel zwar zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Angeklagte Erlöse aus rechtswidrigen Taten erzielt hat, jedoch nicht geklärt werden kann, ob sie aus den abgeurteilten oder anderen Taten stammen. Er findet seinen Grund in der Rechtslage aus der Zeit vor der Änderung des § 73d Abs. 1 Satz 3 StGB durch das am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2350), mit dem die entsprechende Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB auf den erweiterten Verfall gemäß einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 14.1.2004 - 2 BvR 564/95 - BVerfGE 110, 1, 30 f.; vgl. dazu BT-Drucks. 16/700, S. 20) angeordnet wurde. Vor dieser Änderung trug er dem Anliegen Rechnung, aus der Unanwendbarkeit des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB im Anwendungsbereich des § 73d StGB resultierende Wertungswidersprüche auszuräumen (BGH, Beschl. v. 2.10.2002 – 2 StR 294/02 - NStZ-RR 2003, 75, 76; BGH, Urt. v. 7.7.2011 - 3 StR 144/11; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 73d Rn. 11; außerdem Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis, 2003, Rn. 578 a.E.).

Die Vorschrift des § 73d StGB stellt eine Ausnahmeregelung dar, weil sie eine Verfallsanordnung nicht nur dann zulässt, wenn in dem dafür vorgesehenen strafprozessualen Verfahren ordnungsgemäß zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen ist, dass der Täter aus der konkreten Tat etwas erlangt hat, sondern bereits dann, wenn Umstände die Annahme rechtfertigen, der Täter oder Teilnehmer einer auf § 73d StGB verweisenden Anlasstat habe aus oder für sonstige rechtwidrige Taten etwas erlangt. Wegen dieses Ausnahmecharakters ist § 73d StGB gegenüber § 
73 StGB subsidiär und kann erst dann zur Anwendung gelangen, wenn nach Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind (BGH, Beschl. v. 8.8.2013 - 3 StR 226/13 mwN; BGH, Beschl. v. 15.10.2013 - 3 StR 224/13). Dies schließt es aus, in Verfahren wie dem vorliegenden Gegenstände dem erweiterten Verfall zu unterwerfen, die die Angeklagte aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber konkretisierbaren Straftaten erlangt hat; denn diese Taten können und müssen zum Gegenstand eines gesonderten Strafverfahrens gemacht werden, in dem die Voraussetzungen des vorrangig anwendbaren § 73 StGB zu prüfen sind (BGH, Beschl. v. 8.8.2013 - 3 StR 226/13 Rn. 8; BGH, Beschl. v. 15.10.2013 - 3 StR 224/13; zu den Voraussetzungen einer möglichen "wahlweisen" Anordnung von [Wertersatz-]Verfall und erweitertem Verfall s. BGH, Urt. v. 7.7.2011 - 3 StR 144/11 - BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 3).

Im Verhältnis zur Verfallsanordnung nach § 
73 StGB ist der erweiterte Verfall gemäß § 73d Abs. 1 StGB subsidiär. Die Anordnung des § 73d StGB setzt daher voraus, dass nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht festgestellt werden kann, dass die aus oder für rechtswidrige Taten erlangten Gegenstände aus solchen Taten herrühren, die Gegenstand der Verurteilung sind (vgl. BGH, Urt. v. 7.7.2011 - 3 StR 144/11 - BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 3; BGH, Beschl. v. 23.5.2012 - 4 StR 76/12). Im Verhältnis zum Verfall nach § 73 StGB tritt der erweiterte Verfall nach § 73d StGB zurück. Dabei ergibt sich der Vorrang des § 73 StGB sowohl aus dem Wortlaut des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB durch die dortige Formulierung 'auch dann' (BGH, Beschl. v. 4.4.2013 - 3 StR 529/12; LK-Schmidt, StGB, 12. Aufl. § 73d Rn 11 mwN) als auch aus dem Sinn und Zweck des erweiterten Verfalls, dem nach der gesetzgeberischen Intention eine Auffangfunktion zukommen soll (BT-Drs 11/6623 S. 6; BGH NStZ-RR 2003, 75). An diesem Rangverhältnis hat auch die Einführung des § 73d Abs. 1 Satz 3 StGB am 1. Januar 2007 nichts geändert. Zwar wurde der Vorrang des § 73 StGB auch mit dem Gesichtspunkt begründet, der erweiterte Verfall werde - so die ursprüngliche Rechtslage - durch bestehende Ersatzansprüche von Tatverletzten nicht ausgeschlossen, weswegen eine Verfallsanordnung deren Ansprüche beeinträchtigen könne, jedoch folgt - auch wenn der genannte Gesichtspunkt nunmehr keine Rolle mehr spielt (vgl. BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 3 (Gründe); BGH, Beschl. v. 4.4.2013 - 3 StR 529/12) - wegen des Verweisungserfordernisses des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB und der dort vorgesehenen Beweiserleichterungen aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (weiterhin), dass das Gericht unter Ausschöpfung aller prozessual zulässigen Mittel zunächst zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen der §§ 73, 73a StGB gegeben sind (BGH NStZ-RR 2003, 75f; 2010, 255f; BGH, Beschl. v. 4.4.2013 - 3 StR 529/12; Fischer, StGB, 60. Aufl. § 73 Rn 5). Der Tatrichter hat demnach nicht etwa die Wahl zwischen §§ 73, 73a und § 73d StGB (Fischer aaO). Dies gilt insbesondere, wenn er sich von der eindeutigen Zurechnung erlangter Gegenstände zu einer bestimmten rechtswidrigen Tat überzeugt hat. Ist diese Tat wirksam angeklagt, kann eine Verfallsanordnung nur auf §§ 73, 73a StGB gestützt werden, weil andernfalls das vom Gesetzgeber statuierte Rangverhältnis zwischen §§ 73, 73a StGB einerseits und § 73d StGB andererseits unterlaufen würde. Auch eine am Gesetzeszweck des § 73d StGB orientierte Betrachtung - gewinnorientierte Straftaten zu verhindern - gebietet keine abweichende Beurteilung, weil nicht zu befürchten ist, dass der Beschwerdeführer andernfalls das rechtswidrig Erlangte behalten dürfte [vgl. BGH, Beschl. v. 4.4.2013 - 3 StR 529/12; BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 3 (Gründe)].

Da seit dem 1. Januar 2007 sowohl § 73d Abs. 1 Satz 3 StGB als auch § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB die Möglichkeit einer Beeinträchtigung von Ersatzansprüchen Tatverletzter berücksichtigen, muss vor der Anwendung des § 73d StGB nicht mehr ausgeschlossen werden, dass der Gegenstand aus der Anknüpfungstat stammt (vgl. Wolters/Horn in SK-StGB, § 73d Rn. 5b [Stand: September 2007]). Vielmehr erfasst § 73d StGB - wenn auch gegenüber § 73 StGB subsidiär - zugleich aus der oder für die abgeurteilte Tat erlangte Gegenstände. Die Wendung, nur solche Gegenstände unterlägen dem erweiterten Verfall, die für oder aus "anderen" (als den abgeurteilten) rechtswidrigen Taten erlangt worden seien (BGH, Urt. v. 11.12.2008 - 4 StR 386/08 - BGHR StGB § 73a Anwendungsbereich 2 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 20.4.2010 - 4 StR 119/10 - NStZ-RR 2010, 255), erschöpft den Gehalt des § 73d StGB daher nicht (BGH, Urt. v. 7.7.2011 - 3 StR 144/11).

Sofern sich das Tatgericht nach Ausschöpfung sämtlicher prozessual zulässigen Mittel von der deliktischen Herkunft erlangter Vermögenswerte überzeugt, sich zugleich aber außerstande sieht, das Erlangte eindeutig den abgeurteilten oder anderen rechtswidrigen Taten zuzurechnen, ist demgemäß der erweiterte Verfall - gegebenenfalls von Wertersatz - anzuordnen. Denn das in der Rechtsprechung entwickelte Rangverhältnis der §§ 73, 73d StGB dient nicht dem Zweck, dem an einer rechtswidrigen Tat Beteiligten das aus der Tat Erlangte nur deshalb zu erhalten, weil eine endgültige Zuordnung zu einer bestimmten (anderen) rechtswidrigen Tat misslingt. Es liefe dem Gesetzeszweck der §§ 73, 73d StGB, das heißt einer Verhinderung gewinnorientierter Straftaten (BGH, Urt. v. 16.5.2006 - 1 StR 46/06 - BGHSt 51, 65 Rn. 12; BGH, Urt. v. 7.7.2011 - 3 StR 144/11; vgl. schon BT-Drucks. 11/6623, S. 4; BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 -2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 19), zuwider, wenn der an einer rechtwidrigen (Katalog-)Tat Beteiligte das Erlangte nur deshalb behalten dürfte, weil zwar die Herkunft aus einer rechtswidrigen Tat sicher festgestellt, die Herkunft aus der abgeurteilten Tat aber nicht mit Sicherheit verneint werden kann. Von der Anordnung ausgenommen sind lediglich Gegenstände, die nicht ausschließbar aus Taten stammen, die von der Anklage umfasst waren, derentwegen der Angeklagte indessen rechtskräftig freigesprochen wurde (BGH, Urt. v. 7.7.2011 - 3 StR 144/11; vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.1.2003 - 3 StR 421/02 - NStZ 2003, 422, 423). Denn insoweit ist die Verhängung von Rechtsfolgen im subjektiven Verfahren ohne Wiederaufnahme nicht mehr möglich (vgl. BGH, Urt. v. 7.7.2011 - 3 StR 144/11).

Aus der früheren Rechtsprechung:

Die §§ 
73 Abs. 1, 73a Abs. 1 StGB gehen dem erweiterten Verfall nach § 73d StGB vor (vgl. BGH StraFo 2004, 283; NStZ-RR 2006, 138, 139; BGH, Beschl. v. 21.10.2008 - 4 StR 437/08 - NStZ 2010, 85; BGH, Beschl. v. 16.3.2010 - 4 StR 497/09; BGH, Beschl. v. 3.2.2011 - 4 StR 586/10; W. Schmidt in LK 12. Aufl. § 73 d Rn. 11; Fischer StGB 55. Aufl. § 73 d Rn. 9; siehe auch § 73 StGB Rdn. 7). Sind die Voraussetzungen für die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz gegeben, ist für die Anordnung eines erweiterten Verfalls nach § 73d StGB kein Raum. Vor der Anwendung des § 73d StGB muß unter Ausschöpfung aller prozessual zulässigen Mittel ausgeschlossen werden, daß die Voraussetzungen der §§ 73, 73a StGB erfüllt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.2002 - 2 StR 294/02 - NStZ-RR 2003, 75 f.; NStZ 2003, 422, 423; BGH, Beschl. v. 15.7.2003 - 4 StR 29/03 - StV 2003, 617; NStZ-RR 2006, 138, 139; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 - 4 StR 244/08; BGH, Urt. v. 11.12.2008 - 4 StR 386/08; BGH, Beschl. v. 20.4.2010 - 4 StR 119/10; Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 73d Rdn. 11 f.; Tröndle/Fischer § 73d Rdn. 7 f., jeweils m.w.N.). Scheidet die Anordnung des Verfalls nach diesen Vorschriften nur deshalb aus, weil Ansprüche von Verletzten entgegenstehen, wird § 111i Abs. 2 StPO zu prüfen sein (vgl. BGH, Beschl. v. 16.3.2010 - 4 StR 497/09).

Dem angefochtenen Urteil muss entnommen werden können, welche der noch nicht ausgehändigten Gegenstände im Einzelnen dem erweiterten Verfall unterliegen sollen. Eine solche nachvollziehbare Zuordnung ist erforderlich, weil der Verfall gemäß § 73 Abs. 1 StGB dem erweiterten Verfall vorgeht (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 75, 76). Vor der Anwendung des § 73d StGB muss daher unter Ausschöpfung aller prozessual zulässigen Mittel ausgeschlossen werden, dass die Voraussetzungen der §§ 73, 73a StGB erfüllt sind (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 75, 76; NStZ 2003, 422, 423; BGH, Beschl. v. 1.12.2005 - 3 StR 382/05).

Dem Verfall - sei es nach § 
73 Abs. 1 Satz 1 StGB oder nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB - unterliegt stets nur das, was unmittelbar aus der oder für die Tat erlangt worden ist. Bei der Anordnung des Verfalles sichergestellten Dealgeldes muss es sich daher um die nämlichen Geldscheine handeln, die durch die Drogenverkäufe erlangt worden sind. Befinden sich diese nicht mehr im Besitz des Täters, ist ihr Verfall somit aus tätsächlichen Gründen nicht (mehr) möglich, kommt gemäß § 73a Satz 1 StGB die Anordnung eines Geldbetrages in Betracht, der dem Wert des Erlangten entspricht (Wertersatzverfall). Hierbei ist - vorbehaltlich einer Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB - unter Zugrundelegung des Bruttoprinzips (vgl. hierzu Fischer StGB 57. Aufl. § 73 Rn. 7) auf den aus den Drogenverkäufen erlangten Gesamterlös abzustellen (BGH, Beschl. v. 20.4.2010 - 4 StR 119/10). 



§ 73d Abs. 1 StGB




Anwendbarkeit von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB auf den erweiterten Verfall

15
§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ist auf den erweiterten Verfall entsprechend anzuwenden. Die frühere Rechtsprechung, wonach der erweiterte Verfall im Interesse effektiver Abschöpfung krimineller Gewinne auch solche Fälle erfassen soll, in denen Ansprüche Geschädigter letztlich nicht aufklärbar sind (vgl. BT-Drucks. 11/6623 S. 4, 7; BVerfGE 110, 1, 26 f.; BGH, Urt. v. 20.9.1995 - 3 StR 267/95 - BGHSt 41, 278, 284 - NJW 1996, 136; BGH NJW 2001, 2239; BGH, Beschl. v. 3.4.2002 - 1 StR 540/01; BGH, Beschl. v. 1.12.2005 - 3 StR 382/05; BGH, Beschl. v. 31.3.2004 - 1 StR 482/03 - wistra 2004, 299; vgl. aber BGH, Beschl. v. 16.3.2010 - 4 StR 497/09), ist durch die seit dem 1.1.2007 geltende Neuregelung der Vorschrift überholt.

Beispiel: (vgl. BGH, Beschl. v. 23.11.2010 - 3 StR 421/10) Im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung entdeckten Zollbeamte im Schrank verstecktes Bargeld, das sichergestellt wurde. Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass dieses Geld aus rechtswidrigen Taten stammt und hat hierzu ausgeführt: "Entweder haben sie das Geld aus zurückliegenden Rauschgiftgeschäften erlangt … oder sie verfügten über andere Einkünfte und/oder Vermögenswerte, die sie nicht angegeben haben, als sie um die Gewährung von Sozialleistungen nach dem SGB II nachsuchten; damit haben sie indes einen Betrug zum Nachteil der die Sozialleistungen verwaltenden Stellen begangen. Auch bezüglich der Anordnung des erweiterten Verfalls vermag die Kammer keinen Umstand festzustellen, angesichts dessen ihre Entscheidung für die Angeklagten eine unbillige Härte darstellt (vgl. §§ 73d Abs. 4, 73c StGB)."

Gegen die Begründung, mit der der erweiterte (Wertersatz-)Verfall angeordnet worden ist, bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken, denn hierbei wurde nicht bedacht, dass bei der als möglich gehaltenen Alternative, die Angeklagten hätten das Geld durch einen Betrug zum Nachteil der Sozialbehörden erlangt, die Anordnung des erweiterten Verfalls ausgeschlossen ist. Denn gemäß § 73d Abs. 1 Satz 3 Abs. 2, § 
73 Abs. 1 Satz 2, § 73a StGB kommt der erweiterte (Wertersatz-)Verfall ausnahmsweise nicht in Betracht, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. Durch diese Regelung sollen eine doppelte Inanspruchnahme des Täters/Teilnehmers verhindert und die Schwierigkeiten vermieden werden, die bei einer Konkurrenz zwischen staatlichem Rückerstattungs- und zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch entstehen würde (Fischer, StGB, 57. Aufl., § 73 Rn. 17). Ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch der Sozialbehörden würde sich aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB ergeben (vgl. BGH, Beschl. v. 23.11.2010 - 3 StR 421/10).

Die den Verletzten aus den Straftaten erwachsenen Ansprüche können danach der Anordnung des erweiterten Verfalls der sichergestellten Geldbeträge gemäß §§ 73d Abs. 1 Satz 3, 73 Abs. 1 Satz 2 StGB insoweit entgegenstehen, als die Erfüllung der Ansprüche dem Angeklagten den Wert des aus den Taten Erlangten entziehen würde (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 16.3.2010 - 4 StR 497/09).

  siehe hierzu näher: § 73 StGB Rdn. 25 ff. - Vorrangige Ansprüche des Verletzten




Einordnung als Verfallsgegenstände

20
Gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 , § 73d Abs. 1 StGB unterliegen dem erweiterten Verfall nur Gegenstände des an der rechtswidrigen Tat Beteiligten, d.h. solche Sachen oder Rechte, die diesem zum Zeitpunkt der Verfallsanordnung gehören oder zustehen (vgl. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 d Rdn. 27, 29 m.w.Nachw.; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 d Rdn. 11) oder - wegen eines zivilrechtlich unwirksamen Erwerbsaktes (vgl. BGHSt 31, 145) - nur deshalb nicht gehören oder zustehen, weil er sie für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat, sowie die Surrogate solcher Gegenstände (vgl. BGH, Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 541/00 - NStZ 2001, 531).

Als Verfallsgegenstände erfasst werden alle im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB aus rechtswidrigen Taten herrührenden Gegenstände oder deren Surrogate gemäß § 73d Abs. 1 Satz 3, § 
73 Abs. 2 Satz 2 StGB, die bei Begehung der den erweiterten Verfall eröffnenden Anknüpfungstat im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Strafrechtsänderungsgesetz - Erweiterter Verfall -, BT-Drucks. 11/6623 S. 8; BGH, Beschl. v. 1.7.2004 - 4 StR 226/04 - StraFo 2004, 394; BGH, Beschl. v. 7.1.2003 - 3 StR 421/02 - NStZ 2003, 422, 423; BGH, Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 541/00 - BGHR StGB § 73d Gegenstände 4; BGH, Beschl. v. 23.5.2012 - 4 StR 76/12).

Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Anknüpfungstat ganz oder teilweise unmöglich geworden, ist nach § 73d Abs. 2 StGB in entsprechender Anwendung des § 73a StGB auf Wertersatzverfall in Höhe des Wertes des ursprünglich dem erweiterten Verfall unterliegenden Gegenstandes zu erkennen (vgl. BGH, Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 541/00 - BGHR StGB § 73d Gegenstände 4; BGH, Beschl. v. 23.5.2012 - 4 StR 76/12).
   




[ Surrogate ]

20.1
Der erweiterte Verfall erstreckt sich gemäß §§ 73d Abs. 1 Satz 3, 73 Abs. 2 Satz 2 StGB auch auf Surrogate; ist Geld erlangt, sind Gegenstand des Verfalls auch die Gegenstände, die der Täter mit dem Geld erworben hat (vgl. BGHR StGB § 73d Gegenstände 4; BGH, Urt. v. 7.7.2004 - 1 StR 115/04; Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 46).

Beispiel: Erzielte der Angeklagte neben dem Verkauf von Betäubungsmitteln keine legalen Einkünfte, die ihm das Ansparen eines größeren Geldbetrages erlaubt hätten und hat er ein Kraftfahrzeug für 54.000 DM gekauft, das er - abgesehen von angerechneten 5.500 DM für sein altes Fahrzeug - bar bezahlte, reicht zur Verneinung einer Verfallsanordnung die Darlegung nicht aus, die Voraussetzungen des Verfalls des Wertersatzes gemäß § 73a StGB lägen nicht vor, weil das Kaufgeld für das Kraftfahrzeug allenfalls zu einem geringen Teil aus den begangenen verfahrensgegenständlichen Taten stammen könne. In diesem Fall sind Feststellungen zu den Voraussetzungen eines erweiterten Verfalls nach den §§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 73d StGB erforderlich (vgl. 
BGH, Urt. v. 7.7.2004 - 1 StR 115/04).        




[ Nachweis der deliktischen Herkunft ]

20.2
Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 73d StGB sind an den Nachweis der Herkunft von deliktsverdächtigen Vermögensgegenständen erhöhte Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.1994 - 4 StR 516/94 - BGHSt 40, 371 ff. - NJW 1995, 470; BGH, Beschl. v. 29.8.2002 - 3 StR 287/02). Die Gegenstände können bei einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift nur dann für verfallen erklärt werden, wenn der Tatrichter nach Beweiserhebung und Beweiswürdigung davon überzeugt ist, daß die von der Verfallsanordnung erfaßten Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen unmittelbar erlangt worden sind, ohne daß diese im Einzelnen festgestellt werden müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.1994 - 4 StR 516/94 - BGHSt 40, 371, 373 - NJW 1995, 470; BGH NStZ-RR 1998, 297; BGH, Urt. v. 4.8.2010 - 5 StR 184/10 - NStZ 2010, 385). Befinden sich Sachen oder Rechte, die dem erweiterten Verfall unterlegen hätten und die bei Begehung der Anknüpfungstat noch vorhanden waren (vgl. Schmidt, in LK 11. Aufl. § 73 d Rdn. 53 m.w.Nachw.; Eser, in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 d Rdn. 17; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 73 d Rdn. 5), nicht mehr im Vermögen des Tatbeteiligten, kann der Verfall eines dem Wert des ursprünglich dem Verfall unterliegenden Gegenstandes entsprechenden Geldbetrags angeordnet werden (§ 73d Abs. 2 i.V.m. § 73a Satz 1 StGB), wobei insoweit eine Schätzung zulässig ist (§ 73d Abs. 2 i.V.m. § 73b StGB; BGH, Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 541/00 - NStZ 2001, 531; vgl. zu den Kriterien und Voraussetzungen einer zulässigen Schätzung auch BGH, Beschl. v. 10.11.2009 - 1 StR 283/09 - wistra 2010, 148).

Die Anordnung des erweiterten Verfalls setzt die uneingeschränkte tatrichterliche Überzeugung von der deliktischen Herkunft der Gegenstände voraus, hinsichtlich deren der erweiterte Verfall angeordnet wird, ohne daß diese selbst im einzelnen festgestellt werden müßten (BGH, Beschl. v. 22.11.1994 - 4 StR 516/94 - BGHSt 40, 371 - NJW 1995, 470; bestätigt durch BVerfG, Beschl. v. 14.1.2004 - 2 BvR 564/95; BGH, Beschl. v. 29.8.2002 - 3 StR 287/02; BGH, Beschl. v. 2.10.2002 - 2 StR 294/02; BGH, Beschl. v. 1.7.2004 - 4 StR 226/04; BGH, Beschl. v. 5.8.2004 - 4 StR 186/04; BGH, Urt. v. 11.12.2008 - 4 StR 386/08 - BGHR StGB § 73a Anwendungsbereich 2; BGH, Beschl. v. 20.4.2010 - 4 StR 119/10 - NStZ-RR 2010, 255; BGH, Beschl. v. 11.2.2016 - 3 StR 486/15; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73d Rn. 11).

Weder eine "ganz hohe Wahrscheinlichkeit" der deliktischen Herkunft (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2016 - 3 StR 486/15) noch ein nicht näher begründeter Hinweis des Tatgerichts, es könne kein Zweifel daran bestehen, daß das Geld "aus illegalen Geschäften" stamme, reicht dazu nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 29.8.2002 - 3 StR 287/02). Wird die Anordnung darauf gestützt, dass “sich eine deliktische Herkunft oder Verwendung des bei dem Angeklagten sichergestellten Bargeldes“ aufdränge, ist damit nicht belegt, dass die Gelder für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. So darf etwa nicht offen gelassen werden, ob die Gelder durch Veräußerung gestohlener Fahrzeuge erlöst bzw. für die Begehung von Diebstahlstaten bezahlt worden sind oder ob die Gelder lediglich - gleichsam als instrumenta sceleris - dazu dienen sollten, die Bandentätigkeit zu fördern. In diesem Falle kommt aber eine Verfallsanordnung, die beim Täter “Gewinne“ abschöpfen soll, nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 16.3.2010 - 4 StR 497/09). Im übrigen setzt eine Verfallsanordnung nach § 73d StGB voraus, daß der Angeklagte Eigentümer des - für verfallen erklärten - Geldes wurde oder ein zivilrechtlich unwirksamer Erwerbsakt im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB vorliegt (vgl. BGHSt 31, 145, 148; BGH, Beschl. v. 29.8.2002 - 3 StR 287/02; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 73 d Rdn. 7; Eser aaO Rdn. 12, 13).


Beispiel: So hat etwa der Verfall von sichergestellten Funktelefonen keinen Bestand bei der  "Annahme ... der Angeklagte habe diese Handys benutzt, um hiermit rechtswidrige Taten zu begehen", denn dies erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB nicht, weil die Mobiltelefone nach derartigen Urteilsfeststellungen nicht "für" oder "aus" rechtswidrigen Taten erlangt wurden (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.2002 - 2 StR 294/02; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 8 f.; § 73 d Rdn. 14).

Eine Anwendung kommt erst in Betracht, wenn nach Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 
73 StGB erfüllt sind (BGH, Beschl. v. 11.2.2016 - 3 StR 486/15). Dies hindert es, in dem Verfahren wegen einer Anlasstat, die auf § 73d StGB verweist, Gegenstände dem erweiterten Verfall zu unterwerfen, die der Angeklagte aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber zumindest möglicherweise konkretisierbaren Straftaten erlangt hat; denn diese Taten können und müssen zum Gegenstand eines gesonderten Strafverfahrens gemacht werden, in dem die Voraussetzungen des vorrangig anwendbaren § 73 StGB zu prüfen sind (BGH, Beschl. v. 11.2.2016 - 3 StR 486/15; BGH, Beschl. v. 8.8.2013 - 3 StR 226/13 - NStZ 2014, 82, 83).

Die Anordnung des erweiterten Verfalls scheidet aus, wenn bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit begründen, daß Vermögensgegenstände des Täters aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen; es dürfen allerdings an die Überzeugungsbildung keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BGH, Beschl. v. 22.11.1994 - 4 StR 516/94 - BGHSt 40, 371, 373 - NJW 1995, 470; BGH, Urt. v. 7.7.2004 - 1 StR 115/04; vgl. auch Nack, GA 2003, 879, 885 m.w.N.). Die dem Angeklagten zweckgebunden zur Verfügung gestellten Gelder, die ihm nicht gehörten (vgl. Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 73 d Rdn. 7), müssen dabei außer Betracht bleiben (BGH, Beschl. v. 1.7.2004 - 4 StR 226/04).




- Alleinaktionärsstellung des Angeklagten

Allein der Umstand, dass der Angeklagte Alleinaktionär dieser Gesellschaft ist, reicht für die Anordnung des erweiterten Verfalls nicht aus, wenn der Verfallsgegenstand im Eigentum der Gesellschaft steht; vielmehr ist es nur beim Vorliegen besonderer, darüber hinaus gehender Gründe zulässig, die formale rechtliche Unterscheidung zwischen dem Gesellschaftsvermögen und dem Privatvermögen des Angeklagten außer Betracht zu lassen (vgl. BVerfG NStZ 2006, 639, 640; BGH, Beschl. v. 16.10.2007 - 3 StR 254/07 - wistra 2008, 65). 




Rückwirkungsverbot

25
Leitsatz  Der erweiterte Verfall kann nicht für solche Vermögensgegenstände angeordnet werden, die vor Inkrafttreten der mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz geschaffenen Verweisungsvorschriften des § 282 Abs. 1 StGB und des § 263 Abs. 7 StGB aus Urkundsdelikten oder Betrugstaten erlangt worden sind (BGH, Beschl. v. 27.4.2001 - 3 StR 132/01 - Ls. - wistra 2001, 297; Anschluß an BGH, Urt. v. 20.9.1995 - 3 StR 267/95 - BGHSt 41, 278 - NJW 1996, 136). Das folgt aus dem Rückwirkungsverbot. Denn der Grundsatz, daß die Strafe und ihre Nebenfolgen sich nach dem Gesetz bestimmen, das zum Zeitpunkt der Tat gilt, ist nach § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 StGB auch auf den Verfall anzuwenden (BGH, Beschl. v. 27.4.2001 - 3 StR 132/01 - wistra 2001, 297).

 
siehe auch: § 1 StGB, Keine Strafe ohne Gesetz - Rdn. 15 ff. - Rückwirkungsverbot; § 282 StGB, Vermögensstrafe, Erweiterter Verfall und Einziehung  



§ 73d Abs. 2 StGB
 
... (2) Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Tat ganz oder teilweise unmöglich geworden, so finden insoweit die §§ 73a und 73b sinngemäß Anwendung. ... 




Unmöglich gewordene Verfallsanordnung

55
Beispiel: Das beim Angeklagten bzw. seiner Großmutter sichergestellte Geld im Wert von 27.400 Euro stammte aus strafbaren Verkäufen von Betäubungsmitteln, wobei der Erlös konkreten Taten, insbesondere den angeklagten Taten, nicht zugeordnet werden konnte. Damit liegen grundsätzlich die Voraussetzungen für die Anordnung eines erweiterten Verfalls gemäß §§ 33 Abs. 1 BtMG i.V.m. 73d Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB vor (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2014 - 2 StR 20/14). 

Dieser ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der sichergestellte Betrag bei der Gerichtskasse eingezahlt worden ist. Dadurch ist nämlich die Verfallsanordnung im Sinne von § 73d Abs. 2 StGB (mit der Maßgabe, dass allenfalls der Verfall von Wertersatz im Sinne von § 73a StGB angeordnet werden könnte) nicht unmöglich geworden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das für die Tat oder aus ihr Erlangte damit nicht mehr als solches "bei dem Angeklagten" vorhanden wäre (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2014 - 2 StR 20/14; BGH, Beschl. v. 21.10.2008 - 4 StR 437/08 - NStZ 2010, 85). Davon aber ist nicht auszugehen. Die strafprozessuale Sicherstellung von aus Drogengeschäften erlangten Kauferlösen als solche bewirkt nicht die Aufhebung der unmittelbaren Zuordnung von sichergestellten Geldern zum Täter. Aber auch die Einzahlung bei der Gerichtskasse führt diese Wirkung nicht herbei. Denn nach der maßgeblichen Anschauung des täglichen Lebens macht es keinen Unterschied, wenn eine bestimmte Banknote als vertretbare Sache durch einen gleichwertigen Anspruch auf den entsprechenden Geldbetrag gegen die Staatskasse ersetzt wird (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2014 - 2 StR 20/14; BGH, Urt. v. 14.7.1993 - 3 StR 251/93 - BGHR StGB § 74 Identität 1 zum vergleichbaren Problem bei der Einziehung). Schließlich steht auch § 73c StGB der Anordnung des erweiterten Verfalls nicht entgegen, wenn das aus Betäubungsmittelgeschäften Erlangte auch nach Einzahlung der sichergestellten Geldscheine auf der Gerichtskasse nach maßgeblicher Anschauung des täglichen Lebens beim Angeklagten als Täter verblieben ist (BGH, Urt. v. 23.7.2014 - 2 StR 20/14).
 



Prozessuales




Beschränkung der Verfolgung gemäß § 430 i.V.m. § 442 StPO

Z.1
Ein Ausscheiden der ggfls. komplexen, schwierigen und zeitaufwändigen Anordnung des Wertersatzverfalls ist nach § 430 Abs. 1 StPO i.V.m. § 442 StPO in drei Fallgruppen möglich:
   
Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft kann das Gericht die Verfolgung der Tat auf anderweitige Rechtsfolgen beschränken, wenn
1. die Einziehung (und ihr gleichstehend der Verfall) neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder wenn soweit es die Einziehung betrifft,
2. das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde oder
3. die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.

Eine Verfolgungsbeschränkung kann nach § 
430 Abs. 2 StPO bereits im Ermittlungsverfahren vorgenommen werden. Dies gilt nicht nur für den Verfall, sondern auch für die Einziehung, die Vernichtung, die Unbrauchbarmachung und die Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes.

Vgl. etwa die Beschränkung auf die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes, weil das Verfahren, soweit es den allein zu prüfenden Verfall des Anwartschaftsrechts auf den Erwerb des Eigentums an dem vom Angeklagten unter Eigentumsvorbehalt gekauften Pkw betrifft, die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Taten unangemessen erschweren würde (vgl. BGH, Beschl. v. 29.10.2002 - 4 StR 322/02).
    




Sicherstellung durch Beschlagnahme

Z.2
Die Regelungen der §§ 111b ff. StPO ermöglichen eine vorläufige Beschlagnahme von beim Beschuldigten vorgefundenen Vermögensgegenständen, um die Durchsetzung einer späteren Anordnung des Verfalls oder von Ersatzansprüchen Tatgeschädigter sicherzustellen.

 
siehe auch: § 111b StPO, Sicherstellung für Verfall, Einziehung und Gewinnabschöpfung   




Verzicht des Angeklagten auf die Herausgabe

Z.3
Hat der Angeklagte auf die Herausgabe des sichergestellten Gegenstandes (etwa des Geldes und der Handys) verzichtet, ist die insoweit ansonsten zu treffende Anordnung entbehrlich und entfällt (vgl. BGH, Beschl. v. 6.6.2017 - 2 StR 490/16 Rdn. 2; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 73 Rn. 41; § 74 Rn. 17).




Gesetze

Z.8




[ Verweisungen ]

Z.8.1
Auf § 73d StGB wird verwiesen in:

§ 84 AsylG   siehe auch: Verleitung zur mißbräuchlichen Asylantragstellung, § 84 AsylG
§ 84a AsylG 
 siehe auch: Gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur mißbräuchlichen Asylantragstellung, § 84a AsylG

§ 96 AufenthG 
  siehe auch: Einschleusen von Ausländern, § 96 AufenthG

§ 19 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes zum Chemiewaffenübereinkommen

§ 33 BtMG 
  siehe auch: Erweiterter Verfall und Einziehung, § 33 BtMG

§ 24 KWKG
siehe auch: Einziehung und erweiterter Verfall, § 24 KWKG

§ 54 WaffG
siehe auch: Einziehung und erweiterter Verfall, § 54 WaffG

 



[ Änderungen § 73d StGB ]

§ 73d StGB wurde mit Wirkung vom 1.7.2017 geändert durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872). Zuvor hatte die Vorschrift folgenden Wortlaut:

"§ 73d StGB
Erweiterter Verfall

(1) Ist eine rechtswidrige Tat nach einem Gesetz begangen worden, das auf diese Vorschrift verweist, so ordnet das Gericht den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, daß diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn ein Gegenstand dem Täter oder Teilnehmer nur deshalb nicht gehört oder zusteht, weil er den Gegenstand für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat. § 73 Abs. 1 Satz 2, auch in Verbindung mit § 73b, und § 73 Abs. 2 gelten entsprechend.
 
(2) Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Tat ganz oder teilweise unmöglich geworden, so finden insoweit die §§ 73a und 73b sinngemäß Anwendung.
 
(3) Ist nach Anordnung des Verfalls nach Absatz 1 wegen einer anderen rechtswidrigen Tat, die der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung begangen hat, erneut über den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers zu entscheiden, so berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung."

Diese Vorschrift ist auf Grund der nach Artikel 2 Ziffer 2 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, 872, 878) geltenden Übergangsvorschrift des Art. 316h EGStGB für bestimmte Verfahren in der bisherigen Fassung auch weiter anwendbar.

"Artikel 316h EGStGB
Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung

Wird über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 1. Juli 2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, sind abweichend von § 2 Absatz 5 des Strafgesetzbuches die §§ 73 bis 73c, 75 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 73d, 73e, 76, 76a, 76b und 78 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) anzuwenden. Die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) sind nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist."

Text in der Fassung des Artikels 2 Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung G. v. 13. April 2017 BGBl. I S. 872 m.W.v. 1. Juli 2017



Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 7. Titel (Verfall und Einziehung)
 




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